[637] Theseus. Aricia.
THESEUS.
Du entfärbst dich, Königin? Du scheinst erschrocken!
Was wollte Hippolyt an diesem Ort?
ARICIA.
Er sagte mir ein ewig Lebewohl.
THESEUS.
Du wußtest dieses stolze Herz zu rühren,
Und deine Schönheit lehrte ihn die Liebe.
ARICIA.
Wahr ists, o Herr, den ungerechten Haß
Hat er von seinem Vater nicht geerbt,
Hat mich nicht als Verbrecherin behandelt.
THESEUS.
Ja, ja, ich weiß. Er schwur dir ewge Liebe.
Doch baue nicht auf dieses falsche Herz,
Auch andern schwur er eben das!
ARICIA.
Er tat es?
THESEUS.
Du hättest ihn beständger machen sollen!
Wie ertrugst du diese gräßliche Gemeinschaft?
ARICIA.
Und wie erträgst du, daß die gräßliche
Beschuldigung das schönste Leben schmäht?
Kennst du sein Herz so wenig? Kannst du Schuld
Von Unschuld denn so gar nicht unterscheiden?
Muß ein verhaßter Nebel deinem Aug
Allein die hohe Reinigkeit verbergen,
Die hell in aller Augen strahlt? Du hast[637]
Zu lang ihn falschen Zungen preisgegeben.
Geh in dich, Herr! Bereue, widerrufe
Die blutgen Wünsche! Fürchte, daß der Himmel
So sehr dich hasse, um sie zu gewähren!
Oft nimmt er unser Opfer an im Zorn,
Und straft durch seine Gaben unsre Frevel.
THESEUS.
Nein, nein, umsonst bedeckst du sein Vergehn:
Dich blendet Liebe zu dem Undankbaren.
Ich halte mich an zuverläßge Zeugen,
Ich habe wahre Tränen fließen sehn.
ARICIA.
Gib acht, o Herr! Unzählge Ungeheuer
Vertilgte deine tapfre Hand, doch alles
Ist nicht vertilgt, und leben ließest du
Noch ein – dein Sohn verwehrt mir fortzufahren.
Des Vaters Ehre, weiß ich, ist ihm heilig,
Ich würd ihm weh tun, wenn ich endete.
Nacheifr' ich seiner edeln Scham und flieh
Aus deinen Augen, um nicht mehr zu sagen.
Sie geht ab.
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