Siebenundzwanzigster Auftritt


[98] Kolibri. Eduard. Florian.


EDUARD. Also hier ist dein berüchtigter Zauberberg?

FLORIAN. Was dort für ein tiefes Rezepiß hinuntergeht.

EDUARD. Und jener feuerspeiende Berg, sagtest du, ist die Wohnung des Geisterkönigs?

FLORIAN. Logiert der in einem Rauchfang?

KOLIBRI. Dort ist seine Wohnung.

EDUARD. Und diesen Berg muß ich ersteigen, ohne umzublicken? Und dem höchsten Baum in jenem Garten muß ich einen Zweig entreißen?

KOLIBRI. Ja! Doch muß ich dich jetzt verlassen und darf dich erst wiedersehen, wenn du glücklich vollendet hast.


Baum singt einige Takte aus einer bekannten Rossinischen Oper.


EDUARD. Was hör ich für angenehme Melodien! Ich kenne euch, ihr habt mich oft vergnügt. Baum singt einige Takte von Mozart. Halt! das ist Mozart! O meine vaterländischen Töne, ihr könnt nicht nur vergnügen, ihr könnt auch begeistern. Lebt wohl! Ich besteige den Berg.

KOLIBRI. Hüte dich! Sieh dich nicht um, ich darf dich nicht beschützen. Zu Florian. Komm, Bursch!

FLORIAN. Marsch, Bursch! Ich bleib bei meinem Herrn.


Kolibri geht ab.

Melodrama.

Eduard beginnt den Weg. Er betritt den ersten Weg. Vier reizende Nymphen tanken hinter ihm her und suchen ihn durch Winken und Tanzen um Umsehen zu bringen, endlich formieren sie bei einer Ferma in der Musik eine ihn umschlingende und zurückhaltende Gruppe.


EDUARD reißt sich los, ohne sich umzusehen, und ruft. Laßt mich, Bajaderen! Die Nymphen verschwinden schnell. Eduard betritt den zweiten Weg, es wird plötzlich finster. Der Donner rollt und schlägt vor ihm in einen Baum ein, welcher einen Augenblick brennt. Pause in der Musik. Du schreckst mich nicht! Vorwärts!


Der Baum verlischt, die Bühne wird wieder hell.

[99] Eduard betritt den dritten Weg, ein Grieche mit gezücktem Dolche verfolgt ein.


MÄDCHEN welches sich an Eduard von rückwärts anklammert und. Hilfe! Hilfe! Ruft.

EDUARD reißt sich los und ruft. Zurück! Beide versinken. Viktoria, es ist gelungen! Eilt in die Pforte.


Man hört durchs Sprachrohr


KOLIPHONIUS' STIMME. Verdammt!


Die Musik drückt den Triumph aus.


FLORIAN hat während der ganzen Szene seine Empfindungen mimisch ausgedrückt, macht einen Rundsprung. Juchhe! Das ist ein Mandel mit Kren, mein Herr! Und ich soll hier stehen bleiben wie ein Spatzenschrecker? Nein! Hinauf auf den Lepoldiberg! Vielleicht erwisch ich auch eine bezauberte Nagelwurzen oder was. Er eilt auf den Berg. Musik. Ein Oberländler. Vier Küchenmädchen mit Linzerhauben und schwarzen Vortüchern machen das vorige Spiel. Pause in der Musik. Zurück! ihr Kuchelbären!


Die vier Mädchen verschwinden.

Er tritt den weiten Weg an, ihm entgegen treten zwei Mann ideale Soldaten mit angeschlagenem Gewehr.


DER KORPORAL daneben kommandiert. Schlagt an! Habt Acht! Gebt Feuer!


Auf das Wort »Feuer« fällt Florian aufs Gesicht vorwärts nieder. Die Soldaten schießen über ihn weg und verschwinden.


FLORIAN rafft sich auf und ruft. Weit davon ist gut vorm Schuß!


Er betritt den dritten Weg.


EIN KELLNER hält ihn zurück und ruft. Meine zehn Gulden!

FLORIAN schlägt rückwärts aus. Zurück, Ungeheuer! Und wirft ihn nieder. Kellner entflieht. Triumph! Es ist gelungen! Er will ins Portal.


In dem Augenblick erscheint.


MARIANDELS GESTALT durch sie selbst vorgestellt, hinter ihm und ruft. Florian! Florian!

FLORIAN schaut sich schnell um und ruft. Mariandel!


Er will auf sie zu, sie verschwindet, eine Furie reißt ihn rückwärts nieder.[100]


KOLIPHONIUS erscheint am Fuß des Berges. Er ist mein! Verwandle dich in einen Pudel!


Eine Hundshütte erhebt sich über Florian, er läuft als Pudel über den Berg herab und sucht ängstlich seinen Herrn.

In dem Augenblick kommt.


EDUARD frohlockend, den Zweig in der Hand, aus dem Garten über den Berg und ruft. Florian! Florian! Der Pudel springt an ihm hinauf und liebkoset ihn. Pause. Was ist das, was will der Pudel?

KOLIBRI tritt heraus. Es ist dein Diener!

EDUARD. Unglücklicher, was hast du getan? Pause. Ich will dich auch so nicht verlassen. Komm, Sinnbild der Treue! Fort von diesem Ort. Nimmt den Pudel bei dem Halsband und will ihn fortziehn.

KOLIPHONIUS ruft. Halt! Er bleibt hier! Mein ist der Hund! Ich bin hier Herr.

EDUARD. Mit meinem Leben will ich ihn verteidigen – er bleibt nicht hier.

KOLIPHONIUS. Nicht? Verwandelt sich in einen Jäger. So erschieß ich ihn.


Bückt sich, sein Gewehr aufzunehmen und spannt den Hahn. Kolibri winkt. Plötzlich springen wenigstens acht bewegliche Pudel, ebenso gezeichnet wie Florian, auf die Bühne und bilden mit ihm ein Tableau, das ganze übrige Theater aber ist auf allen Bergen und Seitenhügeln mit lauter so flachgemalten Pudeln angefüllt, welche sich nach Verhältnis der Tiefe perspektivisch kleiner zeigen, in komischen Gruppen, und das Tableau vollenden. Koliphonius will zielen, prallt zurück.


EDUARD. Bravo, Kolibri! Jetzt schieß den rechten, wenn du ihn kennst, aber schnell, denn alle nehm ich sie mit mir!

KOLIPHONIUS. So will ich sie alle verderben.


Winkt. Die Bühne verfinstert sich. Blitze leuchten, heftiger Regen. Das Wasser schwillt immer höher, Kolibri und Eduard befinden sich mitten auf einem Fels, welcher sich aus dem Wasser emporhebt und hoch herausragt. Die Pudel schwimmen um ihn herum. Pause in der Musik.


EDUARD. Er ist verloren!

KOLIBRI. Wirf ihm den Zweig zu.

EDUARD wirft den Zweig ins Wasser und ruft. Florian, apport! Der Pudel sucht ihn zu haschen, arbeitet sich mit dem Zweig in dem[101] Mund auf den Felsen hinan, wo Eduard steht. Wie er oben ist, ruft Eduard unter der Musik. Er ist gerettet!


Der Fels verwandelt sich in ein Segelschiff und fährt mit den Dreien davon.


KOLIPHONIUS ruft. Fluch und Verderben über euch!


Der Pudel bellt im Fortfahren mit Wut auf ihn heraus. Die Kortine fällt.

Ende des ersten Aufzuges.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 98-102.
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