[542] Flottwell. Der Bettler, welcher immer mit unbedecktem Haupt erscheint.
FLOTTWELL. Ein altes Möbel aus des Vaters Nachlaß. Der Mann ist immer unzufrieden mit allem, was ich tue. Die alten Leute sind doch gar zu wunderlich. Ich bin so schlecht gelaunt. Heut wird ein heißer Tag auf Flottwells Schloß, ein groß entscheidender. Ich kann Amalie nicht verlieren, sie nicht in eines andern Arm erblicken, ich hab es ihr geschworen; und gelingt es mir nicht, ihren Vater zu gewinnen, läßt er nicht ab, sein Kind dem Starrsinn aufzuopfern, so müßte ich zu einem bösen Mittel greifen. Schon gestern hab ich einen Brief erwartet. Gott! wenn sie wanken könnte. Erblickt den Bettler, der nachdenkend mit seinem Stabe in den Sand schreibt. Was macht der Bettler dort! Ich[542] hab ihn heut vom Fenster schon bemerkt, und sein Gesang hat mich ganz sonderbar ergriffen. Mir wars, als hätt ich ihn schon irgendwo gesehn und als wollt er meiner Lust ein Grablied singen. Mich wunderts, daß ihn meine Dienerschaft hier sitzen läßt. Was schreibst du in den Sand mit deinem Bettelstab?
BETTLER. Die Summen Goldes, die ich einst besaß.
FLOTTWELL. So warst du reich?
BETTLER seufzend. Ich wars.
FLOTTWELL. Daß du Verlust betrauerst, zeigt die Trän in deinem Auge.
BETTLER. Was ich betraure, spiegelt sich in meiner Träne – Ein Palast.
FLOTTWELL betroffen. Oho! – Was warst du, und wie heißest du?
BETTLER. Es ist die letzte Aufgabe meines Lebens, beides zu vergessen. Das einzge Mittel, das mich vor Verzweiflung retten kann.
FLOTTWELL. Sonderbar. Wirft ihm ein Goldstück in den Hut. Hier nimm dies Goldstück! Will nach dem Garten gehen.
BETTLER springt auf und stürzt zu seinen Füßen, ohne ihn je zu berühren. O gnädger Herr, schenken Sie mir mehr, schenken Sie mir eine Summe, welche Ihrer weltberühmten Großmut angemessen ist.
FLOTTWELL. Bist du beweibt, hast du so viele Kinder?
BETTLER. Ich bin allein, nur Gram begleitet mich.
FLOTTWELL wirft ihm noch ein Goldstück hin. So sättge dich und jag ihn fort.
BETTLER. Er läßt sich nicht so leicht verjagen als das Glück.
FLOTTWELL. Er ist nur Wirkung, heb die Ursach auf.
BETTLER. Vermögen Sie die Ursach Ihrer Lieb zu tilgen?
FLOTTWELL. Wer sagt dir, daß ich liebe?
BETTLER. Wer denket groß und liebet nicht?
FLOTTWELL. Willst du mir schmeicheln, Bettler? Schäme dicht
BETTLER. Soll Schmeichelei denn nur ein Vorrecht reicher Menschen sein? Sie stammt von Bettlern ab, weil sie von Geistesarmut zeigt.[543]
FLOTTWELL. Ich frag dich nicht, um deines Mißmuts Spott zu hören. Beiseite. Mir ist so bang in dieses Mannes Nähe. Du kannst mit dem Geschenk zufrieden sein. Will gehn.
BETTLER flehend. Nein, gnädger Herr! ich bin es nicht, ich darfs nicht sein. Erbarmen Sie sich meiner Not. Nicht Habgier ists. Nicht Bettlerlist. Beschenken Sie mich reich, ich werde dankbar sein!
FLOTTWELL. So nenn mir deinen frühern Stand.
BETTLER. Ich nenn ihn nicht. Der Armut Rost hat meinen Schild zernagt, wer frägt darnach, was ihn einst für ein Sinnbild zierte. Ich weiß es, ich begehre viel, und meine Forderung kann mich in Verdacht des Wahnsinns bringen. Doch ist er fern von meinem Geist, und werd ich noch so reich bedacht, so hab ich einst viel größere Summen selbst gegeben.
FLOTTWELL. Oh, schäm dich, so um Geld zu jammern, es ist das Niedrigste, was wir beweinen können. Du hast genug für heut, ein andermal komm wieder.
BETTLER. Ich bin ein Bettler und gehorche. Verbeugt sich und geht langsam fort.
Ein Diener eilig mit einem Brief.
DIENER. Gnädger Herr! ein Brief.
Übergibt ihn und geht wieder fort.
FLOTTWELL sieht die Aufschrift. Von Amalie, von meiner himmlischen Amalie. Liest. »Mein teurer Julius! Verzeih, daß ich Dir gestern nicht geschrieben habe, allein der große Kampf in meinem Herzen mußte erst entschieden sein. Doch nun gelob ich Dir, Dich niemals zu verlassen. Ich willge nicht in meines Vaters strenge Forderung, und kann kein Flehen sein sonst so edles Herz erweichen, so mag geschehen, was wir beschlossen haben.« – Amalie mein! oh, könnt ich doch die Welt umarmen! He du! Der Diener kommt. Ruf mir den Bettler dort zurück, der eben sich in jene Laube setzt. Zeigt in die Kulisse.
DIENER. Ich sehe keinen Bettler, gnädger Herr!
FLOTTWELL. Bist du denn blind! Geh fort! Bedienter ab. Ruft. He Alter, komm![544]
BETTLER. Was befehlen Sie, mein gnädiger Herr!
FLOTTWELL. Ich habe eine frohe Botschaft hier erhalten, und Flottwell kann sich nicht allein erfreun. Verzeih, ich habe dich zu karg behandelt. Nimm diesen Beutel hier, auch diesen noch. Wirft sie ihm in den Hut. Nimm alles, was ich bei mir habe. Was ich verschenken kann, hat eines Sandkorns Wert gen den unendlichen Gewinn, der mir durch diesen Brief geworden ist. Nach dem Garten ab.
BETTLER allein. O Mitleid in des Menschen Brust! Wie bist du oft so kränkelnder Natur, als hätte dich ein weinend Kind gezeugt. Begeistrung ists, die alles Edle schnell gebiert, sie hat mit des Verschwenders Gold des Bettlers Hut gefüllt. Geht ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Der Verschwender
|
Buchempfehlung
Vor dem Hintergrund einer romantisch idyllischen Fabel zeichnet der Autor individuell realistische Figuren, die einerseits Bestandteil jahrhundertealter Tradition und andererseits feinfühlige Persönlichkeiten sind. Die 1857 erschienene Bauernerzählung um die schöne Synnöve und den hitzköpfigen Thorbjörn machte Bjørnson praktisch mit Erscheinen weltberühmt.
70 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro