Achter Auftritt

[550] Verwandlung.

Kurzes Kabinett Flottwells. Durch die Fenster sieht man in eine Kolonnade und durch diese ins Freie.

Flottwell und der Juwelier treten ein.


FLOTTWELL sehr fröhlich. Wo haben Sie den Schmuck? Geben Sie! Ich freue mich schon wie ein Kind! Wie wird sich erst Amalie freuen!

JUWELIER. Hier ist er!

FLOTTWELL besieht ihn und wird ernst. Mein Gott, was haben Sie denn gemacht?

JUWELIER. Wieso?

FLOTTWELL. So kann ich ihn nicht brauchen!

JUWELIER. Er ist nach Ihrer Angabe, gnädger Herr!

FLOTTWELL wird immer heftiger. Nein, nein! das ist er nicht!

JUWELIER. Ganz nach der Zeichnung, ich versichere Sie![550]

FLOTTWELL. Nein, nein, nein, nein. Mißmutig. Er ist zu altmodisch, auch sind es nicht die Steine, die ich ausgewählt.

JUWELIER. Herr von Flottwell! das betrifft ja meine Ehre.

FLOTTWELL. Die meine auch, ich kann den Schmuck nicht brauchen.

JUWELIER. Ich nehm ihn nicht zurück.

FLOTTWELL. Das müssen Sie.

JUWELIER. Ich will ihn ändern.

FLOTTWELL. Zu spät. Er ist ja ein Geschenk zum heutgen Fest. Sie haben meine schönste Freude mir gemordet durch Ihre Ungeschicklichkeit.

JUWELIER etwas beleidigt. Herr von Flottwell – Faßt sich. Ich versichere Sie, es ist nur eine Grille.

FLOTTWELL. Versichern Sie mich nicht, der Schmuck ist schlecht.

JUWELIER. Betrachten Sie ihn nur.

FLOTTWELL. Nein, er ist mir so zuwider, daß ich ihn zum Fenster hinaus werfen könnte.

JUWELIER. Das werden Sie wohl bleiben lassen, denk ich!

FLOTTWELL. Das werd ich nicht. Da liegt er!


Schleudert ihn zum Fenster hinaus.


JUWELIER erschrocken. Ums Himmels willen! der Schmuck beträgt zweitausend Taler!

FLOTTWELL stolz. Ist Ihnen bange? Lumpengeld! Sie sollen es erhalten! Warten Sie! Er eilt ins Kabinett.

JUWELIER. Das ist ein Wahnsinn, der mir noch nicht vorgekommen ist. Ich hol den Schmuck herein! Läuft ab.


Man sieht den Bettler vor dem Fenster, welcher den Schmuck aufgehoben hat, ihn gen Himmel hält und singt.


BETTLER.

Habt Dank, habt Dank, ihr guten Leute,

Daß ihr so reichlich mich beschenkt,

Mein Herz ist ja des Kummers Beute,

Durch eigne Schuld bin ich gekränkt.


Er entfernt sich durch die Säulen und wiederholt noch die letzten Worte in der Ferne.[551]


JUWELIER kömmt bestürzt zurück. Der Schmuck ist fort, ich find ihn nicht.


Flottwell aus dem Kabinett. Er hat sich Besinnung geholt, und sein Betragen zeigt, daß er seine Heftigkeit bereut und sich ihrer schämt. Er trägt zwei Rollen Gold.


FLOTTWELL edel freundlich. Hier haben Sie Ihr Geld, mein Herr!

JUWELIER artig. Herr von Flottwell, ich bedaure sehr –

FLOTTWELL. Bedauern Sie nichts – An mir ist das Bedauern meiner unverzeihlichen Heftigkeit. Mein Blut spielt mir manch tollen Streich. Ich muß zur Ader lassen nächster Tage.

JUWELIER. Ein gütig Wort macht alles wieder gut.

FLOTTWELL drückt ihm gutmütig die Hand. Nicht wahr, Sie nehmen es nicht übel, lieber Freund – und Sie vergessen es – Sie sprechen auch nie mehr davon? Ich wünschte nicht, daß Sie es irgendwo erzählen möchten.

JUWELIER. Ich geb mein Ehrenwort –

FLOTTWELL. Ja, ja, ich weiß, ich kann mich ganz auf Sie verlassen. Auch werd ich Ihre Kunst gewiß sehr bald in Anspruch wieder nehmen. Gewiß, gewiß, ich werde bald etwas bestellen lassen. Sehr bald. Und nun Adieu, mein Freund, und keinen Groll.

JUWELIER mit einer tiefen Verbeugung. Wie könnt ich das, ich bin so tief gerührt. Im Abgehen. Wenn er doch nur bald wieder etwas machen ließe! Ab.

FLOTTWELL allein. Ein sturmbewegter Tag! Wär er doch schon vorüber. Wirft sich vor sich hinstarrend in einen Stuhl.


In der Ferne klingen die letzten Verse von des Bettlers Gesang.


BETTLER.

Mein Herz ist stets des Kummers Beute,

Durch eigne Schuld bin ich gekränkt.

FLOTTWELL springt auf. Welch Gesang –


Wolf tritt ein.


WOLF. Ach liebster gnädger Herr! Wie hat der Juwelier doch seine Sache schlecht gemacht, ich hab ihn eben ausgezankt. Doch stellen Sie sich vor, der Schmuck ist weg, und niemand will ihn aufgehoben haben.[552]

FLOTTWELL. Das wäre mir sehr unlieb – denn er kostet viel.

WOLF. Er muß sich finden, ich sah ihn aus dem Fenster fliegen. Niemanden gewahrt ich in der Nähe als das Kammermädchen Rosa. Ich eilt sogleich herab, da war sie fort, und als ich sie befragte, wollt sie nichts gesehen haben.

FLOTTWELL. Das kann ich doch nicht von ihr glauben.

WOLF. Man muß die Sache untersuchen lassen.

FLOTTWELL. Nur heute nicht. Das macht zu großes Aufsehen; und dann wer weiß, ists wahr.

WOLF. Gewiß, ich hab es ja beinahe gesehen.

FLOTTWELL. Wenn es wahr ist, muß sie fort, sonst wünsch ich keine Strafe.

WOLF. Wie der Himmel doch die Menschen oft verläßt! Es ist schon alles zu dem Fest bereitet, die Gäste sind im Gartensaal versammelt. Ich habe die schöne Aussicht nach dem Tal mit Traperien verhängen lassen. Wir wollen warten, bis die Sonne untergeht, und wenn sie plötzlich schwinden, wird es einen imposanten Anblick geben.

FLOTTWELL. Sind die Tänzer schon bereitet?

WOLF. Ja. Der Herr Präsident ist auch schon hier.

FLOTTWELL. Amalie hier! Was sagst du das erst jetzt?

WOLF. Ich habe sie in das blaue Zimmer geführt, der Baron ist aber nach dem Garten gegangen.

FLOTTWELL auffahrend. Der Baron? Schändlich, daß ich meinen Nebenbuhler noch zu Gaste bieten muß. Was soll ich nun Amalien verehren, der Schmuck ist fort.

WOLF. Schenken Sie ihr die kostbare Vase, die Sie erst gekauft haben, das ist doch ein Geschenk, das eines Millionärs würdig ist.

FLOTTWELL. Sie ist von großem Wert, doch eben recht, der Präsident ist ein Freund der Künste. Vielleicht gewinnt ihn das.

WOLF für sich. Da irrst du dich.

FLOTTWELL. Laß sie mit Blumen schmücken, kurz, besorge alles. Ich muß zu ihr, zu ihr –


Beide ab.[553]


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 550-554.
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