Achter Auftritt

[585] Vorige. Rosa, schlicht bürgerlich gekleidet, gealtert. Sie trägt einen bedeckten Korb. Hans und Michael mit ihr.


ROSA erzürnt zu Hans. Was dableiben? Erhalten ein fremden Menschen? Wenn man so viel Kinder zu ernähren hat! Ist dein Vater närrisch? Das ging' noch ab! Erblickt Flottwell. Da ist er ja. Für sich. Nu, der sieht sauber aus!

FLOTTWELL der am Tische saß und auf Rosas Reden nicht horchte, steht auf. Guten Tag, liebe Frau!

ROSA boshaft grüßend. Guten Tag, Herr von Flottwell! Freut uns, daß Sie Ihre alte Dienerschaft aufgesucht haben. So können Sie sich doch wenigstens überzeugen, daß wir arme, aber ehrliche Menschen sein. In unserm Haus hat nie ein Schmuck existiert, wie Sie sehen. Wir haben[585] uns auch in Ihrem Dienst nicht so viel erwirtschaften können als wie gewisse Personen, die sich ein Schloß davon gekauft haben. Ich glaub, Sie werden mich verstanden haben.

FLOTTWELL. Ich verstehe Sie nicht ganz, liebe Frau. Ich erinnere mich nicht genau an alle Ereignisse meines Hauses. Nur das weiß ich gewiß, daß keinem meiner Diener, mit meinem Willen, eine Ungerechtigkeit widerfahren ist.

ROSA fein. Ah was! Verhältnisse bestimmen die Äußerungen der Menschen. Ich kann Ihnen gar nichts sagen, Herr von Flottwell, als: Sehen Sie sich bei uns um! Können Sie von uns fordern, daß wir in unserer eingeschränkten Lage noch einen Mann erhalten, dem wir nichts zu danken haben als unsern richtigen Lohn, so steht es Ihnen frei, bei uns zu bleiben. Mein Mann ist ein guter Lappe, der läßt sich zu allen überreden. Der nähmet die ganze Welt ins Haus, aber ich bin die Hausfrau, ich hab zu entscheiden, ich kenn unsere Verhältnisse, unsere Ausgaben und unsere Einnahmen. Ich muß für meine Kinder sorgen, wenn sie nichts zu essen haben, und ich kann meine Einwilligung nicht geben. Es wird uns freuen, wenn Sie uns heut auf Mittag beehren wollen. Wir werden uns nicht spotten lassen. Aber für immer? Verzeihen S'! das kann ich nicht zugeben! Heut in meinem Haus und nimmer!

FLOTTWELL mit empörtem Erstaunen. Nein! Ich hab es nicht gehört! Es war ein Traum! So sprach sie nicht zu Julius von Flottwell, ihrem einstgen Herrn. Zu jenem Flottwell, der im goldumstarrten Saale hundert Schmeichler an der Tafel sah! Zu dem gepriesnen Vater seiner Diener! Zum edelsten der Freunde! Zum besten, schönsten, geist- und goldbeglücktesten der Menschen, und wie die Lügen alle heißen, die ihre Süßigkeit ans volle Glas hinschrieb. So sprach sie nicht zu mir, den dieser Blumenstrauß schon zu so heilger Dankbarkeit entflammen konnte, als hätte ihn ein Engel in des Paradieses Schoß gepflückt? O Weib! Könnt ich den zehnten Teil meines verlornen Glücks[586] zurückbeschwören und zehnfach Elend auf dein altes Haupt hinschmettern, daß dich zu meinen Füßen führen müßte, dann sollte meine Großmut dich belehren: wie ungerecht du warst, daß du in meinem Unglück mich so bitter hast gekränkt. Geht ab.

LIESE betrübt. Das hätt die Mutter aber doch nicht tun sollen.

ROSA zornig. Still sei und marsch in die Kuchel hinaus! Liese geht ab. Zu den Buben. Nu habt ihr nichts zu tun?

HANSEL schluchzt. Das sag ich den Vatern, wann er zu Haus kommt. Geht mit den andern ab.

ROSA allein. Das wär eine schöne Wirtschaft! Und wie der Mensch schreit in einem fremden Zimmer! Und er hat ja was von einem alten Haupt gsagt. Hab denn ich ein altes Haupt? Der Mensch muß gar keine Augen im Kopf haben. Das nutzt einmal alles nichts, reden muß man um seine Sach. Wer 's Maul nicht aufmacht, muß den Beutel aufmachen. Ah, da kommt mein Mann nach Haus, den werd ich meine Meinung sagen.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 585-587.
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