Dritter Auftritt


[208] Vorige. Der Narr.


NARR mit Pathos. Wehe, wehe über sie! ich weiß zwar nicht über wem, aber ich bin ein Narr, ich muß überall dabei sein. Also weh über euch alle, nur nicht über mich.

AFFRIDURO. Es freut uns, Narr, daß du so fröhlich bist.

NARR. Das bin ich immer unter meinesgleichen.

DISTICHON. Sprich vernünftig, wird die Beherrscherin erscheinen?

AFFRIDURO. Wir haben große Dinge vorzutragen.

NARR. Sie kömmt sogleich. Sie ordnet nur ein allgemeines Fest, wozu diesmal nicht, so wie sonst, nur lauter Dichter eingeladen sind, gemeine Leute auch. Verstanden, Distichon?[208]

DISTICHON. Sie wird doch nicht gar Handwerksleute laden?

NARR. Aha, du fürchtest, daß welche darunter sind, denen du schuldig bist.

DISTICHON. Das fürcht ich nicht, das ist mein Stolz, daß einer lebt, der mir noch borgt. Wer borgt denn nicht? Alles ist auf dieser Welt geborgt. Das Leben selbst ist nur geliehene Ware. Die Erd, auf der wir wandeln, ist nicht schuldenfrei. Der Raum, in dem sie schwebt, gehört der Luft, sie wäre blind, wenn ihr die Sonn den Star nicht sticht. Und auch die Sonne, die Verschwenderin, die ein zu glänzend Haus mir führt, bezieht ganz sicherlich ihr leuchtend Gold aus einer Wucherwelt.

NARR. Du sprichst ja wie ein Sokrates.

DISTICHON. Beneid mich nicht um meinen Genius. Ästhetisch Wirken herrscht auf Flora, du gehörst nicht unter uns, wir ringen unermüdet nach Unsterblichkeit.

NARR. O ihr betriebsamen Florianer, Müßiggang heißt euer Gewerb. Ich will dir ein Mittel sagen, das dich unsterblich macht. Leg du die Zeit, in der du müßig gehst, als Kapital zurück, und wenn dein lumpicht Leben ausgeht, flick' sie hinten dran, dann lebst du fort in alle Ewigkeit.

AFFRIDURO. Wie kannst dus wagen, Narr, in meiner Gegenwart solch ungeschliffenen Scherz zu treiben?

NARR. Verzeih, dich hab ich nicht gemeint, dich nehm ich schon ein anders Mal aufs Korn. Er hat ein Spottgedicht auf mich gemacht, drum hetz ich ihn, solang ich Atem hab.

ODI. Versöhnet euch, ich hab euch etwas zu entdecken.

NARR. Was? Eine Neuigkeit? Waffenstillstand unterdessen. Vielleicht gibts neuen Stoff zum Schimpfen.

ODI. So hört denn! Unsere Fürstin ist verliebt.

DISTICHON. In wen?

ODI. Ja seht, das weiß ich nicht.

NARR. Ich bitte dich, bewahre dein Geheimnis.

AFFRIDURO. Was sprachst du für ein Wort?

ODI. Als gestern sie den stillen Hain betrat, wo sie so gerne weilt, schlich ich ihr nach und sah, wie ein Gedicht sie aus dem Busen zog, das sie wohl mehr als zwanzigmal geküßt.[209]

DISTICHON seufzend. Oh, wär ich dies Gedicht gewesen!

NARR. Dann hätt sies sicher nicht gelesen.

ODI. Dann rief begeistert sie: Nur ein Genie, das so die Liebe schildern kann, ist meiner Liebe wert.

DISTICHON beiseite. Wars mein Gedicht? bin ich der Glückliche?

ODI. Doch in dem Augenblick kam Amphio mit ihrer Lilienherde, und ich ward verscheucht.

AFFRIDURO. Sag mir doch, Odi, wie kommt Amphio, ein Fremdling hier im Lande, zu der Ehre, Hermiones Lieblingslämmer zu bewachen?

ODI. Das will ich euch erzählen. Dieser Hirt scheint mir nichts Gewöhnliches zu sein. Der Aufseher der fürstlichen Herde ward vor einem Jahr von einer Schlange überfallen, die ihn getötet hätte, wenn nicht ein junger Wanderer aus einem Busche springt und sie erschlägt. Amphio war der kühne Jüngling, er forderte keinen Dank als einen kleinen Dienst in unserm Land. Er wäre ein Waise, sagte er, und suchte unter fremden Völkern nun sein Glück, da ers in seiner Heimat nicht gefunden hätte. Der Aufseher, von Dankbarkeit bewegt, erinnerte sich, daß er einen Stier besäße, welcher goldne Hörner trägt.

DISTICHON. Goldene Hörner? Hätt ich diesen Stier, das wär ein Kapital.

NARR. Mir wär ein Hirsch mit goldnem Gweih viel lieber, der wirft doch alle Jahr Interessen ab. Macht die Pantomime des Geweihabwerfens.

ODI. Nun stellt euch vor, von Dankbarkeit bewegt, ernennt er ihn zum Hüter dieses Stiers.

NARR weint. O zartes Wachen, schöne Vormundschaft!

ODI. Und da er seinen Dienst so treu versah, schwang er sich bald zum Hirten unserer Lilienherde auf. Doch liegt etwas Geheimnisvolles in dem Jungen, und daß zum Hirten er geboren, glaub ich nimmermehr.

AFFRIDURO. Hermione naht, zieht euch zurück.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 208-210.
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