Achter Auftritt


[223] Verwandlung.

Romantisches Tal. Weiße Lämmer weiden auf den Hügeln. Amphio sitzt auf einem Stein und bläst ein sanftes Lied auf seiner Flöte. Im Vordergrunde befinden sich zwei steinerne Wassernymphen auf Postamenten in Lebensgröße, welche auf Wasserurnen ruhen.


AMPHIO allein. Wo weilst du heute, hohe Phantasie, daß sich dein Bild noch nicht auf blauem Äther malt und mit den bunten Schwingen zu mir niedertaucht? So wie der Arzt den Kranken jeden Tag besucht, so schwebst du jeden Morgen zu mir nieder, zu heilen meinen liebekranken Geist. Durch dich begeistert sang ich jene Lieder, die[223] mir das Herz der Königin errangen, dir verdanke ich die schöne Hoffnung, an Hermionens Hand zu herrschen über dieses Reich. Ihre Liebe nenn ich mein, sie selbst gestand es mir. Nun will ich meinen Rang entdecken, um heimzuführn die königliche Braut. Doch dir muß ichs vorher vertrauen, hohe Phantasie, du hast den wilden Mut in mir gezähmt, zum stillen Hirten mich gemacht, und nur dein Rat soll mich bestimmen, ob ich den Schleier ziehen darf von dieser Täuschung Bild. Doch was seh ich? Eine andre Sonne strahlt mir dort entgegen, Hermione ists, die über jene Hügel eilt. Ists Freude? ist es Angst, die ihre Schritte so beflügelt?


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 223-224.
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Die gefesselte Phantasie
Die gefesselte Phantasie. Original- Zauberspiel in zwei Aufzügen.
Raimundalmanach / Die gefesselte Phantasie