Achter Auftritt


[249] Vorige. Amphio, verstört und bleich.


AMPHIO. O Hermione, find ich dich? Wenn du mich je geliebt, so blick mich gütig an.

HERMIONE. Was quält dich, Amphio, was führt dich jetzt hieher?

AMPHIO starr. Laß mich in deine Augen schaun, ich bitte dich, so lang, bis sich mein Geist an ihrem Strahl entzündet. Hermione sieht ihn verwundernd an. Ich danke dir. Er macht das Spiel, als wollt er sich durch ihren Anblick zum Dichten begeistern, und vermag es nicht. Er geht daher hoffnungsvoll einen Schritt von ihr und sagt nachdenkend gegen Himmel schauend. So – so nun wird es gehn. Immer unruhiger. Flamm auf, Gemüt, flamm auf! Verzweifelnd. Es ist umsonst, sie ist für mich verloren! Will ab.

HERMIONE. Wo willst du hin?

AMPHIO. Ins Meer. Lacht wild. Ich will Neptun mich weihn.

HERMIONE. Doch seiner ungetreuen Tiefe nicht?

AMPHIO. Sie ist nicht tiefer als mein Schmerz, und seinen Wellen kann ich nur vertraun, warums in ihren Grund mich reißt.

HERMIONE. Bist du mein Amphio? Hermione sei der Stoff, sprach das Orakel heut, und so besingst du mich?

AMPHIO. So wisse denn, ich kann dich nicht besingen, mein Geist ist wüst, mein Herz ist kalt, seit du mich sprachst, bin ich nicht Amphio mehr.

HERMIONE. Ermanne dich, dir fehlt Vertraun auf deine Kraft.[249]

AMPHIO. Betrogen bin ich durch die Phantasie, sie ist ein Weib, hätt ich ihr nie getraut.

HERMIONE empört. Oh, könnt ich für dich dichten, um dir zu beweisen, wie schön ein Weib aus Liebe denken kann.

AMPHIO. Sie ist erschöpft, sie hat sich selbst verbannt.

HERMIONE. Oh, lästre nicht, sagst du nicht selbst durch dein Gedicht:

Es ist die Phantasie ein tiefer Zauberbrunnen,

Aus dem wir der Gedanken Nektar schöpfen.

Er reichet vom Olymp bis in des Orkus tiefsten Schlund,

Mit seinem Ring umschließet er die Welt,

Und unausschöpfbar ist sein ewger Born,

Denn alle Ströme der Verhältnisse

Ergießen sich auf seinem Grund.

AMPHIO. O Königin, warum hast du den kühnen Schwur gewagt? es hätte des Gedichtes nicht bedurft, nur deine Liebe braucht ich zu erringen, denn wisse, daß – doch nein, nun ists zu spät, du wirst des Siegers Braut, und mein Geheimnis laß ich mit mir untergehn.

HERMIONE. O halt, noch hab ich einen Hoffnungsstrahl. Wie du, so klagen alle meine Dichter, vielleicht, daß es ein Spuk der bösen Zauberschwestern ist, drum Mut, denn in dem Tempel des Apolls muß dieser Zauber schwinden. Freude, Amphio, mir sagts mein Herz.

AMPHIO. Das Elend hascht nach jedem Hoffnungswahn. So will ich mein Vertraun mit deinem Hoffen denn vermählen und einen Sohn erwarten, der Erfüllung heißt.

HERMIONE. Ich will noch vor dem Fest schnell das Orakel fragen, mehr darf ich nicht für unsere Ruhe tun. Nicht mir gehör ich an, nein, ich gehör Apoll, mein höchst Vertrauen setz ich auf ihn, den Weltbestrahlenden, denn eine Ahndung hat er mir in meine Brust gelegt, daß mich ein andrer nicht erringen darf als du. Darum erwart ich in dem Tempel dich. Mut, Amphio, die Götter sind uns nah. Vertrau auf ihren Schutz. Ab.

AMPHIO allein. Nun wohl, ich will mein Glück dem letzten[250] Augenblick vertraun, und konnte mich die Phantasie, die hohe, täuschen, dann laß mich ziehen aus dir, Welt, in der das Edle trügt und nur Gemeines sich bewährt.


Ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 249-251.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die gefesselte Phantasie
Die gefesselte Phantasie. Original- Zauberspiel in zwei Aufzügen.
Raimundalmanach / Die gefesselte Phantasie