Erster Auftritt


[462] In Agrigent. Ein anderer Teil des Waldes am roten See, welcher praktikabel ist.

Antrokles, Clitonius, mehrere Jäger treten mit Wurfspießen bewaffnet auf.


Jagdchor.


Jägerslust müßt bald erschlaffen,

Gält die Jagd nur feigen Affen.

Doch wenn durch der Wälder Stille

Mächtig tönt des Leus Gebrülle,

Hier die grausame Hyäne

Fletscht die mörderischen Zähne,

Dort, eh man den Wurfspieß schwingt,

Aus dem Busch der Tiger springt:

Dann beginnt des Waldes Krieg.

Falle, Jäger! oder sieg!

ANTROKLES zu den Jägern. Verteilt euch, wie ihr wollt. Der König jagt allein. Ihr mögt euch hüten, seinem Feuerblick zu nahen, der zornigflammend durch des Forstes Dunkel blitzet.


Alle ab bis auf Clitonius und Antrokles.


ANTROKLES. O mein Clitonius, was mußten wir erleben! Die hohen Götter sind aus Agrigent gewichen.

CLITONIUS. Wo mag wohl unser edle König weilen, den seines Hauses Laren treu gerettet haben? Könnt er doch sehn, wie sich sein armes Volk betrübt.

ANTROKLES. Wer freut sich nun in Agrigent? Der Wahnsinn lacht allein. Gesundes Hirn muß trauern. Ist doch Phalarius selbst, seitdem die Höllenkron auf seinem Haupte brennt, als hätt des Unmuts Dolch sein falsches Herz durchbohrt. Weißt du, warum die Jagd nun tobt? Aspasia ist nicht mehr.

CLITONIUS. Aspasia? die Schwester unsres teuern Königs Kreon? die herrliche Prinzeß Aspasia?[462]

ANTROKLES. Sie wars allein, der Phalarius an dem verhängnisvollen Tag des schauerlichen Überfalls das Leben ließ. Weil er als Feldherr schon für sie in sündge Lieb entbrannt. Seit er das Reich besitzt, bestürmt er sie mit Bitten und mit Drohungen, sie möchte ihre Hand ihm reichen, er wolle ihr dafür drei Königreiche bieten. Doch wie sie ihn und seine Kron erblickt, da sinkt sie zitternd vor ihm nieder und krümmt den edlen Leib zu dieses Wütrichs Füßen, beschwört mit Tränen ihn, von ihr zu lassen, es gab für seine Kron auf Erden keine Liebe. Doch er reißt sie mit Ungestüm an seine Eberbrust und will dem keuschen Mund den ersten Kuß entreißen, da wandeln sich der Lippen glühende Korallen in bleiche Perlen um, des Auges Glanz erstirbt, des Todes Schauer fassen ihre Glieder, die Angst, daß sie der Kron so nah, bricht ihr das Herz, kalt und entseelt hält sie Phalarius, vor Schreck erbleichend, in den Armen.

CLITONIUS. Entsetzlich Glück, sich so gekrönt zu wissen.

ANTROKLES. Da faßt ihn eine Wut, er tobt, daß des Gemaches Säulen beben. Zur Jagd, ruft er, hetzt mir des Waldes Tiger all auf mich. Die Erd wühlt auf, daß Ungeheuer ihr entkriechen, die sich noch nie ans Sonnenlicht gewagt, gebt Nahrung meinem Pfeil, damit mein Haß umarmen kann, weil Lieb mein Herz so unbarmherzig flieht. So stürzt er fort, zur Jagd, und zitternd beugt vor ihm der schwarze Forst sein sonst so drohend Haupt.

CLITONIUS. Da wird uns wohl der Morgenstrahl im Wald begrüßen?

ANTROKLES. Der Abend kaum. Denn eh der Mond sich noch auf des Palastes Zinnen spiegelt, verbirgt er sich in ein Gemach, aus Marmor fest gewölbt, ganz öffnungslos, damit kein Strahl des Mondes kann sein Haupt erreichen. Weil seine Kron, so sagt Dianens weiser Diener, die Kraft verliert, so lang des Mondes Licht auf ihren Zacken ruht. Und weil in dieser Zeit sein Leben nicht gesichert ist, verriegelt er voll Angst die Tür aus festem Ebenholz. Doch[463] ohne Mondenglanz kann nie ein Pfeil ihn töten. Und kraftlos sinken sie zu seinen Füßen nieder.

CLITONIUS. Sprich nicht so laut, es rauscht dort im Gebüsch.

ANTROKLES schwingt den Wurfspieß. Ein Tiger ists.

CLITONIUS. Du irrst – und irrst doch nicht, es ist Phalarius. Dich täuscht sein Pantherfell. Weh uns! Wir sind verloren, wenn er uns gehört.

ANTROKLES. Schweig still! Er raset dort hinüber, dem Löwen nach, der ängstlich vor ihm flüchtet. Komm, laß uns auch vor diesem Königstiger fliehn, wenn Löwen weichen, dürfen Menschen sich der Flucht nicht schämen.


Beide ängstlich ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 462-464.
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