Zehnter Auftritt


[482] Ewald. Aloe muß von einer jugendlichen Schauspielerin dargestellt werden, mit grauen Haaren. Sie hat den Kopf in ein Tuch eingewickelt wie eine griechische Matrone und geht etwas gebückt.


ALOE. Nein, nein, mein lieber schmucker Herr! Das geht nicht so geschwinde, das Mädchen ist zu jung, sie braucht noch keinen Freier. Ach du keusche Göttin Diana, kaum bin ich eine Stunde aus dem Hause, um die tapferen Männer zu bewundern, so fängt das Mädchen Liebeshändel an. Wo habt Ihr denn das ungeratne Kind gesprochen?

EWALD. Am Fenster sprach ich sie.

ALOE. Seht doch. Und glaubt Ihr denn, man heiratet bei uns die Mädchen gleich vom Fenster nur herunter? wie man Zitronen pflückt? Laßt Euch den Wunsch vergehen. Ich[482] sehe fünfzig Jahre schon zum Fenster h'raus und hab mir keinen Mann erschaut. So lange kann sie auch noch warten. Ich kenn Euch nicht einmal, wer seid Ihr denn?

EWALD. Ein Fremder bin ich.

ALOE. Ei, das seh ich, denn unsre Männer kenn ich alle. Doch was besitzt Ihr in der Fremde?

EWALD. Ein Gut, das mir kein Unfall rauben kann, ein treu Gemüt und kräftigen Verstand.

ALOE. Wer sagt Euch, daß Verstand ein sichres Erbteil sei, wie könnt es denn so viele Narren geben?

EWALD. Und eine Kunst, die alle Künste übertrifft.

ALOE. Vielleicht die Kunst, mich hinters Licht zu führen?

EWALD. Im Gegenteil, ich möchte Eure Schönheit gern im höchsten Glanz erscheinen lassen.

ALOE. Ich hörs nicht gern, wenn man von meinen Reizen spricht. Es ist mir nicht mehr neu. Gewohnheit tötet unsre schönsten Freuden. Doch weiter nun? Ach, mein Gedächtnis ist so schwach.

Wovon habt Ihr zuletzt gesprochen?

EWALD. Von Eurer Schönheit war die Rede ja.

ALOE. Ja ja, das wars, was ich nicht hören mochte. Ihr wolltet sie erhöhn?

EWALD. Zum Venusrang. Wenn Ihr mir Eurer Nichte Hand gelobt.

ALOE. Was fällt Euch ein? Atritia? Sie ist ein unbemittelt Kind, um keinen Preis.

EWALD. Auch nicht um den, den heut im Tempel dort der König reicht?

ALOE erschrocken. Seid Ihr von Sinnen? Bin ich erschrocken doch, als hätt mich Amors Pfeil getroffen. Ich bin schon eine ausgeblühte Rose, die nicht im Frühlingsschein mehr glänzt.

EWALD. Ich will durch meine Kunst Euch diesen Glanz verleihn. Vor allen Töchtern dieses Reichs sollt Ihr den Schönheitspreis erringen. Doch Eure Nichte ist dann mein, ich führ sie mit mir fort.

ALOE. Ihr könntet das, ein Sterblicher, bewirken, wofür ich[483] mich dem Cerberus hab schon verschrieben, wenn ers vermögen könnte?

EWALD. Ich geb Euch drauf mein Wort, und brech ich es, braucht Ihr das Eure nicht zu halten.

ALOE. Macht mich nicht wahnsinnig! Ihr wolltet Aloe verjüngen?

EWALD. Warum denn nicht? Wenn Aloe, die Pflanze, mit hundert Jahren neue Blumen treibt, warum soll Aloe, das Weib, mit sechzig nicht erblühen?

ALOE. Mit sechzig, ja, da habt Ihr Recht, das ist die wahre Blütenzeit. Mir ist, als blüht ich schon, ich fang schon an zu duften. O Himmel, welch ein Glück, ich fühle mich schon jung, mich hindern bloß die Jahre.

EWALD. So mäßigt Euch. Es ist ja noch nicht Zeit. Erwartet mich im Haus. Ich muß mich erst dem König zeigen. Geht nur hinein und sagt Atritien, daß sie mein Weib soll werden.

ALOE. Ja ja. Ihr sollt Atritien haben. Ich schenk sie Euch. Ach, wenn ich eine Herde solcher Mädchen hätte, Ihr könntet alle sie nach Eurem Lande treiben. Nur fort damit, nur fort, die Schönste bleibt zurück. Die Schönste – eine Welt von Wonne liegt in diesem Namen. Und bin die Schönste ich, wird mir der schönste Mann. Der schönste Mann, ach, wie viel Welten kommen da zusammen. Gegen das Haus. Atritia, Atritia, wir kriegen beide Männer. O Götter, steht mir bei, das kostet den Verstand. Eilt freudig ab.

EWALD allein.

Wie fühlt der Jüngling doppelt holder Liebe Wert,

Wenn er das Alter den Verlust betrauern hört.

GESCHREI von innen. Der Eber ist erlegt, es leb der große Held!

EWALD. Der Eber ist erlegt! Des Landes borstge Plage. Da kömmt Simplizius! Voll Angst! Ist seine Wut verdampft?


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 482-484.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die unheilbringende Zauberkrone
Raimundalmanach / Die unheilbringende Zauberkrone: Oder König ohne Reich, Held ohne Mut, Schönheit ohne Jugend