Zwölfter Auftritt


[296] Verwandlung.

Kurzer Palmenwald. Drei Schritte von der Kulisse steht frei, in Form eines hohen, drei Schuh breiten Monuments, von weißem Marmor ein Grenzstein mit der Aufsvhrift: Grenze von Hoanghus Reiche.

Carambuco, ein indischer Krieger, ohne Waffen, läuft herein, hinter ihm, ihn am Fell zurückhaltend, keucht Ossa, sein Weib, sie ist mit einem Bündel beschwert.


CARAMBUCO ruft noch in der Kulisse. Laß mich los, du entsetzliches Weib! Tritt auf. Was willst du denn von mir, du Drachenzahn? ich muß ja laufen, daß die Sohlen brennen.

OSSA hält ihn fest. Du kommst mir von der Stelle nicht, bis du mir sagst, was du für ein Geheimnis mit dir trägst, du bist ein falscher Mann. Du entlaufst dem Heer und deinem Weib. Du hast etwas angestellt. Boshaft. So sag mirs doch.

CARAMBUCO. O Götter, leiht mir einen Pfeil, daß ich ihre Sucht umbringe, mich zu halten! Sonne, brenn ihr beide Arme ab! Ich muß ja fort, es ist ein Preis gesetzt, wer unserem König Nachricht bringt, ob seine Gattin lebt.

OSSA. Das lügst du, unverschämter Mann, da hab ich nicht ein Wort davon gehört.

CARAMBUCO. Weil du geschlafen hast.

OSSA. Ich schlafe nie.

CARAMBUCO. Der Satan wacht in dir. Da komm ich eh von[296] einer Riesenschlange los als von dem Weib. Ich muß mich gar aufs Bitten legen. Kniet nieder, sie läßt das Kleid los und hält ihn an den Händen. Sie knien einander gegenüber. Liebe Ossa, laß mich los!

OSSA. Ich kann nicht, lieber Carambuco.

CARAMBUCO springt erzürnt auf, sie mit ihm. Verwünschtes Weib, was willst du denn!

OSSA. Was du nicht willst, verwünschter Mann!

CARAMBUCO. Geh –

OSSA. Steh –

CARAMBUCO. Ich schlag dich tot.

OSSA. Du kannst ja nicht, ich halt dich ja.

CARAMBUCO. Das ist ein Riesenweib, sie bricht mir noch die Hände entzwei. Erinnere dich auf deine Pflicht!

OSSA. Der Weibes Pflicht ist, festzuhalten an dem Mann, ich halte fest.

CARAMBUCO. Ich komm nicht auf mit ihr und nicht davon. Da bring ich eher einen Elefanten durch ein Nadelöhr als dieses Weib zu ihrer Pflicht. O meine Aussichten! was hätt ich auf dem Turm für schönes Land gesehn, jetzt seh ich nichts als dieses häßliche Gesicht. Doch wart, du sollst mich kennenlernen! Nimm dich zusammen, Carambuco! Fort mit dir, du Drachenweib! Er schleudert sie mit Gewalt von sich, so daß sie über den Grenzstein fliegt und in einer drohenden Stellung gegen ihn auf die Erde fällt. Sie wird in dieser Attitüde zu einem grauen Stein als ausgehauene Figur. Was ist das? Bin ich versteinert, oder ists mein Weib? Diesmal ist sies. Götter, was habt ihr für Wunder getan, dieses Weib zum Schweigen zu bringen! Da gehört etwas dazu. Springt vor Freude. Götter, die Freud, mein Weib ist von Stein, von Stein! Ha! Jetzt hab ich Mut, jetzt schmäl ich sie recht. Du Hydra, du Drache, du indische Mumie! Freudig. Sie kann mir nichts sagen, o glückliche Ehe, jetzt freuts mich erst, daß ich verheuratet bin. So rede, wenn du dich traust, schlag, wenn du kannst. Beiß, beiß! Springt. Ihr Götter, ich dank euch, sie kann nimmer beißen. O du steinerne Bosheit, wie bist du so gutmütig jetzt. Wenn doch jeder[297] Mann die Macht besäße, der Beredsamkeit seiner Frau so ein versteinerndes Halt zuzurufen! Da kämen oft göttliche Statuen heraus. Doch ich verplaudre die Zeit und soll sie verlaufen. Leuchte mir, Sonne! Er stellt sich zum Laufen an.

STIMME DES GENIUS. Trete nicht auf diesen Boden, er verwandelt dich in Stein.

CARAMBUCO. Bitt um Vergebung, da spiel ich den Krebs. Geht rückwärts. Also der Boden versteinert? da scheid ich von ihm. Doch was seh ich, was fällt mir jetzt ein, mein ganzes Vermögen, was ich erspart und gestohlen, alles ist hin, sie hat alles im Sack und im Bündel da drin. Alles ist Stein, Weib und Vermögen, alles versteinert, ich hab alles verloren, und bin doch ein steinreicher Mann.


Schneller indischer Marsch.

Hoanghu eilig an der Spitze seines Heeres. Carambuco kniet sich vor ihm nieder und haltet ihn auf.


CARAMBUCO. Großer König, bleib zurück.

HOANGHU. Aus dem Wege, Sklave, flieh! Stoßt ihn von sich.

CARAMBUCO umklammert seinen Fuß. Bei der ewgen Sonne, bleib zurück! Ein einzger Schritt bringt Tod. Sieh hier mein marmorverblichenes Weib, dieser Boden lithographiert. Wer ihn betritt, den gibt er als Steinabdruck heraus. Laß dein ganzes Heer einziehen, und du wirst jeden Krieger durch ein Monument verewigen.

HOANGHU. Zurück, du Mörder, der durch Warnung tötet. Diese Grenze schließt Alzindens Unglück ein, ohne sie kann ich nicht glücklich sein, und jedes Schicksal will ich mit ihr teilen. Nicht außer diesem Reiche steht mein Leben, es ist in ihm, in ihr, ich trag es nicht hinüber, kann es nimmer retten, weils mit ihr vergeht. Weg mit der Schale, wenn der Kern verloren ist. Ist Alzindens Herz versteinert, ists doch meines nicht und sucht ihr Grab. Mein ist dies Reich, und wenns mit Unglück kämpft, so darf der König auch nicht fehlen. Folg, wer will! Will über die Grenze.


Genius der Tugend tritt ihm entgegen.


GENIUS. Zurück, Hoanghu. Ich befehl es dir.

HOANGHU. Wer bist du, Lichtgestalt?[298]

GENIUS. Ich bin die Tugend, deiner Gattin, deines Landes Schutzgeist. Deine Gattin hat in deinem Reich mir einen Tempel auferbaut. Drum hat Moisasur sie verflucht, wie sie dein Traum gemalt, so lang, bis die Unmöglichkeit erfüllt, die zur Bedingung er gesetzt.

HOANGHU. Das heißt, die Ewigkeit mit anderm Namen nennen.

GENIUS. Alles kann die Gottheit wenden. Und zum Werkzeug hat sie dich ersehen. Die höchste Probe hast du diesen Augenblick bestanden. Du kannst Reich und Gattin retten, weil du dein Leben unter deine Liebe stellst. Verwandlung. Wolkenhain. Die Statue der Tugend, vor ihr ihr Opferaltar. Die Geister der Tugend in Gruppen. Im Hintergrunde eine große diamantne Sonne. Schwöre hier am Weihaltar der Tugend auf ihrer Lilie heilgen Kelch, daß du ihr jedes Opfer bringest, wenn sie es gebeut.

HOANGHU. Ich schwörs, und wenn ich breche diesen Eid, so soll die Quelle meinem Durst versiegen, der Baum die Früchte selbst verzehren, so will ich König sein in menschenleerer Wüste, will schlaflos mich im heißen Sande wälzen, und wenn mein Leib an solcher Glut vergeht, soll die Sonne meinen Geist aus ihrem Reich verbannen und Moisasur ihn an seine Ferse heften!


Er kniet, der Genius berührt sein Haupt mit der Lilie.


GENIUS.

So will ich dich durch dieser Lilie Kraft,

Die alles Edle und Erhabne schafft,

Zum Retter deiner Gattin weihn.

In des Abends sanftem Schein

Wirst du wieder mich erblicken,

Und auf leichter Wolken Rücken

Schweb ich mit dir eilig fort,

Bis wir landen an dem Ort,

Wo in unbekannter Ferne

Durch die Macht der bösen Sterne

Deiner Gattin Leiden weilen.

Doch jetzt muß ich von dir eilen[299]

Und des Abgrunds Tiger wecken.

Er muß seine Klauen strecken

Nach der Tugend Lilienbrust,

Bis wir sie mit Götterlust

Allem Ungemach entrücken,

Sie an unsern Busen drücken

In beglückter stolzer Ruh.

Nun leb wohl, mein Hoanghu!


Fliegt ab.

Ende des ersten Aufzuges.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 296-300.
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