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[150] Die Baronin, von Feldkirch, Till kommt erschrocken und außer Athem.
TILL. Gnädigste – vergeben Sie – Bei Seite. Hat der Teufel den Landjunker hier!
BARONIN. Was ist geschehen?
TILL heimlich zu ihr. Könnte ich Sie nicht ohne Zeugen sprechen? – Es geht um unser Beider Leib und Leben.
BARONIN. Guter Gott! Um desto eher sprechen Sie vor diesem Freunde: er kann rathen, helfen. Reden Sie.[150]
TILL. Wenn Sie befehlen. Laut. Ach, gnädige Frau – es ist ein Wunder Gottes – daß ich hier bin: – von Rechts wegen sollte ich schon des Todes sein. Ach! die unselige Recension!
BARONIN. Wie? was für eine Recension?
TILL. Des heillosen »Atreus und Thyestes.« Mich hat sie schier das Leben gekostet; gebe Gott, daß sie kein köstlicheres in Gefahr setze!
BARONIN. Gerechter Himmel!
FELDKIRCH. Herr, reden Sie wie andere vernünftige Leute, daß man aus der Sache klug wird.
TILL. Ich will es versuchen. Ich war mit meinem ältesten Gehülfen draußen in meinem Garten. Stürzen auf einmal vier Männer herein, werfen uns zu Boden; Pistolen vor die Augen; bekennt, brüllt einer, wer hat meinen »Atreus und Thyestes« recensirt? Mich überfällt ein Todesschreck – doch, Sie kennen meine Ergebenheit – keinen Laut, aber mein Gehülfe – junges Blut – die Todesangst –[151] kurz – er platzte heraus: die Frau Baronin von Fliedershausen.
BARONIN. Gott im Himmel!
FELDKIRCH. Das ist ja eine verrückte Geschichte!
TILL. Wenn Sie die Wuth gesehen hätten, die ihn bei Ihrem hochgefeierten Namen ergriff. Flüche spie er aus, wie der Aetna Flammen; aber ich konnte nichts verstehen, als Blut und Blut und blutige Rache.
BARONIN. O der Barbar!
TILL. Ich faßte mir ein Herz, machte Vorstellungen, verschaffte mir mit Mühe Gehör. »Sage Er der Baronin,« brüllte er endlich, »sie soll mir Genugthuung, blutige Genugthuung geben oder geben lassen, wenn sie ihres Lebens sicher sein will: in der Buschmühle erwarte ich Nachmittags drei Uhr die Antwort. Damit verschwand er, und ich eilte hierher, um Euer Gnaden die Hiobspost zu bringen.«
FELDKIRCH. Sind das Geschichten! Es wird einem aberwitzig dabei zu Muthe. Eine Frau Genugtuung?[152] Der Kerl muß schlechterdings dem Tollhause entsprungen sein.
TILL. Ach, mein gnädiger Herr, Sie wissen wohl, dem Verdienste wird selten die rechte Stelle angewiesen.
BARONIN. Was rathen Sie mir, lieber Feldkirch?
FELDKIRCH. Ja, wenn ich nur erst den ganzen Handel verstände.
BARONIN. Der tolle Mensch hat ein tolles Trauerspiel geschrieben, und ich habe es in dem Conversationsblatte, das der Commisionsrath herausgiebt, beurtheilt, freilich nicht vorteilhaft, denn es ließ sich nichts Gutes davon sagen.
FELDKIRCH. Weiter nichts? Das sind ja Kinderpossen. Und darum ist der Mensch so wüthend? Nun, die Unvernunft kann doch höchstens nur fünf Minuten dauern. Ich denke, er wird mit sich reden lassen.
TILL. Ach, gnädiger Herr, da wissen Sie nicht, was ein wüthender Autor, und gar ein wüthender Poet ist.[153]
BARONIN. Ja, es muß fürchterlich sein, wenn eine Dichterphantasie ihre Flammen mit den Flammen des Zornes vermählt. Und vollends bei diesem, aus dessen Werk eine gewisse gräßliche Lust an Gräuel – und Blutscenen hervorleuchtet.
FELDKIRCH. Mag hervorleuchten, was da will, er muß mit sich reden lassen. Ich selbst will zu ihm. Wo ist er denn eingekehrt, und wie heißt er?
TILL. Die Wohnung weiß ich nicht; aber habe ich in der Angst recht gehört, so heißt er von Löwenklau.
FELDKIRCH. Gut. Löwenklau oder Bärentatze; ich fahre mit Ihnen nach der Buschmühle.
TILL. Dazu wollte ich doch nicht rathen. Wer kann wissen, wie weit sich so ein rasender Mensch vergißt. Sie setzen sich wirklich aus – –
BARONIN. Wissen Sie einen besseren Rath?
TILL. Ich muß einmal hin, könnte es also in Ihrem Namen – – –[154]
FELDKIRCH. Nichts da! Ich verlasse mich am liebsten auf mich selbst.
BARONIN. Wie herzlich danke ich Ihnen, theurer Freund!
FELDKIRCH. Ist nicht der Mühe werth. Zu Till. Es bleibt dabei; um halb drei erwarte ich Sie.
TILL. Wenn Sie es durchaus wollen, so stehe ich zu Befehl. Geschieht aber ein Unglück, so bin ich außer Schuld: ich habe gewarnt. Bei Seite. Das muß ich schnell dem Baron hinterbringen.
Er empfiehlt sich und geht ab.
FELDKIRCH. Ist Ihnen nun gefällig, meine liebe gnädige Frau, so gehen wir an unser Geschäft.
BARONIN. Mir ist ganz schwindlich.
FELDKIRCH. Sehen Sie, verehrte Freundin, das kommt von Ihrem Schreiben. Wenn es denn doch sein muß, warum lassen Sie es nicht bei Ihren Romanen bewenden? Ich habe selbst vergangenen Winter ein Paar davon gelesen. Nun die Leute darin taugen freilich alle nicht viel, und haben nichts[155] als Schwindeleien im Kopfe, aber im Ganzen, denke ich doch, ist es ein unschuldiger Zeitvertreib. Aber was in aller Welt gehen Sie anderer Leute Schriften an? Wer hat Sie zum Richter darüber gesetzt? Was nicht deines Amtes ist, da laß deinen Vorwitz sein. Und eine Frau soll zur Sühne reden und nicht richten – und obendrein öffentlich und streng! Ey! ey! Richtet nicht, so werdet – –
BARONIN. Wollen wir nicht unser Geschäft vornehmen?
FELDKIRCH. Ich stehe zu Diensten. Erst die Geschäfte, dann die Liebe, aber das Richten zuletzt.
Sie gehen Beide in das Nebenzimmer.
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