Siebenter Auftritt.

[176] Vorige. Der Stadtdirector Witte tritt ein.


WITTE. Unterthäniger! Sie haben gewünscht mich zu sprechen, Frau Baronin. Ich pflege sonst in Amtssachen niemanden zu besuchen – – –

BARONIN. Ich bin Ihnen sehr verbunden, Herr Director. Wollen Sie nicht gefälligst Platz nehmen?

WITTE. Muß ergebenst danken. Meiner Geschäfte sind viel. Muß daher auch bitten, so kurz wie möglich – – –

BARONIN. Es soll geschehen. In der Zeitschrift des Commissionsraths habe ich ein Trauerspiel zwar scharf, aber gerecht beurtheilt. Heute langt der Verfasser hier an; ergrimmt über die Kritik, erzwingt er von dem Commissionsrathe, oder vielmehr von dessen Gehülfen, die Nennung meines Namens, und droht nun auf eine, gegen Frauen unerhörte Weise, mit thätlicher, ja sogar mit blutiger Rache.

WITTE. Mit blutiger Rache? Ey, das gäbe einen ungewöhnlichen Criminalfall.[177]

BARONIN. Den ich mir verbitten muß. Es ist die Pflicht der Polizei, Maasregeln zur Verhütung jedes muthmaßlichen Unglücks zu nehmen: zu dieser Pflicht fordere ich Sie hiermit auf.

WITTE. Schon recht. Wer ist denn Ihr hitzköpfiger Gegner?

BARONIN. Ein Herr von Löwenklau.

WITTE. Löwenklau? – Löwenklau? – Es ist kein Fremder dieses Namens hier angekommen.

BARONIN. Aber mein Gott, der Commissionsrath hat ihn ja zwei Mal gesehen. Nicht wahr?

TILL. Ja wohl: die Augen thun mir noch weh davon.

WITTE. Es ist schlechterdings unmöglich: ich müßte durchaus davon wissen.

BARONIN. Kann er sich denn nicht incognito hier aufhalten?

WITTE. Incognito? Meine Gnädige, Sie sind eine[178] Dame, und Ihrem Geschlechte muß man viel zu gute halten: darum will ich auch dieses Incognito nicht gehört haben. Sonst, meine verehrte Frau Baronin, müssen Sie wissen, daß, wo ich an der Spitze stehe, nichts incognito, sondern alles klar und offenbar ist. Ich kenne alle Bewohner hiesiger Stadt, vernünftige und unvernünftige, als wären es meine leiblichen Brüder, wie sollte mir ein fremdes Gesicht entgehen? Am Tritte würde ich es hören, der Luft es riechen, an den Spuren im Gassenkothe es sehen, daß ein Fremder, und gar incognito, hier wäre.

BARONIN. Ich zweifle nicht, und rechne um desto sichere darauf, daß Sie Maasregeln ergreifen werden.

WITTE. Aber verehrte Frau Baronin, wie soll ich Maasregeln gegen einen Menschen ergreifen der gar nicht existirt?

BARONIN. Wie, Sie zweifeln wirklich, und hier steht ein Augenzeuge?

WITTE. Erlauben Sie, daß ich mir mehr glaube, als dem Commissionsrathe: denn nicht ihm, sondern[179] mir ist die Aufsicht über die Fremden anvertraut; folglich muß ich besser unterrichtet sein, als er.

BARONIN. Ist es möglich?

TILL. Nun Herr Director, so setzen Sie doch einen Augenblick die Existenz dieses Menschen voraus.

WITTE. Das geht nicht, Werthester: das wäre unanständiges Mißtrauen gegen mich selbst.

BARONIN. Sie wollen also nichts thun, um mich vor den Nachstellungen eines Wüthenden zu sichern?

WITTE. Sein Sie doch ganz ruhig, gnädige Frau: es giebt ja gar solch einen Menschen nicht, man hat Sie mit Unwahrheit berichtet. Wenn Sie sich aber doch vor dem erdichteten Löwenklau fürchten, so miethen Sie sich ein halbes Dutzend Wächter: mehr könnte ich am Ende auch nicht thun, als Ihnen Polizeiwache geben.

BARONIN. Sie könnten mehr: den Tollhäusler aus der Stadt verbannen.

WITTE lachend. Ach! meine Gnädige, wie soll ich einen Menschen[180] aus der Stadt verbannen, der gar nicht da ist? und um ein Verbrechen zu verhüten, das er gar nicht begehen kann, eben weil er gar nicht existirt?

BARONIN. Herr Director, ich danke Ihnen für Ihren Besuch, und will Sie nicht länger von Ihren wichtigen Geschäften abhalten.

WITTE. Untertäniger Diener!


Er empfiehlt sich und geht ab.


BARONIN. Ich bin müde. Adieu, lieber Commissionsrath, Dank für Ihre treuliche Bemühung. Beobachten Sie unsern Feind und lassen Sie mich wissen, was vorgeht.

TILL. Ich werde nicht ermangeln, gnädige Frau.


Er geht ab.


Quelle:
Ernst Raupach: Dramatische Werke komischer Gattung. Hamburg 1829, S. 176-181.
Lizenz:
Kategorien: