Dritter Auftritt.

[227] Die Baronin und Sophie in Mannskleidern und Reisemänteln.


BARONIN. Unseliger Zufall! daß grade hier etwas brechen mußte. Hätten wir nur den Ort erreicht wo die Wege sich scheiden, so wäre die Verfolgung schwieriger geworden.

SOPHIE. Gott im Himmel! mußte es so weit kommen? eine liebe gnädige Frau, eine so berühmte Dichterin, jetzt flüchtig, bei Nacht und Nebel im Walde, wo uns Räuber erschlagen, Wölfe fressen, Gespenster erdrosseln können!

BARONIN. Tröste Dich, mein gutes Mädchen! Dergleichen Schicksalswechsel kommt in den besten Romanen vor.[227]

SOPHIE. Ach! hätten Sie sich nur dem Baron von Riedberg anvertraut Er hätte es für Sie mit der ganzen Welt aufgenommen.

BARONIN. Ich glaube, ja, ich weiß es. Doch, es war unmöglich.

SOPHIE. Oder, hätten Sie die Erklärung – – –

BARONIN. Auch Du? O, ich fühle es immer mehr, wie hoch mich der Schöpfer über alles gestellt hat, was mich umgiebt. Aber ich will mich auch dieses Vorzugs würdig zeigen, und muthig meinem Schicksale entgegen gehen, sei es Leben oder Tod.

SOPHIE weinend. Ach, liebe gnädige Frau, sprechen Sie doch nicht so. Weinen Sie lieber mit, es wird einem nur schwerer, wenn man sich zurückhält. Warum wollen Sie sich vor mir Zwang anthun. Ich sehe es ja wohl, Sie sind selbst vor Angst halb todt, blaß wie eine Leiche; Ihre Stimme zittert.

BARONIN. Ich glaube es selbst. – Ja, ich will es Dir nicht leugnen, meine treue Gefährtin im Unglück, ich fürchte mich entsetzlich. Es ist nicht meine[228] Schuld, sondern die Schuld meiner reizbaren Nerven, meiner zu lebhaften Phantasie. Aber mein irdisch Theil soll nicht siegen über meinen Geist.

SOPHIE. Ach! ich mache meinem irdischen Theil niemals den Sieg streitig, es führt doch zu nichts –


Stimmen und Tumult draußen.


BARONIN. Gott! was ist das?

SOPHIE. Himmel! das sind sie! Lassen Sie uns fliehen.

BARONIN. Es ist ja nur ein Ausgang hier – unmöglich –, und meine Kraft ist hin. – Vielleicht erkennen sie uns nicht, und wenn – liebe Sophie – gieb Du Dich für die Baronin aus.

SOPHIE. Ich? Ach, liebe gnädige Frau! ein Mädchen läuft doch mehr Gefahr als – – –

BARONIN. Wankt Deine Treue schon?

SOPHIE. Nein! nein! In Gottes Namen, was auch geschehe.[229]

BARONIN sie umarmend. Gutes, treues Mädchen, in meiner nächsten Erzählung will ich Dich verherrlichen.


Quelle:
Ernst Raupach: Dramatische Werke komischer Gattung. Hamburg 1829, S. 227-230.
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