Zwölfter Auftritt.

[55] Vorige. Der König mit einem Theil der französischen Ritter. Volk, welches von außen bis an das Gitter vordringt.


KÖNIG zu Philipp und Heinrich.

Wohin? – Ihr bleibt!

Final.


So seid Ihr Bürge mit Ehre und Leben!

CHOR DES VOLKS kniend.

Entflammte Wetter

Verbreiten Tod!

Sei, Gott, uns Retter

In Drang und Noth!

Es kämpft mit Fluthen

Der Nacht-Orkan!

Es strahlt in Gluthen

Der Blitze Bahn!

CHOR DER NONNEN hinter den Gittern des Chores.

Rex misericordiae,

Clemens vel irate!

Salva nos a fulgure!

Clemens nobis, Domine,

Sis in tempestate!

PHILIPP.

So bin ich Bürge. Was suchet Ihr, Herr?

KÖNIG.

Den Feind, den Gefangnen, den frei Ihr gegeben,

Den ich hier finde zu neuer Beschimpfung,

Bei meines Königs erkorner Braut!

PHILIPP.

Ihr sollet beim Kampfe den Gegner nicht missen!

HEINRICH.

Fürwahr nicht. – Ihr sehnt

Euch nicht heißer nach Rache,

Als brennend mich dürstet nach Eurem Blut!

AGNES.

Ein Kampf! o Himmel!

IRMENGARD UND ERZBISCHOF.

O, Fülle der Leiden![55]

KÖNIG zu Philipp.

Ich traue dem Wort nicht; schon hab't Ihr's gebrochen.

PHILIPP.

Gebrochen? – Ich halte noch blutig Euch Wort.

KÖNIG.

Jetzt will ich Rache. – Auf! folgt mir zum Kampfe!

PHILIPP.

Erwartet die Stunde.

HEINRICH.

Sie kommt Euch zu früh.

KÖNIG.

Ergreift ihn, Ritter, und schleift ihn von hinnen!

PHILIPP.

Wer wagt es, zu nahen?

HEINRICH.

Wer trotzet dem Tode?

KÖNIG.

Ergreift ihn, befehl' ich!

PHILIPP UND HEINRICH.

So findet Ihr Tod!

Alle ziehen die Schwerter. Unterdessen ist Volk beiderlei Geschlechts vom Gitter aus in die Kirche gedrungen.
[56]

DER ERZBISCHOF vortretend.

Soll Kampf entweihen diese heil'ge Stätte?

IRMENGARD.

Mit Blut sie beflecken? –

AGNES.

Und weh! um mich!

HEINRICH UND PHILIPP.

Zum Kampf! zum Kampf!

DER KÖNIG zu seinen Rittern.

Zum Kampfe! zum Kampfe!

Für Euren Herrn!

Es war die Ehre

Stets Frankreichs Stern!

Die Ehre verletzet

Ihr Uebermuth:

Auf! daß sie's büßen

Mit ihrem Blut!

HEINRICH UND PHILIPP.

Ihr freches Beginnen

Uns All' entehrt;

Darum entscheide

Im Kampf das Schwert.

Wenn sie nur hören

Die blinde Wuth,

So mag es büßen

Ihr wildes Blut![57]

AGNES.

Um mich entweihet

Das Haus des Herrn!

Um mich, – o Jammer!

Wie stürb' ich so gern!

Ja, könnt' ich löschen

Des Zornes Gluth,

Der Zwietracht Flammen

Mit meinem Blut!

IRMENGARD UND ERZBISCHOF.

O Frevelthat!

Bejammernswerth!

Im Heiligthume

Gezückt das Schwert!

Erstickt, bezähmet

Die blinde Wuth,

Den Himmel reizet

Der frevele Muth!

CHOR DES VOLKES.

Entflammte Wetter

Verbreiten Tod!

Sei Gott uns Retter,

Im Drang der Noth!

Es kämpft mit Fluthen

Der Nachtorkan!

Es strahlt in Gluthen

Der Blitze Bahn![58]

CHOR DER NONNEN.

Rex misericordiae,

Clemens vel irate!

Clemens nobis, Domine,

Sis in tempestate!

Im Augenblick, wo beide Partheien den Kampf beginnen wollen, tritt der Erzbischof, welcher sich von einem der herbeigeeilten Kappeläne das Kreuz hat geben lassen, zwischen sie, dasselbe emporhebend.


ERZBISCHOF.

Schaut den Richter in der Höh'!

Fried' in Gottes Namen!

AGNES, IRMENGARD UND VOLK.

Gnade Gott! – Erbarmen!

Gnade Gott! uns Armen!

CHOR DER NONNEN.

Omnibus, o Domine,

Dona pacem! Amen!

ALLE

Scheu't den Richter in der Höh'!

Fried' in Gottes Namen!

Ende des zweiten Aufzugs.
[59]

Quelle:
Gaspare Spontini: Agnes von Hohenstaufen. Berlin 1837, S. 55-60.
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