Fünfter Auftritt

[247] Courage und Grete.


GRETE. So hast du mich gleichwohl rechtschaffen lieb?

COURAGE. Ja, liebes Gretchen, von Grund der Seelen, und ich wollte, daß ich nicht Courage hieße, wenn ich dich nicht tausendmal lieber habe als mich selbsten.

GRETE. Die Worte sind wohl gut, allein es ist dem hunderten Kerl nicht zu trauen, und der tausende meinet es mit einem ehrlichen Mädchen nicht allemal aufrichtig.[247]

COURAGE. Das ist alle wahr, Gretchen. Allein ich wollte nicht mehr wünschen, als daß du nur in mein Herze gucken könntest; da solltest du sehen, wie lieb ich dich hätte.

GRETE. Ist das wohl möglich, hast du mich recht von Herzen lieb?

COURAGE. Ja, Gretchen.

GRETE. Wie lieb aber denn?

COURAGE. Ach so lieb, so lieb, ich möchte dich flugs für lauter Liebe auffressen.

GRETE. Gar auffressen? Das wär auch eine abscheuliche Liebe.

COURAGE. Du Herzeskind, man redet nur so, wenn eines das andere recht lieb hat.

GRETE. Ja so, das ist ein anders. Nun, wenn ich's wüßte, daß es dein rechter Ernst wäre, mich zu heiraten, und daß du mir hernachmals auch getreue verbleiben wolltest und nicht irgend extra gehen, so wollte ich ganz kein Bedenken nehmen, dir diesen Augenblick noch mein Jawort zu geben.

COURAGE. Ja Gretchen, da hast du meine Hand, und ich bin nicht ehrlich, wenn ich dich nicht von Herzen lieben will; aber ...

GRETE. Und was aber?

COURAGE. Das Extragehen wirst du ja so genau nicht nehmen.

GRETE. Was? Extragehen? Nein, Courage, das stünde mir zum wenigsten nicht an, zu leiden.

COURAGE. Weswegen aber nicht? Es ist ja heutiges Tages grande mode.

GRETE. Ei grande mode hin, grande mode her, wenn ich soll einen Mann nehmen, so muß er entweder mein Leibeigen sein, oder ich habe die Briefe von so einem Schatze.

COURAGE. Je nu, nu, ich frage endlich nichts darnach. Willst du es nicht haben, daß ich manchmal mit ändern Frauenzimmer reden soll, so mußt du mir's hingegen auch versprechen, niemand anders als mich alleine zu lieben.[248]

GRETE. Das will ich auch tun.

COURAGE. Ja, ihr Frauenvolk tut's manchmal mehr als zu viel.

GRETE. Das erfordert auch ihre Schuldigkeit, daß sie ihre Männer rechtschaffen lieb haben sollen.

COURAGE. Ja, sie sollten wohl; aber ...

GRETE. Mit deinem Aber. Es wäre nicht gut, wenn das Weibsen ihr Gewissen nicht besser bedenken sollte als das Mannsen.

COURAGE. Es sollte wohl; ja, wenn sie es auch täten, allein sie tun's manchmal mehr als zu viel, daß hernach der arme Mann wider sein Wissen und Willen muß Gevatterbriefe schreiben lassen.

GRETE. Du redest wohl närrisch Zeug, Courage. Wenn du mir dieses nun mit eidlichen Zeugen beweisen solltest, wie schöne würdest du mit der Lügen in Drecke sitzen bleiben?

COURAGE. Je, Närrchen, wer wird denn solch Ding beschweren können? Man redet nur so, wie es manchmal pflegt im Stande der geflickten Hosen herzugehen.

GRETE. Laß uns davon nur stille schweigen und von unserer Heirat reden.

COURAGE. Was wollen wir lange reden? Du darfst nur ja sagen, ob du mich haben willst oder nicht.

GRETE. Es läßt sich ja flugs nicht so tun, und wenn ich gleich lange ja spreche, so muß ich doch erstlich meines gnädigen Grafens seinen Konsens haben.

COURAGE. Alles recht, Gretchen, allein du kannst ja nicht eher dem Grafen davon gedenken, bis wie miteinander richtig sind.

GRETE. Je nu, nu, wenn du mich rechtschaffen lieben willst und auch für gut halten, so hast du hiermit meine Hand. Ich sage ja; du sollst mein lieber Schatz sein.

COURAGE. Du darfst dir deswegen keine Sorgen machen, ich will dich schon lieb und wert halten; allein halt du mir auch nur feine gute Farbe.

GRETE. Das verspreche ich dir hiermit, so wahr ich noch ein[249] ehrliches Mädchen bin, daß ich dir bis in den Tod treu verbleiben will.

COURAGE. Das ist viel geredt.

GRETE. Das will ich auch halten.

COURAGE. Nun, weil du das tun willt, so hast du hiermit meine Hand auch, und verspreche, dich so lange zu lieben, zu ehren, zu karessieren, zu honorieren, zu charmieren und zu contentieren, bis ich nolens volens werde sprechen müssen:


Hier liegt Courage nun

bei seinem lieben Weibe

mit seinem Zeitvertreibe;

er kann nicht mehr das Seine tun.

Hier liegt Courage nun.


GRETE. Ei, das ist ein schön Stückchen, das möchte ich wohl gerne von dir singen hören.

COURAGE. Je, das kann ich dir ja wohl leicht zu Gefallen tun.

GRETE. Hast du denn auch eine gute Stimme zu singen?

COURAGE. Ei, ich kann vortrefflich schlingen, denn ich bin vor diesen in vierzehen Kapellen gewesen.

GRETE. Nun, so laß doch hören, was du kannst.

COURAGE. So gib mir Audienz und bringe mich nicht aus dem Tone.

GRETE. Ei, sing du nur, ich will ganz fleißig zuhören.

COURAGE. Gleich soll's angehen. Hustet und macht närrische Präparatoria, singet. Hier Hegt Courage nun etc. Nun, wie hat dir denn das Stückchen gefallen?

GRETE. Ach, überaus wohl! Und wenn ich dich bitten darf, so singe mir's noch einmal.

COURAGE. Warte, ich will den andern Vers auch singen, der geht eben auch auf die Melodei.

GRETE. Ei ja, mein Schatz, du wirst mich hoch obligieren.

COURAGE. Alsobald. Singet.
[250]

Hier liegt Courage nun,

der arme Finkenritter,

und spielet auf der Zitter.

Er lasset Ring und Lanze ruhn.

Hier liegt Courage nun.


GRETE. Ei, das Stückchen mußt du mir zukommen lassen.

COURAGE. Was willst du denn damit tun?

GRETE. Ich will's den Herrn Grafen weisen, denn er hält überaus viel auf kuriose Sachen.

COURAGE. Das kann ich wohl tun, alleine wenn er die Melodei nicht weiß, wie er's singen soll, so ist es ihn ebensoviel nütze als nichts.

GRETE. Ei, wenn gleich. Ob er's schon nicht singet, so liest er doch gerne solche Dinge, und zumal, weil's von dem Finkenritter mit drinne stehet.

COURAGE. Je nu, nu, komm nur hernach wieder zu mir, so sollst du es haben.

GRETE. Wenn sprechen wir denn einander wieder?

COURAGE. Weiß ich's doch selber nicht; auf den Abend etwan.

GRETE. Es wird, halt ich, wohl auf den Abend das beste sein, daß wir ein wenig wieder zusammenkommen.

COURAGE. Je nu, wie du willst; ich habe am Tage eben auch nicht gar zu wohl Zeit, allein, welche Zeit treffe ich dich wohl wieder an?

GRETE. Die Zeit kann ich dir nun eben nicht versprechen. Wenn? Sobald sich aber der Herr Graf mit seinen Leuten hat zur Ruhe geleget, so will ich wieder hie sein und deiner warten.

COURAGE. Wo schläft denn dein Herr?

GRETE. Er schläft in der Stube auf einer Straputzke.

COURAGE. Hat er denn kein Bette?

GRETE. Er hat wohl eins, allein er darf sich jetzo nicht hineinlegen.

COURAGE. Warum aber nicht?[251]

GRETE. Er hat's durch seinen Kapitänleutenant versetzen lassen, und ist noch nicht wieder eingelöset.

COURAGE. Er wird ja nicht ein Narre sein und die Betten versetzen.

GRETE. Ei, es ist davon nicht viel zu sagen; er läßt wohl das Kleid vom Leibe versetzen, wenn er kein Geld hat.

COURAGE. Wo schlafen aber seine Leute?

GRETE. Du herzes Kind, die liegen nun alle um den Grafen auf der Straputzke herum und decken sich mit ihren Röcken zu.

COURAGE. Ich dächte aber, der Herr Graf könnte unmöglich so ruhen.

GRETE. Ach ja, er schläft sehr wohl. Denn er hat einen Kammerjungen, den heißt er nur Mummelmärten, der muß ihn, wenn er sich niederleget, so lange die Füße krauen, bis er einschläft.

COURAGE. Wenn stehet er aber wieder auf?

GRETE. Sobald als der Wächter hat eins oder zwei gerufen, ist er allard und weckt seine Leute auf. Wenn sie denn nun nicht geschwinde aufstehen, so nimmt er eine Hose mit Wasser und begießet sie alle miteinander.

COURAGE. Ei, das stünde mir zum wenigsten nicht an, und wenn mich mein Herr mit Wasser begießen wollte, wenn ich nicht flugs aufstünde, so er mich weckte, da müßte er viel zu tun haben. Allein, was ein kluger Herre ist, der wird auch dergleichen Narrenpossen mit seinen Dienern nicht so fürnehmen.

GRETE. Das ist wahr, der Herr Graf nimmt manchmal närrisch Zeug mit seinen Leuten vor.

COURAGE. Ja, wenn er klug wäre, so täte er's nicht.

GRETE. Neulich, so bin ich recht drüber erschrocken, ich dachte, es wäre gar Feuer da.

COURAGE. Wieso denn?

GRETE. Er hatte seinen Stallmeister in den Bock gespannet und hing ihn an eine Wand und karbatschte ihn braun und blau. Der Kerl schrie wie ein Zahnbrecher.[252]

COURAGE. Was ist denn das für ein Ding, das Bockspannen?

GRETE. Er nimmt einen großen Prügel, den steckt er ihnen in die Kniekehlen und bindet die Hände vorne auf die Kniescheibe mit einem Stricke an den Prügel an. So können sie hernach weder sitzen noch stehen, und damit hängt er sie nun an die Wand und karbatschet sie ab. Darüber hat er nun größte Freude.

COURAGE. Die Freude stünde mir zum wenigsten nicht an.

GRETE. Ei, bisweilen ist der Herr Graf sehr gut, nur wenn es ander Wetter werden will, so ist er keinmal nicht recht zu Hause. Drum sehe ich gerne, daß ich einmal mit Ehren von ihm käme.

COURAGE. So gehe nur hin und hole deines Grafen seinen Konsens, ich will gleich auch zu meinen Herrn gehen, ob er's zufrieden ist, daß ich dich nehmen soll, damit nur einmal ein Ende draus wird.

GRETE. Sobald mein Herr Graf nach Hause kömmt, will ich's ihn gleich sagen, und auf den Abend, so sollst du es wieder erfahren. Adieu.

COURAGE. Adieu, Gretchen.

GRETE. Adieu.

COURAGE. Adieu.


Machen Komplimente gegeneinander und gehen an unterschiedenen Orten ab.

[253] Der Prospekt eröffnet sich.


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 247-254.
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