[269] Leonore, Courage begegnen einander.
LEONORE. Höre doch, Courage, hast du den Herrn Grafen nicht gesehen?
COURAGE. Höre doch, Lorchen, hast du des Grafens seine Jungfer Köchin nicht gesehen?
LEONORE. Ei, was habe ich mit der Köchin zu tun?
COURAGE. Je, was schiert mich denn der Graf?[269]
LEONORE. Nein, in rechten Ernst hast du ihn nicht gesehen?
COURAGE. Ja, ich habe ihn gesehn.
LEONORE. Wo denn?
COURAGE. Er ließ sich nur vor kurzen auf einer Zoberstange von seinen Bedienten nach Hofe tragen.
LEONORE. Du damischer Dieb, es wird eine Karosse gewesen sein, worauf er ist nach Hofe gefahren.
COURAGE. Ei, lerne du mich doch einen Hasen für eine Kuh ansehen. Ich werde ja wissen, was eine Zoberstange ist oder was eine Karosse ist.
LEONORE. Er wird ja solch närrisch Ding nicht vornehmen.
COURAGE. Ei, er nimmt wohl närrischer Zeug für, ist er doch einmal mit dem Könige im Schlafpelze und einer Federmütze auf dem Kopfe gar auf die Jagd geritten und hat, wo mir recht ist, weder Schuh noch Strümpfe angehabt.
LEONORE. Er hat aber eine schöne Karosse, warum fährt er denn nicht in derselben?
COURAGE. Er kann auch nicht immer fahren. Ein großer Herr, als wie der Herr Graf ist, muß ja eine Abwechselung haben.
LEONORE. Weißt du nicht, ob er bald wird wieder nach Hause kommen?
COURAGE. Ja, das kann ich dir nicht sagen, vor abends kömmt er wohl schwerlich wieder, denn es ist ein Glückstöpfer bei Hofe ankommen, da ist er mit den Damens in die Glücksbude gegangen.
LEONORE. Ja, so wird er wohl schwerlich für nachts wiederkommen.
COURAGE. Ich zweifele selbst, daß er vor Mitternacht wiederkommt.
LEONORE. Ich muß ihn sprechen. Ich treffe ihn auch an, wo ich will.
COURAGE. Nur früh zu ihm gegangen, da trifft man ihn am allerersten an.
LEONORE. Das werde ich auch wohl tun.[270]
COURAGE. Wie steht ihr denn beide miteinander, ist denn eure Sache bald richtig?
LEONORE. Ei, was soll sie richtig sein. Drum wollte ich gerne mit ihm daraus reden, und wenn er nicht will, wie ich will, so will ich's an den König gelangen lassen, denn er hat mir meine Ehre recht abgestohlen.
COURAGE. Wenn ich als wie du wäre, Lorchen, und er wollte mir nicht geben, was ich verlangte, so wollte ich ihn Knall und Fall auf die Ehe anklagen.
LEONORE. Ei, das will ich ohndem schon tun. Ich bin itzo bei einem Advokaten gewesen, der hat mir ein Supplik gemacht, das soll ich, wenn er in Güte nicht will, dem Könige selbst übergeben.
COURAGE. Ei, wo wohnt denn der Affokate?
LEONORE. Ich habe nicht gefragt, wo er wohnt. Soviel ich aber von der Wirtin im Weinkeller vernehmen kunnte, so soll er gar viel Frauenzimmer bedient sein, die ihre Ehrenkränze verloren haben.
COURAGE. Das wird mir gar der Rechte sein, allein, wie muß er heißen?
LEONORE. Die Leute titulierten ihn nur Herr Fleckschreiber.
COURAGE. Wo trifft man ihn aber an?
LEONORE. Er sitzt dort bei Herr Johannsen im Weinkeller und hat ein Gläschen Wein für sich stehen.
COURAGE. Ich will doch hernach auch hingehen und den Herrn Fleckschreiber in einer Sache um Rat fragen.
LEONORE. Du hast gewiß auch mit einer zu tun!
COURAGE. Ach nein, es ist sonst was.
LEONORE. Darf man's aber nicht wissen?
COURAGE. Warum nicht? Das kann ich dir wohl sagen, ist es doch kein Schelmstück.
LEONORE. So sage mir's doch.
COURAGE. Die ganze Affäre ist diese: Ich habe mich mit des Grafens seiner Köchin verlobt, und mein Herr, der will's nicht zugeben, daß ich das Mensche nehmen soll.[271] Drüm möchte ich gerne mit einem rechten Ungerechtsmacher reden, was er mir hierinnen für einen Rat gibt; denn ich habe gar willens, ich will ihn bei dem Könige verklagen, wenn er's nicht zugeben will.
LEONORE. Je, du herzer Courage du, dieser Fleckschreiber wird dir bald eine Intrüsche sagen, wie du es machen sollst, denn das soll ein Mann sein, der auf lauter Cäuschen und Praktiken abgerichtet ist.
COURAGE. Ei, das muß mir gar der Rechte sein.
LEONORE. Die Wirtin hat mir Dinge von demselben Fleckschreiber erzählet, daß man sich hatte putzig drüber lachen mögen.
COURAGE. Wieso denn?
LEONORE. Sie erzählte mir, wie daß derselbe Mann so ein vortrefflicher Liebhaber von Frauenzimmer wäre.
COURAGE. Ist er denn noch jung?
LEONORE. Ei, es ist ein steinalter Mann, der schon auf der Grube gehet.
COURAGE. Was hat er denn nun mit dem Frauenzimmer gemacht?
LEONORE. Er soll sich mög' in ein artiges Mädchen verschammerieret gehabt haben, und dasselbe hätte er auch, weil er so heftig in sie verliebt gewesen, in gelben Damast kleiden lassen und hernachmals nur das Rübsenstücke geheißen.
COURAGE. Ei, warum nicht gar das Schotenstücke? Hat aber dasselbe Frauenzimmer den alten Kurtisan auch Gegenliebe bewiesen?
LEONORE. Soviel ich von der Wirtin vernahm, so hätte sie ihm nicht einmal eine charmante Miene gemacht, viel weniger, daß sie ihm für das geschenkte damastene Kleid sonsten seinen Willen erfüllen sollen.
COURAGE. Ja, es geht bisweilen so, wenn alte Männer mit jungen Mädchen löffeln wollen. Allein es geschieht ihnen gar recht, wenn sie hernachmals für ihre Spendagen ins Fäustchen nein ausgelacht werden.[272]
LEONORE. Ein artiges Histörchen erzählte mir die Wirtin von diesem sogenannten Fleckschreiber: Er hätte einsmals auf einer Hochzeit nach einer Bärenmusik mit Frauenzimmer nackend um einen Tannenbaum herum getanzet, welches ihm diese Stunde noch übel ausgeleget würde.
COURAGE. Ei, das kann ich mir leicht einbilden. Nackend zu tanzen! Es kömmt gar zu ärgerlich her aus. Wenn's doch noch im Hemde gewesen wäre.
LEONORE. Hernach, so sagte mir die Wirtin auch, wie daß dieser Fleckschreiber allen Leuten dienete, sie möchten recht oder unrecht haben, wer ihm nur Geld brächte, der wäre ihm angenehm.
COURAGE. Das muß mir gar einer von den Rechten sein.
LEONORE. Über eines mußte ich recht herzlich lachen.
COURAGE. Über was denn?
LEONORE. Die Wirtin sagte mir, wie daß er einmal ein paar Parteien ineinander gehetzt, über welches Unrecht dieser Fleckschreiber von einem Frauenzimmer in öffentlicher Gerichtsstube wäre ein alter Rockseicher geheißen worden.
COURAGE. Was hätte er denn darzu gesaget?
LEONORE. Was sollte er gesaget haben? Er hatte solches zu registrieren gebeten, alleine wegen anderer Affären hatten's die Gerichte nicht gehöret, und war also dieses Frauenzimmer noch so mit einem blauen Auge davongekommen; sonst hätte er ihr unstreitig einen Injurienprozeß an den Hals geworfen.
COURAGE. Je, könnte man doch von diesem Fleckschreiber eine perfekte Komödie machen.
LEONORE. Ach, wenn ich's nur nicht vergessen hätte, was mir die Wirtin alles von den süßen Nächten und noch ändern Streichen, so dieser Fleckschreiber soll vorgenommen haben, erzählet hat.
COURAGE. Es scheint, als wenn an denselben Affokaten wohl nicht viel Gebackens wäre.
LEONORE. Er soll aber sehr viel zu tun haben.
COURAGE. Ich will doch für die Langeweile hingehen für[273] den Weinkeller und ihn lassen herauskommen. Da will ich bald hören, was er am Schilde führet. Gehet ab.
LEONORE. Und ich will morgen früh Graf Ehrenfriedchen eine Visite geben und bei ihn hören, ob er mich nehmen will. Gehet ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Graf Ehrenfried
|
Buchempfehlung
In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.
74 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro