Scena I

[31] Cleander, Charlotte.


CHARLOTTE. Der Herr Secretarius sei doch so gut und spreche wieder bei uns ein.

CLEANDER. Mademoiselle sei versichert, wenn ich wider Verhoffen noch heute sollte hierbleiben, so würde ich eine Kühnheit begehen und das Nachtquartier bei Sie aufschlagen.

CHARLOTTE. Es stehet unser ganzes Haus zu des Herrn Secretarii Diensten. Sie können sich nur, wenn Sie wollen, Ihrer Gelegenheit gebrauchen.

CLEANDER. Es soll geschehen, unterdessen rekommendiere ich meine Person zu Dero guten Andenken.

CHARLOTTE. Und ich verbleibe Monsieur gehorsamste Dienerin. Darf ich Sie aber mit einen Gruß an den Herrn Doktor Feinland aus Schlesine beschweren, so würde ich vor solche Mühe höchst obligieret sein.

CLEANDER. Ganz gerne, Mademoiselle.

CHARLOTTE. Nun, Sie reisen glücklich. Gehet ab.

CLEANDER. Und Sie leben fein vergnügt. Ad spectatores. Nun habe ich doch das artige Frauenzimmer zum Goldenen Maulaffen auch kennenlernen, von welcher mir die Leute soviel erzählet. Ich glaube auch nicht, daß es in der Welt törichter und närrischer kann zugehen als in denselben Hause. Wie ich nun hinkam und mein Kompliment gegen sie machte, traten sie alle um mich herum und taten, als wenn sie schon zehn Jahr wären mit mir bekannt gewesen. Die eine fragte gleich, wie hoch die Elle Tuch zu meinen Kleide käme, die andere, ob das Silber auf meiner Weste gut wäre, und lauter solche ungeschickte Reden brachten sie vor. Die Mutter saß am Fenster und schlug sich mit der Hand auf den Leib und sagte: Wer das Fleisch nicht haben will, der ist nicht wert, daß ihn die Raben fressen sollen.[31] Ob sie nun dadurch zu verstehen geben wollte, daß sie wieder Lust zu heiraten hätte, oder ob es ihre Alltagesweise nur so war? Endlich fing Jungfer Charlottchen an, wer ich wäre. So gab ich mich vor einen Secretarium an einen bewußten Hofe aus. Worauf sie anfing: »Das Hoffrauenzimmer hat immer kuriöse Sachen, wie man kann schöner werden. Ich weiß, der Herr Secretarius wird von dergleichen was wissen, Er schreibe mir doch ein Rezept auf.« Ich sagte: »Wenn Sie Feder und Tinte bei der Hand haben, so will ich Ihm schon was aufschreiben, daß Sie vortreffliche klare Haut bekommen sollen.« Sie war geschwinde mit Feder und Tinte parat, da schrieb ich ihr nun was auf. Ich bin gut dafür, wenn sie es gebrauchet, so wird sie in vier Wochen keinen Menschen ähnlich sehen. Wenn ich doch Monsieur Fidelen könnte ansichtig werden, ich müßte ihn doch solches erzählen.


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 31-32.
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