Dat nägente Kapittel

[93] Worüm de Herr Amtshauptmann in den Mark Aurel lesen müßt un sick dat Gesicht nich waschen dürwt, un worüm em den Möller sin Fiken nich mihr tau quarig dücht.


De oll Herr Amtshauptmann gung in sin Stuw' rümmer un argert sick, denn wenn hei ok kein von de hastige Ort was, so was hei doch en ollen Mann, de dat Kummandieren gewennt was un sin Moden för sick hadd, un nu süll hei sick kummandieren laten un hadd des Morgens Klock acht upstahn müßt – wat gegen sin Natur was –, un Koffe hadd hei ok nich kregen, un as hei sick tau sine Vermünterung 'ne irden Pip in't Gesicht steken wull, wiren kein Pipen dor. Hei klingelt einmal, Fritz Sahlmann kamm nich; hei klingelt tweimal, Fik kamm ok nich. Hei treckt sin Snuwtobacksdos' ut de Tasch un namm de Pris' mit so'n nahdenklichen Snäw, as einer deiht, de sick up allens mögliche Ungemak gefaßt maken will, treckt de Lorjett ut de Tasch un kek in't Weder.[93] Buten regent dat Bindfaden, un in de hogen, nakten Telgen von de ollen Rüstern seten de Kreihn so still un dukerig, as wiren ehr de Flüchten tausambackt, un leckten as oll Bur Kugler, as hei mal 's Abends bet an de Hautkremp in den Dörpdik seten hadd. »Ok kein Vergnäugen!« säd de oll Herr. »Äwer wo is up Stun'ns Vergnäugen in dütschen Landen? Es ist doch eine sonderbare Sache mit der Weltregierung! Uns' Herrgott lett dat tau, dat ein so'n Hundsvott de ganze Welt in Schaden bringt. Dat is swor för'n Christenminschen intauseihn. Hohe herzogliche Kammer makt oft männigmal Inrichtungen un Verordnungen, de kein Christ un Beamter begripen kann, äwer hohe Domänenkammer is doch ok man so'n armen Sünner, den von Anfang an bi alle hogen Eigenschaften de Dämlichkeit in de ein Slipp mit inknüppt is, un dat weiten wi un finnen uns dorin, dat heit mit gelinden Arger un Verdruß. Äwer hir, bi den christlichen Glowen an 'ne göttliche Weltregierung, den Nutzen von den Hundsvott Bonepart intauseihn, dat is – dat is ...« – Un hei namm sin Slapmütz af un höll sei en Toll'ner drei äwer sinen Kopp. »Uns' Herrgott mag mi de Sün'n vergewen! Ick heww gegen keinen Minschen en Haß hatt, gegen keinen Minschen Findschaft, ok nich gegen hohe Kammer mit ehre ßackermentschen Monitorien, äwer nu heww ick einen Haß«, un hei smet de Slapmütz up de Ird un set't den Bein dorup, »nu heww ick einen, un ick will em ok behollen!«

Dit letztere müggt hei woll en beten lud raupen hewwen, denn sine leiwe Fru kamm ganz ängstlich in de Dör rinne: »Wewer! Wewer! Wat is di? Hett Fritz Sahlmann oder Fik ...?« – »Ne, Neiting«, föll hei ehr in de Red un namm de Slapmütz up, »de nich, blot Bonepart.« – »Gott in den Himmel«, röp sei, »all wedder! Wat willst du di an den argern?« un gung an den Herrn Amtshauptmann sin Bäukerschapp ranne un halt en Bauk rut. »Da, Wewer, les in din Bauk!« Dat was nu dat Bauk von Mark Aurelen, dorut las de Herr Amtshauptmann, wenn hei in Arger geraden was, ein Kapittel, un wenn't dull was, twei. Hei namm nu also ok[94] dat Bauk un las, un sine leiwe Fru bunn em den witten Purgiermantel üm un strählt em dat gaude, grise Hor un wickelt em dat oll lütte vernimme Zöppken un stöhmt em sacht un lising den weiken Puder äwer den Kopp; Mark Aurel ded ok dat Sinige, un all de argerlichen Schrumpeln wiren weg von sine irnstfaste Stirn, as de Fru Amtshauptmann mit dat lütte, sülwerne Putzmetz den Puder ut dat Gesicht schrapte. – »Denn dat möt sei em ümmer afschrapen«, säd Fik, wenn sei dorup tau reden kamm, »un waschen kann hei sick denn nich, wil dat em süs dat Weitenmehl de Ogen tauklistern würd.«

»Neiting«, säd de Herr Amtshauptmann, as hei von Koppswegen in den Stand set't was, »kik doch mal, wenn di dat paßt, in de Wirtschaft runner. Es ist doch eine sonderbare Sache! Fik kümmt nich, Fritz Sahlmann kümmt nich; de gottverd ... – wull ick seggen – dat gottlose Franzosentüg hett jo woll dat ganze Hus ümkihrt. – Ne, wat denn?«

De Fru Amtshauptmannen was 'ne lütte gaude Fru, en beten swäcklich von Person, dorbi äwerst nich verdreitlich un ümmer parat, in Fründlichkeit de Wunderlichkeiten von den ollen Herrn tau dragen. Sei hadden einen Sähn, ehren Jochen, de was all in de Frömd', un so wiren de beiden ollen Lüd' in dat oll grote Sloß allein up sick anwist un drögen in Tru un Ihrborkeit Leid un Lust tausam, un wenn de Langewil sick bi ehr insliken wull, denn gaww dat Glück ümmer, dat de Herr Amtshauptmann grad tau rechter Tid up en nigen wunderlichen Infall verföll, un ut dat Hujahnen würd denn en rechten gesunnen Sünnenprust, de de Leiw' wedder upfrischen ded, denn mit de Leiw' is dat as mit en Bom, je mihr de Wind in de Kron un in de Bläder spält, desto faster smitt bei sin Wörtel.

Na, dat de Herr Amtshauptmann von sine leiwe Fru hüt morrn verlangte, dat sei sick mal nah de Wirtschaft ümseihn süll, was denn nu grad kein wunderliche Infall, un dorüm pruste de Fru Amtshauptmannen ok nich glik los, obschonst dat in unsere jitzige Tid männige wollertagene Fru woll dahn[95] hadd. – Sei was grad ehren Gang gahn, as oll Möller Voß mit dat Fellisen in de Dör kamm.

»Gun Morrn, Herr Amtshauptmann«, säd de Möller un makt sinen Diner, »mit Verlöw!« un läd dat Fellisen up den Disch, »hir is't!« – »Wat is't?« frog de oll Herr. – »Herr, wat weit ick? Ick weit wat, ick weit vel, ick weit gor nicks: doch so vel weit ick, Spitzbauwenkram is't.« – »Möller Voß, wo kümmt Hei tau Spitzbauwenkram?« – »Wo kümmt de Hund in de Koppel, Herr Amtshauptmann? Wo kamm jen'n Mäten tau't Kind? – Ick weit blot, dat dit den Franzosen sin Fellisen is un dat de Düwel mi den Franzosen gistern abend up den Wagen un min Fridrich em nahsten wedder runne smeten hett.« Un nu vertellte de Möller de ganze Geschicht.

De oll Herr gung wildeß in de Stuw' up un dal un brummte wat von »übele Sache!« in den Bort un stunn denn wedder vör den Möller still un kek em fast in de Ogen, un as de Möller tau En'n was, säd bei: »Na, Möller Voß, dat is denn nu äwer doch gewiß, dat de Franzos' noch lewt?« – »Je, Herr Amtshauptmann, wat weit ick? – Seihn S', ick mak minen Reknungsäwerslag so: kolt was dat de Nacht för dese Johrstid grad nich; äwer regent hett dat de ganze Nacht, un wenn wi beiden, Herr Amtshauptmann, Sei oder ick, de Nacht dor legen hadden, wi wiren mägliche Wis' verklamt. Äwer ick reken so: so'n Volk is dat Rümliggen beter gewennt as wi, un hett em dat in Rußland nicks dahn, so mag em dat jo hir ok woll nich schadt hewwen. Un weg gahn is hei jo nahsten; Fridrich is em jo nah, un wenn em denn nahsten noch wat taustött is, so sünd wi jo dor nich an schüllig.« – »Möller, Möller«, säd de oll Herr un schüddelt mit den Kopp, »dit is en slimm Stück! Wenn Sin Fridrich den Franzosen nich wedder grippt, kann Em dat an den Kragen gahn.« – »Gott sall mi bewohren!« rep de Möller, »von wat för Dämlichkeiten lat ick mi in minen ollen Dagen riden! Herr Amtshauptmann, ick bün jo unschüllig, un ick heww jo ok dat Fellisen nich behollen, un dat Pird steiht in Bäcker Witten sin Schün.« – »Dat's ok Sin Glück, Möller, dat's ok Sin grotes Glück; denn dit kann ick[96] Em betügen. Un luter Gold un Sülwer is in dat Fellisen, seggt Hei?« – »Luter Gold un Sülwer, preußschen K'rant un Drüttel un Luggedurs un sülwerne Lepel!« Un dormit snallte hei dat Fellisen up un wis'te de Bescherung.

De Herr Amtshauptmann makte grote Ogen. »Gott bewohr uns!« rep hei, »dat is jo en Schatz.« – »Je, dat seggen S' man mal, Herr Amtshauptmann! Min Fru seggt süs nich vel, äwer as sei dit sach, slog sei de Hän'n tausam un säd kein Wurd.« – »Stahlen is dat all, Möller. Hir up dat Sülwertüg is dat Uertzensche Wapen, dat kenn ick. De Lepel hett de Spitzbauw hir in de Nahwerschaft stahlen. – Äwer dormit ward Sin Sak nich beter.«

De oll Möller stunn dor, as süll hei verörgeln; de Herr Amtshauptmann gung in de Stuw' rüm un rew sick den Kopp, endlich gung hei up den Möller tau, läd em de Hand up de Schuller: »Möller Voß, ick heww Em ümmer för en ihrlichen Mann hollen, äwer so'ne Ihrlichkeit in so'ne Ümstän'n! Hei kann nich von einen Dag taum annern kamen, un Hei giwwt ut eigenen Gewissen so'n Deil Geld taurügg, von dat eigentlich keiner weit, wo't henhürt?« – De oll Möller stickte sick äwer und äwer rod as en Füer an un kek up sin Stäwelsnuten. »Ja, Möller«, säd de oll Amtshauptmann wider, »dat is en besonderes Benemen von Em, denn von dat, wat hir passiert is, kann Hei kein Kundschaft hewwen; äwer dank Hei sinen Schöpfer, denn 't is mäglich, dat Em dit Stück dat Lewen redd't.«

De Gefohr, in de hei sick meinen müßt, dat unverdeinte Loww, wat em just so sacht ankamm, as wenn einer sick up en Lehnstaul dalset't, wo sin leiwe Fru en Nadelküssen henleggt hett, de Utsicht, dat hei mit Gotts Hülp ut desen slimmen Handel noch dörch en lütt Lock krupen künn, un dat hei dat all nich verdeint hadd, set'ten den ollen Möller hart tau. Hei stunn dor mit dalslagene Ogen un wrüng sick hen un her un dreiht sinen Haut dull un düller, endlich slog hei'n mit beide Hän'n tausam, dat hei ganz ut de Faßong kamm, un röp: »Hal de Düwel de ganze Franzosengeschicht un mi dortau,[97] Herr Amtshauptmann! Wenn uns' Herrgott gegen mi Gnad' för Recht ergahn laten will un mi ut dessen Trübsal helpt, denn will ick ok nich mit Ungerechtigkeiten gegen em bestahn. Ne, wat wohr is, is wohr! Un wenn min lütt Fiken nich west wir, denn leg dat entfahmte Franzosengeld in min Schapp un ick bammelt hüt abend an den Galgen.« Un nu vertellt hei de Sak.

»Möller«, säd de Amtshauptmann, as de Umstän'n vertellt wiren, »ick bün nich sihr för Dirns, Jungs sünd beter; Dirns sünd mi tau quarig; äwer mit Sin Fiken ...? Das ist denn eine andere Sache. – Möller, dat gereikt Em un Sin Fru tau 'ne Ihr, dat ji so'n Kind upfött hewwt. Möller, hürt Hei, wenn Hei mal wedder tau Amt kümmt, bring' Hei Sin Fiken mal mit; ick – dat heit, min Fru ward sick dortau freu'n. Ne, wat denn? – Un nu nem Hei dat Fellisen un drag Hei dat runner nah den Rathus' un mell Hei sick dor, denn de Franzosen warden dor woll all so'ne Ort Gerichtsdag hollen – ward dor ok nah sin! –, un frag Hei irst nah den Burmeister, dat is en wollmeinend Mann un kann ok Französch, un binnen korten ward ick dor sin, un, wat jichtens mäglich, ward ick för Em dauhn.« – »Schön, Herr Amtshauptmann! Mi is en ganz Deil lichter üm't Hart. – Un mit de anner Geschicht, mit dat Pankrottspelen, meinen Sei ...?« – »Dat Hei en ollen Nahr is, sick in sinen ollen Dagen in noch mihr Widlüftigkeiten intaulaten.« – »Schön, Herr Amtshauptmann! Na denn adjüs!« Un dormit gung de Möller.

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 4, Rostock 1967, S. 93-98.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Olle Kamellen
Olle Kamellen III; UT Mine Stromtid Erster Theil
Olle Kamellen. De meckelnbörgschen Montecchi un Capuletti oder De Reeis' nah Konstantinopel.: Hoch- und Niederdeitsche Ausgabe. Auf einem Blick
Olle Kamellen: III -V. Ut Mine Stromtid (German Edition)
Sämmtliche Werke: Bd. Schurr-Murr. Eine Heirathsgeschichte. Olle Kamellen Iii: Ut Mine Stromtid, 1. Theil (German Edition)
Sämmtliche Werke: Bd. Hanne Nüte. Olle Kamellen Ii: Ut Mine Festungstid. Gedichte (German Edition)

Buchempfehlung

Anselm von Canterbury

Warum Gott Mensch geworden

Warum Gott Mensch geworden

Anselm vertritt die Satisfaktionslehre, nach der der Tod Jesu ein nötiges Opfer war, um Gottes Ehrverletzung durch den Sündenfall des Menschen zu sühnen. Nur Gott selbst war groß genug, das Opfer den menschlichen Sündenfall überwiegen zu lassen, daher musste Gott Mensch werden und sündenlos sterben.

86 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon