37. Dat Tausamenleigen

[100] In Meckelnborg wahnt mal en oll Majur,

En braven Mann sünst von Natur,

De ok en ihrlich Hart in'n Bussen drog,

Blot dat hei utverschamten log.

Un wenn hei denn so sine Kahr

Recht in den Dreck rin schaben hadd,

Dat hei nich rügg- noch vörwarts künn,

Denn rep hei sinen Kutscher rin:

»Johann, du kannst es mir bezeugen!«

De müßt denn wedder los em leigen.

Jehann, de hadd denn sine Last;

Hei log sick alle Näs' lang fast.

Jehann, de bed von Himmel bet tau Iren:

»Min leiwe Herr, Sei ward'n uns rungenieren,

Uns glöwt tauletzt kein Minsch nich mihr,[100]

Sei krig'n uns all all up den Strich;

Sei leigen wirklich alltausihr.«

De Racker let dat Leigen nich.


Eins hadd hei vele Gäst tau Middag hatt,

Un as hei nu so bi de Buddel satt,

Dunn gung dat Leigen wedder los.

»Na«, säd'e, »dat is doch kurjos,

Un up de Jagd is't männigmal tau arg,

Bi Parchen in den Sünnenbarg

Dor würd vör Jahr'n 'ne Driwjagd hollen,

Un ick was bi de Schützen mang.

Ick stunn ganz prächtig achter so en ollen

Un dichten Durnbusch, un't durt nich lang',

Dunn hadden sei en Hirsch herute drewen,

So'n Dirt het't noch mindag' nich gewen.

Grot as de grötste Wallach was dat Beist,

Un dorbi was hei jug so feist,

Dat, wo de Racker gung un stunn,

Man nahsten einen Fettplack funn.

Un as hei so irst in de Firn

Heranner kamm mit sin Gehürn,

Dunn was't, as gung en Ellerbusch spazier'n.

Na, ick hadd dunntaumal 'ne Flint;

'ne olle Flint, nich so, as jetzt sei sünd,

Mit Perkutschon un all dat anner –

Wenn ick de kreg an minen Kopp so ranner,

Denn lag ok dat, wonah ick schot,

Glik unner minen Füer dod,

As was dat man so runner hagelt.

Un mit Manchester was ehr Schaft benagelt.

De Flint, de was all olt, de Lop so dünn,

Dat man binah dordörch dat Pulwer seihen künn,

Un bi de Häunerjagd, dat letzte Johr,

Dor gung s' tau En'n denn ganz un gor;

Ick hadd mit ehr noch eben schaten[101]

Un wull sei just mi wedder laden –

So heww'ck mi nie verfirt in minen Lewen:

Von ehr was nicks nich äwrig blewen,

Bet up den Schaft; rein weg hadd sei sick schaten.

Na, dormals was sei schön noch in de Reih;

Un as de Hirsch so in de Dreih

Bi mi herümmer kamm,

Wo ick satt achter minen Durn,

Dunn tägert ick nich lang' un namm

Dat Beist ganz eklig up dat Kurn,

Un as sick just ümwennen wull de Racker,

Bautz! drückt ick up em los! – Dor lag'e!

Na, mine Herrn! Förwohr, ick mein,

Dat ick all männ'gen Schuß heww dahn,

Doch desen kann ick nich verstahn,

So'n Schuß heww ick mindag nich seihn.

Ick segg man, wat de Wohrheit is,

Un gaht mi mit dat Leigen weg!

Un wenn ick einmal segg: ick segg!,

Denn segg ick äwerst ganz gewiß –

In'n rechten Hinnerlop hadd hei de Kugel kregen,

Un dörch un dörch hadd mine Kugel slahn,

Dörch allens dörch, un bi den Bregen,

Dor was s' em wedder ruter gahn,

Nich alltau wid von't rechter Uhr.«


»Na«, seggt de ein von sine Gäst,

»Na, mit Verlöw, min Herr Majur,

So is de Sak doch woll nich west!«

»Dies geht mich doch etwas zu weit!

Dit kann'ck nich glöwen«, seggt de tweit.

»Ne, Herr Majur, dat segg ick mit,

Dat kann'ck nich glöwen«, seggt de drüdd.

»Ne, dit's denn doch tau dull!« seggt ok de virt',

»So'n Lägen heww 'ck mindag nich hürt!«

»Wat? Ick? Wat, ick sall leigen?[102]

Dor sall doch glik dat Wetter rinner slagen!

Ick lat mi glik den Hals ümdreigen!

Ick heww noch all mindag nich lagen.

Wo is Jehann? Hei sall herinner kamen!

Ji sällt mi doch nich alltausamen

För einen graben Lägner schellen!

De sall de Sak jug ok vertellen;

Hei was dicht an bi mi up Posten stellt

Un weit, wo sick de Sak verhöllt.«

Jehann kümmt rin. »Jehann, nu hür mal tau

Un segg de Wohrheit ganz genau.

Schot ick den Hirsch nich in den Hinnerlop?

Un föll nich glik dat Kreatur,

Ahn dat hei sick man rögt, tau Hop?

Un kamm de Kugel nich herut bi't Uhr?

Hest du den Schuß nich seihn dor vören?«

»Ja, mine Herren, dat will ick glik beswören,

Dat is gewiß!« seggt Jehann Möller,

»Min Herr, de schot; un as hei schot, dunn föll 'e.

Doch wo dat eigentlich is scheihn,

Dat künn hei sülwst so prick nich seihn;

Ick sach dat äwerst ganz genau,

Wo dat so kamm. So gung dat tau:

Seihn S', in so'n richt'gen halwen Düsel

Was woll de Hirsch all von dat Schrigen

Un von den Larm, un as hei ut den Dannenküsel

Up uns herute kamm, dunn würd hei sihr bedenklich,

Denn hei würd uns tau seihen kriegen.

De Sak, de würd em nu verfänglich:

'Ick weit nich', dacht'e, 'wat ick dauh?

Hir achter laten s' mi kein Rauh,

Un vör mi stahn sei mit de Scheit,

Sei ward'n am En'n mi doch beluren!'

Un dorbi kratzt hei sick, sihr in Verlegenheit,

Mit sine Klaben acht're Uhren.

Un noch was hei nich kamen taum Besluß,[103]

Dunn schot de Herr Majur,

Un dorvon kamm't, dat em de Schuß

Satt in den Hinnerlop un achter't Uhr.

So hett min Herr den Hirsch dor schaten,

Un so ist' wohr, Sei kän'n sick d'rup verlaten.«


De Gäst, de schüddelten den Kopp:

»Der Kerl, der lügt uns doch zu grob!«

De oll Majur, de säd noch mal: »Ick segg,

Un wenn ick segg, denn hett dat sinen Grund!«

Doch sine Gäst, de was dat doch tau bunt,

Sei führten einer nah den annern weg. –

As Herr un Kutscher sünd allein,

Dunn seggt Jehann: »Dit hadd uns bald bedragen,

Sei leigen äwerst ok tau wid von ein,

Ick bidd Sei blot mal: Kopp und Bein!

Dat krig ick ok nich mihr tausamen lagen.«

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 2, Rostock 1967, S. 100-104.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Pascal, Blaise

Gedanken über die Religion

Gedanken über die Religion

Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.

246 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon