46. Wat einer hett, dat hett'e

[139] »So lang', as ick noch Ogen heww taum Seihn,

So lang' lat ick mi noch kein Näsen dreihn,

So geiht dat noch nich los«, seggt Bur Päsel,

»So'n Schapskopp meint, ick bün en Esel;

Ick sall em Geld up Zinsen leihn,

Un up'n Harwst will hei mi't wedder gewen.

Ja! Wer en Nar doch wir, em dat tau glöwen.

Oll Päseln führt man so nich an.

Ne, Vadder Voß, wenn ick di raden kann,

Tau so'ne Wippken un Mafäuken,

Dor möst di einen dümmern säuken,

De mag di hunnert Daler leihn.[139]

Ick lat mi keine Näsen dreihn!

Wat einer krigen sall, dat liggt noch sihr in'n Widen.

Wenn einer klauk is, denn befött'e

Sick mit so'n Saken nich in desen slichten Tiden,

Min Spruch, de is: Wat einer hett, dat hett'e.«


Dit wiren Päseln sin Gedanken,

De hei so halwlud vör sick spreckt,

As hei den Fautstig gung entlanken,

De an de Wisch sick rümmer treckt.

Dat was tau Frühjohrstid: de Strom, de hadd sick dämmt,

De ganze Grund was äwerswemmt;

Dat Water, dat kamm up en Stoß,

Ret Weg un Steg un Brüggen los,

Hadd Schünen, Hüser runner smeten

Un Veih un Minschen mit sick reten.

»Ne! Wat so'n Volk doch dämlich is!

Sick an dat Water antaubugen!

Je, ick! Ick süll dat Water trugen?

Ne!« seggt oll Päsel, »dat's gewiß:

Kein viruntwintig Pird, de tögen

Mi an dat Water ran; ick bliw hübsch up'n Drögen.«

Un as hei noch so redt un deiht

Un äwer't Water räwer süht

Nah eine olle Ellerwrit,

De midden in dat Water steiht,

Dunn is em't so, as ded sick dor wat rögen.

»Wo, Dunnerwetter! Kik einmal!

Dat is en Has'! De Düwel hal!

Wo's't mäglich! Ne! – Ne! süh dat Dirt!

Dat Ding, dat is en Wagstück wirt.«

En Kahn was ok denn bald tau Hand,

Un hei stött lustig af von't Land

Un lett dat Räuder düchtig trecken.

»Täuw, du sallst her! Du sallst mi smecken!

Di hal ick mi! Kumm, Häschen, kumm![140]

Sei holl'n mi all vör gruglich dumm!

Je, ick bün klauk; paßt ji man acht!

Wer lacht tauletzt, am besten lacht.«

Hei räudert forsch, un nah 'ne korte Tid

Is hei ok bi de Ellerwrit.

De Has' is sin, wo kann dat anners sin?

De Sak is klor as Botter an de Sünn;

Hei liggt binah all in sin Schörtel.

Hei springt nu up den Hasen in,

Hei springt un dröppt 'ne Ellerwörtel,

Un baff! dor liggt de stiwe Buck.

De Kahn, de kriggt en lütten Ruck,

De Has' flitscht weg un rinner in den Kahn,

De Strom hett ok dat Sine dahn;

De Kahn driwwt af, un wat geschüht?

De Has' driwwt an dat Land; de Bur sitt up de Writ.

»Wo? Dit is doch!« seggt Päsel, »wer künn dit woll denken?

Dor sitt dat Dirt an't Land un makt sin Männken;

Dor löppt hei hen, un ick möt kuschen

Un sitt hir liksterwelt as Exzellenz bi Buschen,

Sitt wunderschön hir up den Drögen.

Wenn dit min Nahwers so tau weiten kregen

Un wenn sei mi hir sitten segen,

De glöwten schir, ick wir en Dummerjan

Un hadd bi'n Dämlack Paden stahn

Un Däskopp wir min liwlich Vetter.

Nu sitt ick hir un kann mi schön wat pipen!

Ne! Geld up Tinsen dauhn un Hasen gripen,

't is all egal: Wat einer hett, dat hett'e.«

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 2, Rostock 1967, S. 139-141.
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