[Kavallerie-Parade]

[Paris]


Es war eine kühne Bestürzung, zu sehen, wie leicht sich das lenken ließ. Der General, mit seinen beiden Adjutanten, hatte vor dem Invalidendom Stelle gefaßt, und rechts von der gare herüber, bog es beständig in ganzer Breite ein. Der Kommandant, vorreitend, nahm eine kurze Verständigung mit dem Oberbefehlshaber, oft aber genügte auch nur ein Wink, und das Bewegte, Vielfältige begriff und nahm leicht und schwingend eine neue, ihm hell-offene Bahn.

Die Lanciers flimmerten heran, rasch, hurtig, dicht aneinander, auf den kleinen herdenhaft verträglichen Pferden. Unten ging die frohe, frühlingliche Erregung der Tiere in der Masse auf, ununterscheidbar; ihr Feinstes aber kam, einzeln, oben in den kleinen[1139] Wimpeln der Lanzen zu sich, schwang, schwebte, zitterte aus. Und was sie ausgaben, ward ihnen gleich ersetzt von der Frühlingsluft, die entzückt schien, mit hundert erhobenen freien lustigen Dingen umzugehn. Das trieb heran, schimmerte, wirbelte vorbei, als würde ein Frühling, junge Wälder, Bänder, der Gang der Bäche, zu schnell gespielt, hätte nicht Zeit zu sein. Und kaum ließ mans los draußen in der davon aufgeblühten Avenue, – sieh: da drängte schon dort, als öffnete sich ein Bergwerk des Lichts, die Brüstung der Kürassiere vor, schwerer, verhaltener, mühsamer. Zögernd nahmen sie ihre Wendung und strömten stark in die Richtung des Winks. Ihnen voran das Trompeterkorps, wie der Mund aus dem dieses gewaltige Geschöpf seinen langen Atem ausstürmen würde; der Blitz der plötzlich erhobenen, in langsam entschlossenen Bogen angesetzten Trompeten zeichnete sich deutlich ab vor der Spannung; tausend zerstreute Geräusche, die sich nicht kannten, verstanden sich, traten zurück, waren nur noch Hintergrund für den bevorstehenden Ton. Immer ergriffener nahm man den Hut vor den Fahnen ab, die vorüberkamen; mir fiel später ein, daß ich an jenem Morgen nur zwei Tote gegrüßt hatte (Jungverstorbene unter weißen Bahrtüchern) und sieben Fahnen. Ich war stolz auf meine Bekanntschaften.[1140]

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 6, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 1139-1141.
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