[250] Teutschland in Gestalt einer ansehnlichen Leidtragenden Königin / schwartz bekleidet / gehet auf mit Wahremund / einem gleichfals ansehnlichen unnd auf gar altfränckische Art bekleideten Priester. Wühterich stehet unterdessen mit seinen drey Gefangenen auff einer Ekken deß Schauplatzes.
TEUTSCHLAND. Mit überaußgrossen Mitleiden hertzliebster Wahremund / haben wir hinter jenen Bäumen angehöret / ein erbärmliches Klaglied absingen / welches Liedes Jnnhalt ein sehnliches Verlangen nach dem alleredelsten Friede / der uns nunmehr eine so geraume Zeit hat verlassen / genugsam zuverstehen gibt / sage mir aber / mein getreuster Wahremund / was doch dieses immermehr für Leute seyn mügen / welche / ihrem Klagen nach / so viele unmenschliche Grausamkeiten müssen erleiden /[250] und deßwegen die Wiederbringung deß edlen Friedens so hertzlich wünschen und begehren?
WAHREMUND. Ohn allen Zweifle! sind diese / O allergnädigste Königin / eben deine eigene teutsche Untersassen / und so viel ich auß dem jetzt angehörtem Gesänge mercken können / so sind es die drey Häubtstände deines großmächtigsten Reiches / als der Geistliche / Weltliche / und Hauß-Stand / welche sich gleich itzt sehr schmertzlich haben beklaget / daß die Diener Gottes / Lehrer und Prediger / wie denn auch Fürsten / Obrigkeiten und Regenten / benebenst den Bürgern / Handelsleuten / Handwerckern / Ackersleuten und anderen Landsassen von deß Blutdürstigen Mars lieben getreuen / dem Wühterich / äusserst verfolget / geschlagen und geplaget / ja biß auff den Grund verderbet werden.
Unterdessen daß Teutschland und Wahremund mit einander reden / tritt Wühterich ein wenig von dem Spielplätze / als aber Wahremund hat außgeredet /da fahen Die Drey Gefangene den letzten Satz ihres Liedes wiederüm an zu singen.
Laß / O Himmel / unser Klagen
Steigen auff in dein Gezelt /
Und vernimm die schwere Plagen /
Welche Mars uns hat bestellt /
Steure dem / der uns gefangen /
Der die Teutsche Stände plagt /
Komm' O Friede schönste Magd /
Und erfüll' uns das Verlangen!
[251]
TEUTSCHLAND. Ach Wahremund / sind diese nicht meine liebe getreue Unterthanen? Sehe ich nicht in diesem elenden Jammer-Spiegel die traurige Beschaffenheit meiner untergebenen Lehrer und Prediger / Fürsten und Edelleute / Bürger und Bauren? Ach deß elenden Zustandes!
WAHREMUND. Freilich ja / gnädigste Königin / sind es eurer Majestät hochbetrübte Unterthanen / welche der unversöhnliche Mars durch diesen grausamen Wühterich schon dreissig gantzer Jahre dermassen erbärmlich hat jagen / schlagen und plagen lassen.
DIE DREY GEFANGENE zugleich auf ihren Knien liegende. Ach Mutter Teutschland / allerliebste Mutter Teutschland / erbarme dich über deine elende Kinder / und hilff uns doch dermaleinst aus diesem übergrossen Drangsahle!
TEUTSCHLAND. O ihr meine liebe Unterthanen / O ihr meine Hertzwerthe Kinder und Stände / wie hertzlich gerne wolt ich euch nicht allein mit tröstlichen Worten / sondern auch mit der That selber behülfflich seyn! Mein treues Mutterhertz bricht mir schier in meinem Leibe / daß ich euch in solchem Elende und grosser Kümmerniß für meinen Augen muß sehen! Ach aber / mein Unglück ist so groß / daß ich noch zur Zeit mir selber nicht weiß zu rahten / hilfft euch GOTT nicht / so weiß ich in Warheit euch nicht zu helffen / der Himmel wolle sich über euch in Gnaden erbarmen.
DIE DREY GEFANGENE. O Mutter Teutschland / du grosse Königin / müssen wir denn itzo so gar trostloß von dir scheiden? Jst es immer Menschlich und müglich / so hilff uns doch bald / und wende dein liebes Mutter Hertz ja[252] nicht von uns / ach leiste uns kräftigen Beistand / ehe und bevor der grimmige Wühterich (dessen Widerkunft wir alle Augenblikke erwarten) unsere Marter widerhole / und uns gar in den Abgrund deß Verderbens stürtze.
WAHREMUND. Nun / nun / ihr liebe Teutsche / ich bitte und ermahne euch gantz fleissig / stellet doch euer Hertz in Ruhe unnd seyd eine kleine Zeit zu frieden / betet und seufftzet auß einem bußfertigen Gemühte zu dem / der im Himmel sitzet / und gläubet nur sicherlich / daß alsdenn die Hüllffe und eure Erlösung nicht lange mehr aussen bleiben werden.
DER GEISTLICHE. Ach! das helffe uns die Barmhertzigkeit deß grossen Gottes / der Himmel sey und bleibe uns allen gnädig!
DIE ANDERE BEIDE GEFANGENE. Amen / Amen / Amen.
WÜHTERICH / komt gleich schnaubend und brüllend wider herfür / hält eine rauchende Tabackpfeiffe im Maule / und ruffet mit lauter Stimme. Was habt ihr Bestien allhie viel zu klagen und zu schreien? Was wünschet ihr untereinander? Was ruffet ihr Amen / Amen. Aber sihe da / ich halte es gäntzlich dafür / ihr habt euch mit diesen schönen paar Volckes in meinem Abwesen unterredet? Ei der feinen Geselschafft! Ei des anmühtigen Gespräches! hätte ich Zeit / ich wolte der alten Donnerkatzen mit ihrem Pfaffen den Danck mit der Peitschen dafür bringen / Aber ich muß euch das Gelag zerstören / und einen andern Tantz mit euch anfangen / Er schlägt auff die Gefangene tapffer widrüm loß. / Fort / fort / ihr Hunde / geschwinde trollet euch wider fort / oder ich werde euch allen die Hälse brächen. Die Gefangene ruffen mit kläglicher Stimme. Ach Mutter Teutschland / Mutter[253] Teutschland / dem höhesten GOTT zu hundert tausend mahlen befohlen / der wolle sich unser aller in Gnaden erbarmen / Ach Mutter Teutschland! Mutter Teutschland!
Teutschland unnd Wahremund stehen und seufzen /ringen die Hände / und thuen über die masse kläglich / unterdessen ruffet.
WÜHTERICH. Ja Mutter Teutschland / warüm nicht: Mutter Franckreich oder Mutter Engelland? Seid ihr Teutschen / so muß ich euch üm so viel fleissiger peitschen / Teutschen / peitschen / Teutschen / peitschen / Teutschen / peitschen / fort / fort / ihr Hunde / fort! Er gehet ab mit seinen Gefangenen.
Buchempfehlung
Die Geschichte des Gaius Sempronius Gracchus, der 123 v. Chr. Volkstribun wurde.
62 Seiten, 4.80 Euro