[318] Wahremund in langen geistlichen Kleidern /Wolraht / als ein Königlicher oder Fürstlicher Rath / nach ihnen komt Mars / und mit demselben Staatsmann.
WAHREMUND. Jst es glaublich und müglich / Wolrath mein Freund / daß sich Mars so gar eiferig bemühet / den verfluchten Krieg fort zu setzen / und den herannahenden edlen Frieden in Teutschland zu verhindern?[318]
WOLRAHT. Es ist leider mehr denn all zu waar / mein hochgeliebter Herr Wahremund / daß der ruchlose Mars sich kein Ding unter der Sonnen so fleissig und ernstlich anlegen seyn lässet / als wie er seine blutige Kriege an allen Orten der Welt / sonderlich aber in Teutschland beständig erhalten / und unsere allerliebste Königin ferner auff das eusserste plagen / ja biß auff den Grund möge verderben.
WAHREMUND. An seinem guten Willen habe ich niemahlen gezweifelt / was er aber für Mittel habe / den so nahe herangebrachten Frieden zu hintertreiben / und wiederumb rukstellig zu machen / solches würde ich vielleicht schwerlich können errahten.
WOLRAHT. Freilich / Herr Wahremund / kan es der jenige / deme seine Anschläge unbewust sind / nicht leichtlich errahten / ich aber habe sein jetziges Vorhaben (ihme zwar gantz und gar unwissend) auß seinem eigenen Munde gehöret und verstanden.
WAHREMUND. Ey Lieber / er lasse mich auch doch etwas davon vernehmen / in Betrachtung wir dieses Orts ja gantz allein sind / zu deme auch wir beyde / ich zwar als ein Geistlicher und Kirchendiener / der Herr aber als ein Weltlicher und Hoffrath / eine Königin / nemlich das großmächtigste Teutschland / mit redlichem Gemühte bedienen.
WOLRAHT. Er redet dieses Falles die Warheit / mein liebster Herr / und sehe ich keine Ursache / warumb ich diese Geheimnissen (welche ich an einem verborgenem Orte von ihnen unvermerckct / mit Verwunderung angehöret /) für dem Herren solte verschwiegen halten / mag er demnach wissen /[319] daß vielgedachter blutdurstiger Mars den grossen Verkehrer und Verderber aller guten Regimenter und Herrschafften / den leichtfertigen verfluchten Staatsmann / welchen die Lateiner Ratio Status heissen / zu seinem geheimesten Rath nunmehr hat angenommen und bestellet / da habe ich nun Wunder über Wunder gehöret / was ihm derselbe für listige / gefährliche / und hochschädliche Anschläge gegeben / unter welchen auch dieser gewesen / daß er eine gantz neue Rüstung / Waffen und Schwerd solte machen lassen / darauff müsten mit grossen güldenen Buchstaben nur diese zweene / weitaussehende Wörter stehen / nemlich Religion auff der rechten / und Freyheit oder Libertas auff der lincken Seiten / und hat ihn der Staatsmann versichert / daß / wenn er sothane Rüstung mit besagten beyden Wörtern (welche gar stark und unaußleschlich in dieselbe müsten gegraben oder vielmehr geetzet werden) nur stets über dem Leibe tragen / und selbige zu rechter Zeit den Teutschen in die Augen würde schimmeren lassen / sie alsdenn keinen Frieden begehren / sondern den Krieg nochviele Jahre allerseits fortzusetzen von Hertzen wünschen / und suchen würden. Sehr viel andere Rathschläge hat mehr besagter Staatsmann dazumal dem Eisenfresser Mars mitgetheilet / welche ich dem Herrn ins künfftige offenbaren werde / zu diesem mahle erwarte ich nur besagten Mars Anherokunfft / denn er dem Staatsmann versprochen / bald an diesem Orte zu erscheinen / um ferner von ihme zu vernehmen / auff was Art und Weise der auffwachsende Friede zu unterdrucken / und das halbtodte Teutschland durch die Kriegerische Waffen ins künfftige zu quälen / ja gar unter die Erde zu bringen.
WAHREMUND. O des hinterlistigen Achitophels! des durchtriebenen Weltfuchses! des unglücksuchenden Staatsmanns![320] hat er denn noch nicht lange genug die Religion und Freyheit zum Deckmantel aller geführten Kriege / und in demselben so vieler begangenen gefährlichen Boßheiten offentlich mißbrauchet? Soll man dieselbige nun noch endlich gar auff die Rüstungen und Waffen schreiben? Aber was hilfft es. Seine betriegliche List und listige Betriegligkeit ist nicht außzugründen / Mars und Staatsmann gehen auff. und kan ich leicht erachten / daß er dem Mars noch viel andere Anschläge von weit höherer Beschaffenheit an die Hand habe gegeben / nun GOtt wird ihn stürtzen.
WOLRAHT. Dem ist nicht anders / aber stille / stille / laß uns eilig etwas an die Seite treten / sie sind schon da / wir wollen uns ein wenig in diese Ecke verbergen / um zu hören / was der Staatsmann doch noch weiter für Praktiquen dem Mars an die Hand geben werde?
MARS. Sehr angenehm ist mirs / mein vielgeliebter Staatsmann / daß du mir den sonderbaren Gefallen erweisen und deinem versprechen zu Folge dieses Ortes hast erscheinen wollen / mich ferner zu unterrichten / auff was Art und Weise die in Westphalen neuangestellete Friedenstractaten zu hintertreiben / und meine bißhero fast durch die gantze Welt berühmte und ritterlich geführte Kriegs-actiones wider Teutschland weiter fortzusetzen?
STAATSMANN. Gnädigster Herr / daß ich in Unterthänigkeit anhero komme / euer Excellentz ferner beyrähtig zu seyn / wie und welcher gestalt der Teutsche Krieg in gutem Vigor möge erhalten werden / solches erfordert meine Schuldigkeit / und hat mir Euer Excellentz in diesen und andern ihren affairen kühnlich zu commendiren.[321]
MARS. Wir bedancken uns dieser Offerten halber gnädigst / und werden es mit hoher Gunstbezeigung gegen deiner Person (als durch welcher zuthun und inrahten alle Kriege dieser Zeit klüglich und nützlich müssen geführet werden) Zeit unsers Lebens hinwieder zu demeriren / uns eusserstes Fleisses angelegen seyn lassen. Aber / sage mir / mein getreuester Staatsmann / wie gefält dir diese neue Rüstung / ist sie auch recht nach deinem Sinne zugerichtet / und mit den beyden herrlichen Scheinwörtern der Religion, und der Freyheit sattsam verwahret / und zur Genüge versehen?
STAATSMANN. Aller unüberwindlichster Mars / so viel die neugemachte Rüstung betritt / so muß ich in Warheit bekennen / daß selbige dermassen fleissig ist außgearbeitet und zugerichtet / daß ich nicht sehe / auff was Art oder Weise selbige zu verbessern / ich habe aber dem Handel etwas reifflicher nachgedacht / und befinde / daß es mit sothaner Rüstung allein (wiewol dieselbige biß anhero an theils Orten hochnöhtig gewesen / bey vielen auch noch biß auff diese gegenwertige Stunde ein treffliches Ansehen hat) bey den nunmehr schlauen / und mehrentheils hochverständigen Teutschen dahin noch nicht kan gebracht werden / daß sie den blutigen Krieg in ihrer Ländern zu continuirn sich solten überreden lassen / mein Gnädigster Herr / dieses will es ihm allein nicht thun / Staatsmann muß auch noch auff andere Griffe bedacht seyn / Er muß andere Mittel hervor suchen / krafft welcher Euer Excellentz rühmliches Vorhaben könne effectuiret und ins Werck gerichtet werden.
MARS. Mein Staatsmann / ich habe dieser meiner mit Religion und Freyheit außgezierten Rüstung gar ein grosses zugeschrieben[322] / verspüre aber auß deinen Discursen, daß du noch andere und vielleicht wichtigere Consilia führest / ersuche dich demnach gnädigst / du wollest mir selbige offenhertzig communiciren.
STAATSMANN. Gnädigster Herr / es ist nicht ohne / daß ich mit vielen andern und höhern Consiliis ümme gehe / als man ins gemein durch gantz Teutschland sich einbildet oder davon gläubet / derer etliche und zwar die weniger gefährliche / ich Euer Excellentz mündlich zu eröffnen gantz und gar kein Bedenken trage / die geheimere aber und mehr angelegenere will ich derselbigen mit dem allerehesten schrifftlich zustellen / zumahlen dieselbige ihrer Weitläuffigkeit halber besser auß dem Papier / als der Rede können vernommen werden / immittelst werde ich es versuchen / sie alle dergestalt anzubringen / daß Euer Excellentz rühmliches Propos seinen gewünschten Zweck möge erreichen.
MARS. Wolan denn mein Freund / so offenbare mir doch nur etwas / auff daß ich mein Feuerbrennendes Kriegwünschendes Hertz und Gemühte nur ein wenig contentire, denn ich nicht ehender kan ruhen / biß ich einige Mittel sehe / durch welche der Krieg in Teutschland eiferigster massen könne und möge fortgesetzet werden.
STAATSMANN. Es ist unstreitig / allertapfferster Mars / daß ich / der so weltberühmte Staatsmann / an allen Höfen der gantzen Christenheit in hohen Respect und Ansehen bin / sonderlich aber habe ich mich eine Zeit hero bey den mächtigsten Fürsten in Teutschland dermassen angenehm und bekandt gemachet / daß ich nicht zweiffele / sie meine Rathschläge[323] nicht allein gut heissen / sondern auch denselbigen zu folgen / kein Bedencken werden tragen. Es ist zwar in der Warheit also beschaffen / daß sie fast alle ein hertzliches Verlangen nach dem Friede tragen / und schier anders nichts als Friede Friede / auß vollem Halse schreyen; Aber da muß man ihnen mit scheinbaren Argumenten und Gründen fleissigst remonstriren / daß ihnen nichts schädlichers / nichts nachtheiligers / ja auch nichts schimpfflichers / als eben der Fried / im Gegentheil nichts zuträglichers / als die Fortsetzung oder Continuirung des Krieges könne begegenen oder widerfahren / insonderheit erachte ich es für hochnöhtig / daß man die kriegende Partheien überrede / man müsse den Krieg so lange mit allem Ernst und Eifer handhaben / biß daß ein Theil das ander gäntzlich zu Grunde gerichtet / und über dasselbe so wol zu seinem höhesten Nutzen als auch ewigwährenden Ruhme herrlich triumphiret habe.
MARS. Jch schwehre bey allen Höllischen Furien / mein getreuester Staatsmann / daß dieser Anschlag sehr gut / scheinet auch / daß derselbe von dir gar leicht könne practisiret werden.
STAATSMANN. Daran zweifele ich zum wenigsten; Eure Excellentz aber höre mich nur ferner / man muß der Sache noch etwas näher tretten: Es ist ausser Zweiffel / daß bey herwiederbringung des Friedens alle Teutsche Stände auch eine überaußgrosse Summa Geldes werden zusammen bringen / und zu Erstattung der unglaublichen Kriegeskosten contribuiren müssen. Da will ich nun vorgedachten Ständen / Fürsten und Reichstätten zu Gemühte führen / wie daß es ihnen unmüglich fallen werde / derogleichen Summa Pfenningen[324] von ihren / nunmehr biß auff den äussersten Grad außgemergelten Unterthanen zu extorquiren. Es hat der Krieg den allergrössesten Reichthum von Teutschland consumiret und hinweg genommen / und der bevorstehende Friede soll nun den Rest nachhohlen? so wird end lieh den sämptlichen Jnwohneren gar nichtes übrig bleiben / denn nichts von nichts abgezogen / bleibet nichts. Dagegen / wenn sie den Krieg ernstlich fortsetzen / so wird es an Gelde nicht leicht mangeln; Hat Teutschland nunmehr gantzer dreissig Jahre dem großmächtigesten Mars contribuiren können / was solte daran fehlen / daß es solche Contributiones zum wenigsten nicht so lang continuirte / biß das eine Theil das ander vollenkömlich zu Grunde gerichtet und sich über gantz Teutschland zum Herren und Meister gemacht hätte? Was gilts / gnädigster Herr / ob nicht bey ponderirung dieses raisonablen Schlusses / die Friedewünschende Teutsche gar bald andere Gedanken werden fassen?
MARS. Jch kan deine Scharffsinnigkeit und hohen Verstand nicht gnugsam erheben / O du mein getreuester Staatsmann / ich bitte dich / fahre fort / deine Anschläge / welche du zu Fortsetzung des Krieges hast ersonnen / mir ferner zu eröffnen.
STAATSMANN. Ob wol die Zeit gar kurtz / meine An- und Rahtschläge aber eine Eilfertigkeit und unnachlässige Resolution erfoderen / so muß ich jedoch euer Excellentz billich in Unterthänigkeit gehorchen. Mag sie demnach wissen / daß ich ferner mit nachdenklichen und durchdringenden Worten die teutsche Stände werde erinnern / wie daß[325] an Wiederbringung des Friedens / die gäntzliche Ruin und das äußerste Verderb vieler tausend hochverdienter Soldaten hänge: Diese euer Excellentz wolgezogene Kinder / welche theils auß hohem und edelen / theils auß schlechten und geringem Stande sind entsprossen / haben grösseren theils anders nichtes gelernet / als ihre Nahrung mit dem Degen suchen und ihres Lebens Unterhalt im Kriege erwerben. Was sage ich aber von der gemeinen Burß? Lasset uns so viele hohe Officirer und tapffere Helden betrachten / die nunmehr gewohnet sind / so wol im Felde / als in den Guarnisonen sich auff das delicateste tractieren zu lassen / wie denn ihre schwehre Travaillen solches auch sehr wol verdienen / wenn nun aber Friede wird / wer wil ihnen alsdenn dergleichen etwas bringen? Unterdessen müssen solche vornehme Kavallier gleichwol leben und sich mit Essen / Trinken / Pferden / Kleidung und Dienern ihrem Stande gemäß verhalten / da muß man nun ferner den teutschen Ständen remonstriren / wie gefährlich und beschwehrlich es ihren sämptlichen Länderen und Herrschafften / ja dem gantzen Reiche fallen würde / wenn so viele hohe und vornehme Officirer / ihrer Chargen enturlaubet / aller Lebensmittel beraubet / dabenebenst auch so viel tausend gemeiner Soldaten gäntzlich solten cassiret / und so wol als ihre Officirer äusserst disgoustirret werden. Es bedenkens doch nur die Teutsche Fürsten und Stände / was endlich sothane Officirer sollen anfangen und beginnen? Deß Betteins müssen sie sich ja schämen / und das Arbeiten wird ihnen auch nicht wol anstehen. Sollen sie denn Gastwirthe[326] oder Krüger geben / welche den reisenden Leuten die Pferde fütteren und den Gästen zu Tische dienen? Das stehet für solche vornehme Kavallier ja gar schimpflich / noch viel schimpflicher aber / wenn sie sich für Schäfer / Kühe- oder Schweinhirten müsten bestellen oder gebrauchen lassen / welches doch endlich mit manchem wird geschehen müssen. Ja wie leicht könten die gemeinen Soldaten einen neuen gefährlichen Auffruhr oder Lärmen in Teutschland anrichten / alles hinweg nehmen / brennen / und rauben was sie nur vor sich finden / wenn sie hinführo nicht mehr zu leben haben? Derowegen soll und muß Teutschland alle seine Wolfahrt und Glükseligkeit einig und alleine in den Waffen suchen / Krieg ist für Teutschland das allerbeste / und wil ich nach allem meinem Vermögen dazu helffen und rahten / daß der Friede auff ewig möge verjaget und auß Teutschland gäntzlich bannisiret werden.
MARS. O des hochvernünfftigen Staatsmannes! O des unvergleichlichen Rahtgebers! O des übertreflichen Soldatenfreundes! Wie kan ich doch dein wolmeinendes Hertz gnugsam erheben? Frau Mißtrau gehet auff. Aber sage mir mein allerliebster Freund / hast du auch etwan noch andere Vorschläge mehr / derer du dich in Forsetzung meiner Kriegerischen Actionen künfftiger Zeit nützlich vermeinest zu bedienen?
STAATSMANN. Freilich habe ich deroselben noch mehr / und zwar so bestehen dieselbe nicht in blossen Worten / Rahtschlägen und überredungen / sondern in der Thätligkeit selber / zu welchem Ende ich drey unterschiedliche Personen[327] habe anhero citiret / welche fürtrefliche instrumenta seyn werden / entweder unser Teutschland auffs neue mit einem grausamen Kriege zu überfallen und zu verwiklen / oder ja zum wenigsten die Einführung des Friedens zu verhindern / gestalt denn euer Excellentz von ihnen selber solches vernehmen werden / wenn sie sich nur eine kleine Zeit wollen gedulden.
MARS. Von Hertzen gerne / mein lieber Staatsmann / ich wil gar wol so lange patienz tragen / Er sihet Frau Mißtrau. Aber / was sehe ich da für ein wunderseltzames Weib mit zweien Angesichtern? Die kommt ja leident fremmd auffgezogen!
STAATSMANN. Gnädiger Herr / dieses Weibesbild heisset Fräulein Mißtrau / die Frantzosen nennen sie Madame Diffidence / sie ist eine von den dreien Personen / welche ich anhero gefedert / vermittelst ihrer / den Krieg in Teutschland unauffhörlich fort zu setzen / wir wollen alsobald mit ihr anfangen zu reden.
Buchempfehlung
Der junge Naturforscher Heinrich stößt beim Sammeln von Steinen und Pflanzen auf eine verlassene Burg, die in der Gegend als Narrenburg bekannt ist, weil das zuletzt dort ansässige Geschlecht derer von Scharnast sich im Zank getrennt und die Burg aufgegeben hat. Heinrich verliebt sich in Anna, die Tochter seines Wirtes und findet Gefallen an der Gegend.
82 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro