Der erster Auffzug.

[83] Der Friede tritt allein auff mit traurigen Antlitze und Gebehrden / fähet also an zu reden.


Nun du verblendetes elendes Teutschland / nun hast du endlich mich / dein allerhöhestes zeitliches Guht den edelsten Friede gantz muthwilliger weise von dir hinweg gejaget und vertrieben / und nun meinest du noch dazu / du habest die Sache sehr wol außgerichtet. Aber O grosse Blindheit! O schrekliche Sicherheit / durch welche du dich so gantz unbesonnener weise in das eusserste Verderben sturtzest / Ach Teutschland / was wärest du doch eine glükselige Königinn / als sich der Friede mit deinem unvergleichlichem Nutze bei dir auffhielte. Jch / Jch der Friede habe durch Gottes Gnade / Hülffe und Beistand erworben und zu wege is gebracht / daß das edle Wohrt des Lebens rein und lauter in Teutschland ward gelehret / daß hohe und niedrige Schulen darinnen blüeten / daß alle gute Künste / Sprachen und Wissenschafften immer höher stiegen / daß die Rahtstühle bei den Höfen und in den Städten wol bestellet worden / daß einem jeden Unterthanen Recht und Gerechtigkeit ward ertheilet / daß Fürsten und Herren glüklich regierten / grosse und kleine Städte wuchsen und zunahmen / Handel und Wandel sicher ward getrieben / der Adel mit Ehre und Ruhm / die Kauffleute und Bürger mit Gütheren /der Akkermann mit überflüssigem Auffenthalt ward beseliget / daß die Schiffahrt biß in die eusserste öhrter der Welt ward fohrtgesetzet / die Nahrung der Handwerker nützlich getrieben / der Feld und Gahrtenbau in seinem wesen erhalten / und schließlich alle Stände jhre anbefohlene Ämter und Arbeit in erwünscheter Ruhe und Sicherheit / ehrlich / frölich und nützlich / Gott zu Lobe / dem Nehesten zu seiner ersprießligkeit[83] und sich selber zuem besten / Ehre und Gühteren konten bedienen. Was wil aber nun geschehen? Wie wird es nun ferner daher gehen O du tolles und thörichtes Teutschland / da du deiner grossen Glükseligkeit fast gantz und gahr überdrüssig / den Frieden muthwilliger weise von dir hast hinaus gestossen? Das mag wol eine seh wehre Straffe von Gott seyn / der mir gantz ernstlich hat befohlen / daß Jch mich von dieser bösen unruhigen Welt erheben und zu Jhme in den allerherrlichsten und glükseligsten frieden und freuden Trohn des Himmels sol verfügen.

Mir zwahr wird über alle mahsse wol geschehen / aber O Teutschland / wie wil es dir ergehen? Wie wirst du dich so jämmerlich betriegen lassen von denen fremden Völkeren / welcher Kundschafft und Gegenwahrt du so sehr liebest / du hast schon angefangen mit Jhnen Freundschafft zu machen / aber / was gilts / es wird dich in kurtzer Zeit gereuen! Du setzest eben hiedurch dein prächtiges Haubt in sehr grosse Gefahr / welches du doch über alles hättest ehren und lieben sollen. Alle deine Glieder werden nicht weiniger als das Haubt müssen herhalten und von den Fremden geplaget werden. Aber / was sol Jch dich viel beklagen / was sol Jch deine Unsinnigkeit ferner betrauren? GOtt hat diese Völker in seinem grimmigen Zorn beruffen / daß sie dir eben den Lohn sollen geben / welchen deine gottlose und üppige Thaten schon vorlängest haben verdienet. Ach Teutschland / es jammert mich dennoch deines bevorstehen-den Elendes / von Hertzen / unangesehen Jch mit schelten und schlagen von dir bin beuhrlaubet worden. Aber wozu hilfft mein klagen? Zeit ist es / daß Jch nach dem Willen des Allerhöhesten mich an den Ohrt der Freuden verfüge / und wenn es Jhme gefält / auff eine kurtze Zeit wiederum herunter komme / entweder Teutschlandes jämmerlichen Zustand[84] anzusehen / oder auch dem selben / dafern es rechtschaffene Reüe und Buhsse würket / mit Raht und Trost ins künfftige beizuspringen. Gehet ab.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 83-85.
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