Scena I.

[128] Philippus mit 2. oder 3. Dienern / darnach kommet Perseus.


PHILIPPUS. Nvn habe ich warlich grossen Fug vnd Vrsache / den vnsterblichen Götteren ewiges Lob / Preiß vnd Danck zu sagen / nach dem mir alle meine Händel / vnd was ich die gantze Zeit meiner Regierung über angefangen / so wol vnd glücklich von statten gangen: Dann nicht allein befinde ich / daß das Glück in diesem mir sehr gönstig vnd geneigt / daß ich ein gewaltiger Monarch vnd großmächtiger König so vieler vortrefflichen Reiche / Länder vnd Provincien worden bin / besondern / ich habe mich auch über das alles dessen zuerfrewen / daß ich solche meine gewaltige Königreiche vnd Herrschafften recht vnnd wohl kan regieren / zu meinem selbst eigenem Lobe / vnd meiner Vnterthanen besten vnd gedeilichen Wolfahrt. Benebenst solcher Königlichen Glückselichkeit / bin ich auch mit vielen anderen Güteren / so zu diesem meinem Königlichen Leben gehörig / von den Göttern zur genüge begäbet / Denn nicht allein sind meine Schätze vnd Rentkammeren mit einem grossen Einkommen von Goldt vnd Silber versehen / meine Zeughäuser mit notwendiger kriegsrüstung vnd Munition herrlich zugerichtet / meine Mahrställe mit dem allermuhtigsten Caballen vnnd Rossen erfüllet / meine Schlösser vnd Städte mit den tapffersten Soldaten besetzet; Besondern ich habe vnd halte auch an meinem Hofe die allertrefflichsten Leute / meine hochverständige Rähte / die aller klügeste Männer deß gantzen Königreiches Macedonien, alse rechtschaffene auffrichtige Favoriten vnd Diener / durch welcher[128] getrewen Raht vnd kluge Anschläge / ich meine Königreiche / Länder vnd Provincien recht vnd wol gubernieren vnd regieren kan. Wann ich anschawe meine beyde Königliche Printzen / hüpffet mir mein Hertz gleich vor Frewden / vnd möchte ich nunmehr nichtes so sehr vnd hertzlich wünschen / als daß jhre verstorbene Fraw Mutter vnd Königin / mein gewesenes allerliebstes Gemahl zu dieser Zeit mit jhren Augen möchte anschauwen / wie diese jhre hinterlassene Söhne / so lieblich in Reden / anmühtig in Gebehrden / freundtlich gegen jederman / verständig in Bürgerlichen Sachen / tapffer vnd vnerschrocken im Kriege erfunden werden / das ich mich so wol jhrenthalben / alse auch meiner gewaltigen Königreiche / Länder vnnd Provincien, grossen Reichtuhms vnd Freunde wegen / billich für den allerglückseligsten Potentaten der Welt mag schetzen. Eines nur ist übrig / welches mich in so grosser glück Seligkeit sehr hefftig beschweret / nemlich das grosse Glück / vnd der übermachte stoltz vnnd Hochmuth meiner abgesagten Feinde der Römer. Vnd warlich wann ich bey mir betrachte / was so wol mir als meinen Vorfahren für ein grosser Spott / Schimpf vnd Schaden von gedachten Römeren ist erwiesen / will mir mein Hertz vor grossem Vnmuth vnd Zorn gleich zerspringen / will mich derowegen alßdann erstlich für recht glückselig schätzen / wenn ich mich an solchen meinen Feinden auff das grausambste gerochen / vnd sie entweder mit gewalt oder list habe vberwunden.

Mich wundert zwar fast kein Dingk vnter der Sonnen so sehr / alse das fast alle Welt davor helt / das Römische Volck sey vnüberwindtlich / es könne vnd möge dasselbe niemandt vberweltigen / Jch aber bin viel einer andern Meinung / denn ob ich wol nicht möchte eine so grosse Kriegesmacht zu wegen bringen können / jhren Gewalt gentzlich zu dempffen / so wil ich doch so mancherley List vnd practiquen erdencken / daß mirs nicht wol fehlen soll / jhnen[129] jhren stoltz vnd Hochmuth redlich zubezahlen / doch muß ich mich vnter dessen gantz freundtlich vnd demühtig gegen sie stellen / damit sie ja nicht innen werden / was für seltzame Anschläge ich vorhabe / Perseus gehet ein. dann dieses Volck zuvberwinden / da gehöret mehr Verstandt alse Macht vnd Gewalt zu. Aber sihe da mein Sohn Perseus, ich muß doch vernehmen / wie sein Gemüth / Raht vnd Gutdüncken hierinnen beschaffen sein möge.

PERSEUS. Großmächtigster König / allergnedigster Herr Vater / die Götter verleihen E[wer] May[ estät] Gluck / Heil vnd langes Leben.

PHILIPPUS. Die Götter erfüllen diesen Wünsch geliebter Sohn / aber sage an / woher vor diesesmahl / was hat man gutes newes.

PERSEUS. Großmächtigster König allergnedigster Herr Vater / E[wer] Mäystätt weiß sich zweifels ohn zu entsinnen / was massen nach weinig tagen die General Musterunge vnd Heerschauwunge des Macedonischen Kriegesvolckes altem Gebrauch nach wird gehalten werden / alse habe ich im Königlichen Marstalle die reisige Pferde / so dazu nötig sein werden / besichtiget / damit alles bey Zeiten recht vnd wol versehen werde.

PHILIPPUS. Das ist sehr recht vnd wol getahn / es müssen die allgemeinen Herrschauwungen benebenst dem Rennen vnd Ritterspielen / wie es von Alters herbracht / mit allem fleisse vnd Ernst angestellet werden / damit vnser in Besatzungen liegendes Kriegesvolck / dem Macedonischen Gebrauch nach / durch schimpfliche Übungen / zu ernstem Gebrauch der Waffen zeitlich gewehnet werde / vnnd mann sich jhre Tapfferkeit in vorfallenden Kriegen zu nütze zu machen wisse; Denn du / mein Ritterlicher Sohn / zweiffele ich nicht / annoch wol eingedenck sein wirst / wie offt ich mir vorgesetzet die grosse Schmach / Hon vnd Spott / so mir von den hochmühtigen Römern erwiesen / dermahleins Heroisch zu rechnen / zu welchem Ende ich denn einen[130] grossen vnd herrlichen Voraht / von Korn / Proviant / Gelt / Munition, vnd sonderlich ein außerlesenes Kriegesvolck zu wege gebracht / mit welchem ich (so bald jennige Gelegenheit wird vorfallen) mein Vornehmen ins Werck zu richten gentzlichen gesinnet bin.

PERSEUS. Großmächtigster König / allergnedigster Herr Vater / ich bitte die vnsterbliche Götter / daß sie [Ewer] Maystätt zu solchem löblichen vnd Königlichen Vornehmen / alse einem rechtmessigen nützlichen vnd nothwendigem Kriege / alle gedeiliche prosperitæt, Heil vnd Wohlfahrt verleihen wollen / vnnd was denn meine Persohn betrifft / wünsche ich nichtes so sehr vnd hefftig / alse daß ich den Tag erleben möchte / an welchem ich mit meiner Faust / den Schimpff / Hohn vnd Schmach / meinem allergnedigsten Herren Könige vnd Vater erwiesen / auff das grausamste rechen / die hochmühtige Römer ernstlich zwingen vnd dempffen / vnnd durch Hülffe meines Schwertes dergestalt mich bezeigen möchte / das / daß das gantze Macedonische Volck jhre Frewde / Lust vnnd Ergetzligkeit daran habe vnd drage.

PHILIPPUS. Perseu mein Sohn / an deiner Tapfferkeit vnd Mannlichen Gemühte zweiffele ich gantz vnd gar nicht / weiß auch gewisse / du wirst benebenst deinem Bruder Demetrio die Ehre deß Macedonischen Königreiches deinem eussersten Vermögen nach beföderen helffen / vnd weil ich denn jetzo deinen Heldenmuth spühre / ey so wil ich auch desto freudiger vnd behertzter seyn / diesen gewaltigen Krieg vor die Hand zu nehmen / damit wir vns aber so viel besser dazu rüsten können / so soll vnnd muß solches vnser Vorhaben in grossem geheimb gehalten / vnd fast keinem Menschen offenbahret werden / denn dieses wird daß einzige Mittel seyn / durch welches wir das sichere Volck der Röhmer desto besser vnd geschwinder hinderlisten vnd überweltigen können.[131]

PERSEUS. Großmächtigster König / allergnedigster Herr Vater / E[wer] Königl[iche] Mayestät hat an meiner gehorsamen Treuwe vnd Auffrichtigkeit gantz vnd gahr nicht zu zweifelen / erbiete mich nochmahlen (wie ich denn solches ohne daß zuthun mich schüldig erkenne) deroselben mit Raht vnd Thatt Leib vnd Leben / Gut vnd Blut biß in den Todt zu dienen. Was aber meinen Bruder Demetrium betrifft / so weiß ich zwar nicht eigentlich / wie er in diesem Wercke gesinnet / bin aber doch fast der gäntzlichen Meinung / er trage an diesem vnserem Vornehmen gantz vnd gahr kein Gefallen / sintemahl er keine Nation in der weiten vnd breiten Welt so höchlich rühmet / alse eben der Römer / daß er auch sich gegen jhnen demühtiget vnd den Macedonischen Nahmen erniedriget / welches mich denn offt zum hefftigsten verdreust / daß er / auß Königlichem Geblühte geboren / ein solches verzagtes Hertz haben soll.

PHILIPPUS. Was höre ich Perseus, ist mein Sohn Demetrius ein solcher Gönner vnd Liebhaber deß Römischen Volckes vnd Nahmens / der sich auch fürchtet mit jhnen zustreiten? Solches hette ich warlich nimmer von jhm glauben dürffen: Doch ich muß mit jhm reden / auch zugleich Väterlich ermahnen / daß er alle vorgebliche Forcht auß seinem Gemühte schlage / er hat sich ja sonsten in Anschlägen / weiß vnd verstendig / mit der That aber / vnd der Faust / sehr fertig / Mannhafft / kühn vnd behertzt erwiesen. Aber wir wollen hinein gehen / zu sehen / ob vnsere Colonellen, die wir Volck zuwerben außgesandt / wiederumb ankommen / damit die schwache Regimenter verstercket werden. Gehen ab.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 128-132.
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