Scena IV.

[239] Poris, Alexander, Eudocia, wenn die todt / so kommen drey Gespenste / wenn die hinweg / gehen auff zugleich Didas, Lurco, Knapkäse / 2. oder 3. Soldaten.

Erstlich kommen Paris, Alexander, Eudocia zugleich herauß gelauffen / gantz erschrocken vnd bestürtzt ohne Hudt vnd Kragen / mögen kaum Ahtem holen endtlich fehet an zu reden.


PORIS. O Wehe / wehe über alles Weh / O der grossen vnerhörten Bößheit! O Perseu, Perseu, wenn wiltu doch endtlich auffhören / deine grausahme Tyranney / an denen / so dir niemahlen etwas böses oder vnbilliges wiederfahren lassen / zuerweisen! Ach Alexander mein hertzen Sohn / ach sage an / was haben wir für Raht vnd Trost / was für Hülffe haben wir in diesen grossen Nöhten zu hoffen?

ALEXANDER. Ach hertzliebster Herr Vater / die Noht ist leider dermassen groß / daß ich / was in diesem Vnglücke zu thun vnd vorzunehmen / durchauß nicht weiß zuersinnen. O wolte Gott / wolte Gott / daß wir jennige Mittel wüsten / dieser eussersten Todesgefahr zu entrinnen. Vnter diesem discurriren stehet die Eudocia über die massen trawrig.

PORTS. Ach hertzliebste Kinder / der redliche Fürst Antigonus meinet es mit vns hertzlich gut / nicht allein thät es jhm über die massen weh / daß wir so fälschlich beym Könige wahren angetragen worden / besonderen / er bemühete sich auch sehr / wie er vns auß der Gefahr vnd davon helffen möchte / aber es wahr jhm ein solches ins Werck zurichten ohnmüglich / denn die falsche Verleumbder vnnd Angeber[240] haben leider heutiges tages an der Potentaten vnd Könige Höfen alle Gewalt zu sich gerissen / daß auch die allerredlichsten vnd auffrichtigsten Hertzen kaum den Schatten eines Königlichen Favoriten behalten / wie auch solches klärlich an dem Printzen Antigono zuersehen / darumb war auch das sein eintziger vnd endtlicher Raht / daß wir mit der Flucht vnser Leben salviren vnd retten sollen / vnd bedüncket michs jetz selbesten / dieses werde daß allersicherste Mittel seyn / der vnerhörten Tyranney vnnd Grausahmkeit zu entrinnen.

ALEXANDER. Allerliebster Herr Vater / sintemahl es jhme also gefellig / alß will das beste seyn / daß wir die Flucht auff das schleunigste vor die Handt nehmen / vnnd zu vnseren Feinden den Athenienseren vns begeben / Nun wird in der Scena geschossen vnd getrummelt aber gahr sanfft / als sey es von ferne. denn ich nicht zweiffel / vnsere Wiedersacher werden sich augenblicklich vns nachzueilen vnterstehen. Aber horcht / was ist denn das? Warlich ein Trummelgereusch vnnd ein Schall geladener Mußqueten / doch halte ich davor / das es noch ziemlich ferne von vns sey / bin aber der gentzlichen Meinung / es seien die vom Könige deputirte, so vns gefenglich anzunehmen außgesendet worden.

PORIS. Warlich ich bin eben deroselben Meinung / ach was werden wir nun beginnen? Jch beförchte leider / leider / wir werden diesem grimmigen Tyrannen gahr nicht entfliehen noch entrinnen können.

EUDOCIA. Jn diesem grossem Elende vnd allereussersten Todesgefahr / hertzallerliebster Herr Vater vnd Bruder / höret doch auch noch einmahl gedultiglich ewre allerliebste Tochter vnd Schwester / von welcher wegen ein grosser theil dieser gegenwertigen Vnglückseligkeit euch entstehet vnd herrühret. Jhr höret ja vnd sehet / daß wir nunmehr in die[241] allergrösseste Gefahr / so vns jemahlen zu Händen stossen möchte / sein gerahten / euch ist ja nicht verborgen / wie vnmüglich es sey / jhren blutdürstigen vnd grimmigen Fäusten zuentgehen / jetz / jetz werden sie kommen / vns wie die Vbeltähter binden / hönen vnd schmähen / hernach aber ein erbärmliches Schawspiel auß vns machen / biß sie vns endtlich / wenn sie nun jhr Mühtlein genugsahm erkühlet / mit vnerhörter Marter vnnd Pein vom Leben zum Tode bringen vnd hinrichten. Diese Schmach / Verachtunge / langwieriges Leiden / vnd überauß herben Todt / können wir selber gnugsahm zuvor kommen / wenn wir nemblich jhrer Ankunfft nicht er wahrten / besonderen mit einer rechtschaffenen tapfferen Künheit / vnd behertztem Gemühte / selber vns davon helffen. Jr allerliebster Herr Vater / habet nunmehr so viele Jahr vnter den Kriegen vnd Zügen dem streitbahren Marti gedienet / mein Bruder hat auch in streiten Ehr vnd Ruhmbs genug erlanget / wollet jhr den noch verzaget vnd forchtsahm seyn? Daß will ich ja nimmermehr hoffen. Mir warlich hat es vorlengst geanet / mein Hertze hat mirs zugesaget / daz es ein solches Ende mit vns nehmen würde / darumb habe ich mir auch bey Zeiten einen vergiffteten Tranck zubereitet / der trutzigen Bößheit vnserer Tyrannen damit vor zukommen / dieses nun alß mein letztes Schlafftrüncklein will ich mir selber bringen / vnd dadurch meine Jungkfrauliche Seele hie in die Elysäische Felder schicken. Jhr Hertzliebster Vater vnd Bruder / habet ewre Schwehrter / die jhr eine so geraume Zeit wieder ewre Feinde mit so grossem Ruhm geführet habet / wie baldt könnet jhr damit ewre tapffere vnd mannliche Hertzen durchgraben? Erschrecket nicht vor einem so kleinen vnd geringen Schmertzen / vielmehr bedencket den grossen Ruhm vnd das vnsterbliche Lob / welches vns deßwegen nicht allein von vnseren Freunden vnd Gönneren / besonderen auch vnseren ärgesten Feinden wird nach geredet werden. Jch bin ein schwaches[242] zahrtes Jungkfräulein / noch denn fürchte ich den Todt nicht / ey seyt doch nicht verzagter alß ein Weib. Wolan / ich will den Anfang machen / ich will euch den Weg zeigen / ich will meine Seele vorn anschicken / daz sie der ewrigen die Stelle bereite / vnd dieselbe hernachmahls empfahe vnd willkommen heisse / vnterdessen wird vnser hohes Lob / durch die gantze weite Welt außgebreitet werden.

PORIS. Hertzallerliebste Tochter ob ich mich wol niemahlen ob des bleichen Todes grausahmkeit habe entsetzet / so bekenne ich doch frey vnd offentlich / daß deine Rede / O Eudocia, mich dahin gebracht / daß ich nunmehr denselben gahr nicht fürchte / sonderen bereit bin / benebenst dir gantz rühmlich von hinnen zu scheiden; Aber Alexander mein liebster vnd eintziger Sohn / wie hast denn du ein solches grausen vnd entsetzen ob des Todes Bittrigkeit / der vnß doch von allem Trübsahl vnnd Vngluck dieses elenden Lebens befreiet vnd erlöset.

ALEXANDER. Allerliebster Herr Vater / ich will ja nimmermehr verhoffen / daß mein Herr Vater / mich vor ein so vngerahtenes nichtswürdiges Kindt wird halten vnd schätzen? Wie könte ich doch jmmermehr Lust vnd Liebe noch lenger zu leben haben / wenn ich mit meinen Augen anschawen müste / den kläglichen / aber doch hochrühmlichen Abscheidt meines allerliebsten Vaters vnd Schwester? Mit nichten will ich dahinden bleiben / besondern zugleich mit den ewrigen Herr Vater soll mein junges Hertz den letzsten Stich des Todes empfahen / vnd diese Welt gesegnen.

EUDOCIA. Mitten in dieser grossen Noht vnnd schweren so Todesangst / erquicket mich doch hertzlich / daß ich spühre / wie bereit vnd willig jhr seydt beyderseits meinen gegebenen Rahtschlag ins Werck zu richten / vnd wie den[243] tapffersten Ritteren zustehet / gantz behertzet vnd muhtig von hinnen zu scheiden / darumb allerliebster Herr Vater / so lasset vns nun nicht seumen damit wir ja nicht denen die vns verfolgen vnd nacheilen zu theile werden.

PORIS. Du rahtest recht vnd wol / hertzallerliebste Tochter / wir müssen eilen / damit wir nicht plötzlich von jhnen überfallen werden. Nun reisset er sein Wambs auff. O Grausahmer König / O vnversöhnlicher Tyran / O grimmiger Perseu, ist das eine gnugsahme recompens, vor meine getrewe euch erwiesene Dienste? O du blutdürstiger Wüterich / schawe doch an die Narben / die ich in Kriegen vnd streiten vor dich vnnd das Macedonische Königreich empfangen / vnnd dennoch dürstet dir nach dem weinigen annoch verhandenen vnd übergebliebenem Blute / in meinen beynahe außgezehrten äderlein. Nun wird abermahl in der Scena getrumlet vnd geschossen. Ey wolan ist dir so groß damit gedienet / ich will dirs nicht vorenthalten.

ALEXANDER. Nun Herr Vater / wir müssen eilen / ich höre abermahl den Schall der Trumlen vnd Mußqueten.

EUDOCIA. Ach ja Herr Vater / lasset vns ja nicht seumen / ich will den Anfang machen. Aber o du mein hertzallerliebster Printz Demetri, ach wolten die Götter / dir vnser kläglicher Abscheid nur in etwas bewust wehre / ach möchtestu anjtzo ein Zeuge seyn vnsers erbärmlichen Todes / ach soltestu anschawen / wie gerne vnd williglich wir deinethalben diesen vnschuldigen Todt erleiden / ich weiß warlich du würdest auß hertzlicher condolentz mit vns sterben vnnd von hinnen scheiden. Weil aber leider / leider / ich Vnglückselige dieses meines Wunsches nicht kan noch mag theilhafftig werden / ey so nim hin das liebreiche Opffer / welches du über alle dingk dieser Welt begehret vnd gewünschet hast / nemblich mein junges Hertz vnd Leben / Jhr aber hertzallerliebster Vater Küsset jhn. nehmet hin den letzten[244] Kuß ewrer eintzigen vnd liebsten Tochter / ewrer gehorsahmsten Eudociæ, Adieu es muß geschieden seyn.

PORTS. Vnd du / mein ausserwelte Tochter / nimb hin den letzten Kuß Küsset sie. von dehme der dich mehr alß sich selber liebet / vnd du mein Ritterlicher Sohn Alexander Ümbfähet jhn. folge dem Exempel deines Vaters / vnnd schewe dich nicht den letzten Stich des Todes zu empfahen / sey nur frisch / freudig vnd vnverzaget / es kan / will vnd muß doch nun nicht anders seyn.

ALEXANDER. Ach mein Herr Vater / ich entsetze mich im geringsten nicht für dem Tode / ich erwahrte seyn mit freuden / adieu, mein Hertzen Vater / Ümbfähet jhn. adieu mein allerliebstes Schwesterlein Küsset sie. nur frölich daran. Poris machet sein Wambs auff wirfft den Degen von sich / kriegt seinen Dolch hervor / vnd machet sich fertig zum sterben.

EUDOCIA langet in einem Gläßlein jhr Gifftwasser hervor. Nun du mein zahrtes Jungkfräuliches Hertz / erschrick nicht / diesen letzten Schlafftrunck / der dich von aller Trübseligkeit dieses müheseligen Leben / wird erretten / frisch vnd vnverzagt zu dir zu nehmen. Sie trincket jhn auß / gehet drauff ein weinig hin vnd her spatzieren / endtlich verkehret sie die Augen im Kopffe / fehet an zuzitteren vnd zu beben / felt nieder vnd stirbt.

PORIS. Nun meine allerliebste Eudocia ist dahin / es gesegne dich Gott Sonne vnnd Mohn / alle Sterne am Firmamentce, Himmel vnd Erden / Meer vnd alle Wasserflüsse / alle Berge vnd Tahl / Laub vnd Graß. Adieu ich fahr davon.


Ersticht sich / vnd felt nieder bey seiner Tochter.


ALEXANDER. Nun wolan / kan es denn nicht anders seyn / ey so will ich meinem allerliebsten Herren vnd Vater / vnnd meiner hochgeliebten Schwester gerne vnd willig folgen /[245] Darumb meine Seele / betrübe dich nicht / vielmehr bereite dich augenblicklich hinzufahren / an den freudenreichen Ohrt / da so viel triumphirender Helden anjetzo benebenst den deinigen in grosser Herrligkeit versamlet seyn / Adieu ich muß davon / die Stunde meines Abscheides ist verbanden / Adieu ich fahr dahin.


Ersticht sich mit dem Degen / hierauff kommen geschwinde 3. Gespenster hervor springen / mit vnterschiedlichen Musicalischen Jnstrumenten / gehen etliche mahl vmb die 3. Todte Cörper herümme / vnd musiciren gahr ein trawriges Liedt / dessen erster Verß also anfehet: Ach Poris außewehlter Heldt / du güldene Krohn der Frommen etc. Der Text wird in der Scena durch

einen Knaben dazu gesungen / so baldt das Lied zum ende / verschwinden die Gespenste gleichsahm im Augenblick / vnd kommen hierauf gantz vngestühmlich auff den Platz gelauffen / die / so jhnen zuvor nachgejaget / alß: Didas, Lurco, Knapkäse / vnd 3. oder 4. Soldaten / der Obriste mit einem blossen Degen / die anderen aber mit Mußqueten / vnd fehet an Didas.


Hilff Jupiter was habe ich Mühe gehabt den verlauffenen Statthalter sampt seinen Kinderen diesen gantzen Tag zu suchen / er muß sich warlich an einen wunderbahren Ohrt verkrochen haben / aber hilff Mars was finde ich hier / sehe ich nicht den Statthalter Poridem in seinem eigenen Blühte liegen / deßgleichen auch Alexandrum seinen Sohn / ja auch die allerschönste Eudociam seine Tochter! Ohne allen zweiffel haben sie selber Handt an sich geleget / vnd vnserer Ankunfft nicht erwarthen wollen.

HANS KNAPKAESE machet seine Mußquete fertig vnd spricht. Potz ackermest Herr Obrister / ich will die Diebe todt schiessen.

DIDAS. Ey du Narr / was hastu vor / was wilt du schiessen / sindt sie doch bereits todt?[246]

HANS. Ey / was Herr Obrister / ich will sie noch einmahl todt schiessen / ich förchte mich auff mein Seel nicht ein Haar vor sie.

DIDAS lachend. Wanne / wanne Hans / du bist mir ein behertzt Kerl / du leuffst vor einem todten nicht / sehe ich wol.

HANS. Nein ich auff meine Seel nicht Spricht zum todten Cörper. du Statthalter / du Cujon Schlegt jhn auffs Maul. nicht ein Haar frage ich nach dir / vnd ich gebiehte dir / daß du das Maul vor mir zuhaltest / oder ich werde dich jämmerlich zerkeilen.

LURCO. Ey was bistu ein grober Narr / was sagstu doch viel von maul zu halten / du siehst ja wol daß sie alle todt seyn.

HANS. Ja / da habe ich auff mein Seel nicht angedacht / das tode Leute nicht reden können / Er stosset die todte Cörper mit Füssen. jhr Hundsfötter / gebt mir antwort / ob jhr gahr todt seydt / vnd ob jhr reden könnet oder nicht?

DIDAS ad Hansen. Ey was hastu Geck vor / packe dich: Jhr Soldaten traget die todte Cörper hinein / daß sie jhre Königl[iche] Majestät Befehlich nach entweder verscharret / oder auch zu Staube verbrandt werden.


Die Soldaten tragen die todte Cörper hinein / vnd gehen ab mit Dida / der letzte ist.


LURCO. Wol mir wenns so zugehet! Lob sey den vnsterblichen Götteren / die Feinde meines Herren Persei sein dahin / nun muß ich geschwinde lauffen / vnd meinen Herren Perseum hin vnnd wieder suchen / damit ich ja der erste sein möge / der jhme die so angenehme / hochgewünschete Zeitungen bringe / ich weiß gewisse / er wird mir meine Mühe wol belohnen / vnnd zur Stundt einen redlichen Schmauß davor spendiren.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 239-247.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Leo Armenius

Leo Armenius

Am Heiligen Abend des Jahres 820 führt eine Verschwörung am Hofe zu Konstantinopel zur Ermordung Kaiser Leos des Armeniers. Gryphius schildert in seinem dramatischen Erstling wie Michael Balbus, einst Vertrauter Leos, sich auf den Kaiserthron erhebt.

98 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon