Scena IX.

[79] Plusia. Euphrænon. Mnemon. Byssinus. Merimnus. Lampros. Rabbi Iose. Rabbi Simon.

Apposito secundo ferculo ordine alloquitur conuiuas Plusia.


Mein lieben Herren, greiffet zu,

Nempt so für lieb vnd seid doch fro!

Vnd Dæmones, seid nicht so still,

Vnd jr, mein Schweger, hart nicht viel!

Wer sich verseumpt, der hab es schad;

Das jr zugreiffet, wer mein Rath.

Ein jeder nehm, was jm geliebt.

EUPHRÆNON.

Kein sparen wird alhier geübt,

Hier ist vollauff vnd alles gnug,

Jedoch an einem feilt es noch:

Die Speiß ist nicht gewürtzet recht,

Sonst mirs wol besser schmecken pflegt.

LAMPROS.

Mich deucht, wenn ich es sagen soll,

So bistu noch von gestern voll.

PLUSIA.

Wie so? Was ist versehn daran?

EUPHRÆNON.

Der Koch hat zwar das sein gethan;

Allein es feilt am Hunger noch,

Der ist die beste Würtz vnd Koch.

MNEMON.

Ja dem, der für der Thüren ligt,

Dem feilt es an der Würtze nicht.

Gib dem ein Stück, was gilts wolan,

Er nimpts wol vngewürtzet an.

Leg er also für meiner Thür,

Hungrig müst er nicht gehn von mir.[80]

BYSSINUS haec ironice loquitur.

Lauff, Knecht, vnd zeigs den Bettlern an,

Allen, die auff der Gassen gahn,

Das sie gehn für meins Bruders Hauß,

Da wird man vollauff geben aus!

Gibstu einem, ich sag wolan,

Kein Fried wirstu von allen han.

MNEMON.

Niemand kan alle Bettler speisn,

Des Nechsten Lieb soll er beweisn.

MERIMNUS.

Ich halt, wenn du recht sagen wilt,

In deim Hauß bistu nicht so mild.

MNEMON.

Ja, wenn ich steckt in deinem Kleid

Vnd kratzet wie du allezeit.

Weist nicht von Armen den Bericht:

Gegn sie verhert dein Hertze nicht!

MERIMNUS.

Ey, sagt denn das Gesetz nicht auch:

Es soll kein Bettler sein bey euch?

Oder sos einer darff so gar,

So ward er auff das Erlaß Jahr;

Im siebnden Jahr kriegt sein gefug

Der Arm, daran hat er genug.

MNEMON.

Ich mein, das heist je Schrifft citirt.

LAMPROS.

Ey, still, jr seid doch vngelert.

Solch Sachen könnet jr nicht schlichtn,

Die Glerten müssen das verrichtn.

Herr, wenns ewr Ehrwird gliebt, wolan

Zeigt vns doch ewer meinung an![81]

RABBI IOSE.

Was ist die sach? Habs nicht gehort,

Ich hett mit diesem Herren wort.

LAMPROS.

Es ist die Frag, ob auch ein Man

Seins Gutes recht gebrauchen kan,

Wenn er dauon gut Leben führt

Vnd an die Bettler sich nicht kert.

RABBI IOSE.

Darauff ist leicht zu thun Bericht:

Der braucht sein gut mit Sünden nicht,

Der alle ding lest waschen rein,

Was ghört zum Essen vnd Tranck sein,

Tisch, benck, stüel, töpffe, schüssel, pfan,

Becher, gefeß, krüg, glaß vnd kan,

Vnd das Geschirr helt vnterschiedn,

Kein Fleisch lest in eim Milchtopff siedn,

Der, was er isst, lest waschen rein,

Das Vieh recht schlachtet, wies sol sein,

Vnd, eh er jsst, zum offtermal

Die Hende weschet recht vnd wol.

Wer das nicht thut, der sündigt sehr,

Als ob er ein Ehbrecher wer.

Vnd eh das Brot gesegnet ist

Vnd gebrochn, dient nicht, das mans isst.

Das fleisch, frücht, wein, bier, wasser auch

Ist sünd, wenn mans on segen braucht.

Die Knochn vom Fleisch, die Gratn vom Fisch

Soll man stets werffen vntern Tisch,

Doch neben sich, nicht hinter sich

Vnd auch nicht für sich, sage ich,

Das man Gott vnd die Engel sein

Vnd Eliam, die vmb vns sein,

Doch vnsichtbar, nicht treff damit.

Auch soll man das verachten nit,

Das ja bey Leib auch kein Messer

Lig auff den Rücken ongefehr.[82]

Denn jeder Mensch ein Engel hat,

Derselb stets bey jm vmbher gaht.

Wie leicht köndt er sich drin versehrn!

Drümb solt jrs Messer nicht auffkern.

Vnd wenn die Mahlzeit ist geschen,

Mus der Haußwirt auch darauff sehn,

Das man den Segen sprech zu Gott,

Wie er geschrieben im Talmut.

[PETERMAN.]

Herr, ich wolt fragen ewern Rath,

Ob man auch im Himmel balbierer hat.

IOSE.

Weil sie im Himmel sich nicht schlagen,

Darff man nach keinem Wundarzt fragen.

PETERMAN.

Wenn ein Engel den Fuß durchtret

Vnd keiner ein Wundpflaster hett,

So müst er ja sein leblang hincken.

IOSE.

Ich wil dir darauff eins zutrincken.

PETERMAN.

Segens Gott!

PORPHYRIUS.

Wie, Herr? Wenns einer denn versicht

Vnd all Gesetz so nicht verricht?

RABBI IOSE.

Der sündigt sehr, erzornet Gott;

Jedoch er Gnad zu finden hat,

So er für sich lest Opffer thun

Vnd ist milde zu dem Corban.

MNEMON.

Herr, soll man Armen helffen nicht?[83]

RABBI SIMON.

Im Talmut habt jr den Bericht:

Wenn der Vater vnd Mutter selbst

Wer dürfftig, bitt, das du jm hilffst

Wer es doch bessr geleget an.

Wenn du sprechst: Vatr, es ist Corban.

Es ist besser, ich geb es Gott,

Denn dir darmit helff in der Noth.

PORPHYRIUS.

So wil ich nu, mein liebe Herrn,

Zu ewrem Corban geben gern,

Eh ich die faulen Bettler all

Für meine Thür gewenen woll.

Drümb halten wir ob ewrm Gesetz

Vnd lassen fahren diß Geschwetz.

Allein jetzt wolln wir frölich sein;

Beruff mir die Canterey herein!

Last sehn, jr Gselln, was könt jr singen,

Last ein frölich Weltlied herklingen!


Quelle:
Georg Rollenhagen: Spiel vom reichen Manne und armen Lazaro. Halle a.d.S. 1929, S. 79-84.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Die Akten des Vogelsangs

Die Akten des Vogelsangs

Karls gealterte Jugendfreundin Helene, die zwischenzeitlich steinreich verwitwet ist, schreibt ihm vom Tod des gemeinsamen Jugendfreundes Velten. Sie treffen sich und erinnern sich - auf auf Veltens Sterbebett sitzend - lange vergangener Tage.

150 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon