Prologus.

[8] Ehrnvest, Achtbar, Ehrwirdge Herrn,

Die vns schützen, lern vnd ernehrn,

Liebn Bürger, Frawn, Gselln vnd Jungfrawn,

All, die jr vnser spiel wolt schawn,

Ich wündsch euch allen Gottes Gnad

Durch Christum, der vns erlösst hat,

Christlich in dieser Welt zu lebn

Vnd seliglich zu sterbn danebn;

Mit bitt, jr wollet hören an,

Was wir für ein Schulspiel fürhan.

Denn in der jetzigen Action

Werdn fürgestellet zwo Person,

Die vns sollen ein Fürbild gebn,

Wie wir sollen vnstrefflich lebn

Mit geld vnd gut gegn jederman,

Vnd gegen arme Leut voran,

Das wirs nicht für ein klugheit achtn,

Wenn wir all hendel so betrachtn,

Als wenns schad wer vnd ein vntreglich bürd,

Wenn man Lazaro was gebn würd,

Da man fürn bauch, fürwitz vnd Narrn

Sonst weder geld noch gut wil sparn,[8]

Sondern das man gedenck, das Gott

Darümb vns mehr bescheret hat

Denn andern, das man seine lieb

Gegn arme Leut auch stetig vb.

So wird hier auch gezeiget an,

Wie sich haltn sol ein armer Man,

Das er sein armut also trag,

Das er an Gott mit nicht verzag,

Vnd wie reich vnd arm allezeit

Beyd zum Tod sollen sein bereit,

Das jn der vbereile nicht,

Wenn er sichs zum wenigstn versicht.

Vnd ob jr sonst gelernet wol,

Wie man sich hierin halten sol,

Pflegen doch offt die wort allein

Bey vieln so krefftig nicht zu sein,

In sonderheit bey der liebn Jugend,

Die man sol lern von Gott vnd tugend,

Als wenn mans im Exempel klar

Den Leuten machet offenbar,

Wie Gott darümb auch in seinm wort

Neben der zusag vnd drewwort

Exempel viel der straff vnd gnad

In heiligr Schrifft vermeldet hat

Vnd Christus, wenn er Predigt helt,

Derselben etlich viel erzehlt,

Aus welchen wir haben genommn

Diß spiel, damit wir jtzt ankomn.

Darümb bittn wir euch, günstig Herrn,

Ir wolt vns gern vnd willig hörn.

Vnd dweil jr vns an diesem ort

Zuuor auff die weis offt gehort

Vnd euch vnsr thun gefallen lassn,

Hoffn wir, jr thut jetzt auch dermassn,

Dieweil jr darümb sitzt zur stedt;

Derhalb ich daruon nichts mehr redt.

Allein so einer doch sein möcht,

Dem es nicht recht wer vnd nicht töcht,

Dem wolln wir hie für vnsern Herrn[9]

Nicht so viel thun zu dienst vnd ehrn,

Das wir jm wollen gebn bericht;

Jederman kan man gefalln nicht.

Euch, liebe Herrn, Frawn vnd Jung Leut,

Bitt ich, das jr vns günstig seid.

Das sein wir vmb euch allezeit

Hinwider zu verdienn bereit.

Einer jeden Personen Namen,

Wie sie da alle stehn beysammen

Vnd was die Action inhelt,

Wird euch von dem kürtzlich vermelt.

Argumentum.


Porphyrius, der reiche Man,

Mit Purpur vnd seidn angethan,

Tracht nur nach Geld vnd grossem gut,

Lebt all tag wol, treibt vbermuth.

Sein Weib vermahnt jn wol zum bestn,

Muß doch alls gschehn lassen zum letztn.

Drümb schlempt er alle tag vnd stund

Mit Daemone, seim guten Freund.

Sein fünff Brüder sind auch sehr reich

Vnd halten sich dem Bruder gleich.

Weil abr der Reiche lebt im sauß,

Ligt Lazarus vor seinem Haus

Voll schwern, in grosser hungers Noth.

Dem gibt er nicht ein bißlein Brot,

So doch Landleuffr vnd lose Leut

Bey jm bekommen gute beut.

Der arme muß gar sein veracht,

Biß er vor hunger gar verschmacht.

Als nun Tod ist der Lazarus,

Tragn jn die Engl in Abrams schoß.

Darauff greifft auch der Tod bald an

Vnd reist hinweg den reichen Man.

Vergebens ist der Ertzte kunst,

Der Leuit predigt auch vmbsonst;[10]

Er wird den Teufeln vbergebn,

Wie ers verdient in seinem lebn.

Da er nun in der Hellen sicht,

Was Lazaro für frewd geschicht,

Bitt er Abrahm vnd Lazarum,

Das er zu jm vom Himmel kom,

Des fingers spitz ins Wasser setz,

Sein Zung mit einem Tröpfflein netz.

Da jm dis gar wird abgeschlagn,

Bitt er, er wolt sein Brüdern sagn,

Was er da leid für Pein vnd qual.

Es hilfft die bitt nicht allzumal;

Denn Gott hat jn sein Wort gegebn,

Darnach gebürt jnen zu lebn.

Wer darnach richt das leben sein,

Der kömpt nicht in der Hellen Pein.

Das ist der inhalt. Die fünff Knabn

Noch besonder befehlich habn,

Von jedem fünfften Theil zu sagn,

Was wir in diesem spiel fürtragn.

Seyd still vnd verhindert vns nicht!

Euch zu ehrn ist alls angericht.


Transeunt Theatrum personæ omnes.


PETERMAN der Narr.

Hört mich ein wort, hört doch ein mal!

Jr wisst, jr seid gebeten all,

Das jeder bleib an seinem ort,

Stillschweigent anhör vnser wort,

Vnd das Ich, Ich, Ich gar allein

Solt der Comœdien Narr sein.

Noch wolt jr mir das nicht gestehn,

Vnd ich mus mit vnwilln ansehn,

Das jr Narren seid one Kappen,

Jrer auch viel der jungen Lappen,

Die rauschen, rücken, fliestern, schwatzen,

Einander treten, drücken, fatzen;

Die greinen als Sanct Vitus Hund,[11]

Lachn mit den augn, sehn mit dem mund:

Kompt denn ebn jetzt die Lachel stund.

So schweigt harnach vnd lacht jetzund!

Ha ha he, Ha ha he!

Ich lach, das mir der Bauch thut weh.

Last sehen gar bald noch ein mal,

Jr könt das Handwerck leiden wol!

Ha, ha, he, Ha, ha, he!

Thut euch der bauch den auch nicht weh?

Bald still, still, fast ein ernsten muth!

Trotz einem, der das Maul auffthut!

Thut ers auff, sag ich jm das zu.

Sein straff ist, das ers widr zuthu,

Odr es wird jm ein Vogl nein fliegen,

Der sonst wol blieb in finstern liegen.

Des woltn wir lachen allesampt;

Warumb felt er vns ins Narrnampt!

Still vnd hört, was der kleine Man

Von vnserm spiel wird zeigen an!


Das erste Theil.

Quelle:
Georg Rollenhagen: Spiel vom reichen Manne und armen Lazaro. Halle a.d.S. 1929, S. 8-12.
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