Das I. capitel.

[218] Das bei königen große gefar sei.


"Darauf sagt Graukopf: Ich halts auch,

Es sei ein geferlicher brauch,

Einem allein das regiment

Zu übergeben in die hend,

All unser wolfart, gut und blut

Setzen auf eines übermut,

Das eines narren fauler wind

Uns all tod blas mit weib und kind,

Sobald ihn reizt der tolle sinn,

Das er uns opfern will dahin,

Und wir das also leiden söllen

Als unvernünftig wasserwellen,

Als ein dürres blat in dem wald,

Das im wetter vom baum hinfalt.

Nein zwar, das laß man nicht einfüren

Bei lebendigen klugen tieren! –

Denn wie gütig der leu auch ist,

So braucht er sein morden und list;

Und kans niemand so gar recht machen,

Er find ein unrecht in der sachen;[218]

Er saget zwar den tieren zu,

Solten bleiben in guter ru,

Er wolt keinem an seinem leben

Einerlei schaden lassen geben.

Das er auch tat ein raume zeit,

Bis ihm vertraueten die leut,

Meinten, es durfte niemand trauren,

Ihr könig hielt fest wie ein mauren.

Aber er hielt was ihm gefiel,

Schoß endlich weit über das ziel,

Beide mit gewalt und mit list,

Wie denn zu hof gebreuchlich ist.

Er fordert etlich in geheim

Besonders zu seim gmach hinein,

Als wolt er ihnen etwas klagen,

Von hoch vertrauten sachen fragen,

Und fieng denn nach vielen umstenden

Sich auf diesen vorschlag zu wenden:

Das er begert waren bericht,

Ob ihm der atem stünke nicht;

Denn wenn er etwa zu eim tier

Seinen mund neher reckt herfür,

So erschreckt sich dasselbe ser,

Wolt sein atem nicht riechen mer.

Welche nun einfeltig und schlecht

Sagten, er stünk, das were recht,

Die schalt er als lose meutmacher,

Seine neider und widersacher;

Welche das widerspiel denn hielten,

Und aus furcht das placebo spielten,

Sagten: er röch gar wol und fein,

Musten lügner und spötter sein.

Die andern, die nur schwiegen still,

Sprachen weder wenig noch viel,

Nant er hoffertige verechter

Und fraß sie all mit eim gelechter. –[219]

Darum, als Reinik fuchs ankam,

Allerseits große gfar vernam,

Gab er nach seiner listigkeit

Dem könige solchen bescheid:

Er sprach: Allergnedigster herr,

Wenn ich gleich zuriech noch so ser,

Schmeck ich doch weder mund noch suppen,

Weil ich itzunder hab den schnupfen.

Das eur majstet kein wunder nem,

Denn das ich zeitiger ankem,

Gieng ich heut frühe barfuß im nebel,

Der mich anstank gleich als ein schwefel,

Und hab dessen so viel genommen,

Das ich den schnupf zu dank bekommen. –

Was sagt dazu mein Martinsman?

So sprach der leu den affen an;

Hat er denn auch den schnupfen kriegen

Und will Reiniken helfen lügen? –

Nein, sprach der aff, gnedigster herr,

Am schnupfen hab ich kein beschwer.

Ich hette vorlengest gern gesprochen,

Wie euer majestet gerochen

So lieblich, so herlich und wol,

Das mans nicht besser finden soll

Aus Indien und Morenland,

So weit sonn und mon ist bekant,

Am balsam, den man so hört rümen,

An weirauch, mairan, spickerblumen,

Der bisem holt auch nichts dagegen,

Alln ist eur edl mund überlegen.

Billig alle tier, die man findt,

Dafür aufrücken ihren wind,

Eur majestet keinen unlust

Etwa machen mit ihrem wust.

Wie man on das den herren nasen

In keinem weg sol widerblasen. –[220]

Und der wort macht der aff so viel

Und trieb so meisterlich das spiel,

Das sich der könig selbst must schemen,

Das leben ihm alsbald zu nemen;

Dennoch schloß er im herzen auch

Nach seinem tyrannischen brauch,

Er wolt ihm des lobes gedenken,

Den tod zum Deo gratias schenken. –

Macht sich derhalben schwach und krank

Das er den tag wedr aß noch trank;

Die erzt, die da gefordert waren,

Wolten kein fleiß noch unkost sparen,

Griffen den puls, sahen den harn,

Fragten nach dem schlaf und maßtdarm,

Ob er viel hitz het oder kelt.

Wie das nun alles war gemeldt

Und sie daraus kein gefar spüren,

Wollen sie wedr erzten noch schmieren,

Sagen: Der könig sol wol trauen,

Sich gar nirgend für lassen grauen;

Es sei nichts denn ein mattigkeit,

Die sich verlier in kurzer zeit,

Wenn man sein wol mit essen wart

Und für den appetit nichts spart,

Nur daß auch selbst ihr majestet

Bedecht, wo sie ein lust zu het. –

Ja, sagt der könig, es möcht sein,

Der affentit macht mir die pein,

Affenfleisch hab ich nie gekost,

Darum hett ich dazu wol lust,

Darnach wessert mir fast der mund,

Wenn es mir nur were gesund. –

Ja, sprachen die erzt, es hat viel kraft. –

Der arm Martin ward hergebracht

Und jemmerlich auf stück zerrissen,

Ganz gefressen für leckerbissen."
[221]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 218-222.
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