[172] Murner ist Reiniken arzt.
"Da nun Murner wider ankam,
War Reinik gar ein kranker man,
Lag und blutet gleich wie ein schwein,
Kunt gar treten auf keinem bein,
Fiel noch dazu oft in onmacht.
Murner auf rat und hülf gedacht,
Wie er ihn brecht auf seine bein,
Das er nurt wider hinket heim,
Und hielt für die onmacht gesund
Ihm ein wilden kürbs an den mund;
Das blut aber, so die hund ließen
Alda aus ihren wunden fließen,
Vermengt er mit wildem knoblauch
Und gabs Reiniken zu lecken auch;
Das bluten aber aus der nasen
Fieng er auf einen frischen rasen,
Der mit der erd war ausgegraben.
Reinik must auch in henden haben
Radenwurzel und teschelkraut;
In die wunden aber er straut
Schwarzpulver von dürren pompfeis,
Verband sie auch mit allem fleiß
Mit betonick, attich, schafgarben,
Erenpreis must er dazu scharben,
Darunter mengen spinneweben,
Mit tannenharz alls wol verkleben
Und mit ein raupennest verdecken,
So hangen an der kieferhecken. –
Ein kleins krautlein wie hünerderm
Blüet schön rötlich in der werm,
Hat an viereckten gelben stiel[172]
Als buchsbaum glenzend bletter viel,
Jedoch nicht so gedrungen dick,
Auch nicht so schwarzgrün am geschick,
Sondern gliedweis, grüngelblich, schmal,
Wird sonst genant rot anagal,
Das sucht Murner mit ganzem fleiß,
Weil er aus der erfarung weiß,
Wenn Reinik teglich trunk den saft
Und das kraut in die wunden schaft,
So würd er wunderlich gesund,
Wer gleich der biß vom tollen hund.
Er konts aber im holz nicht finden,
Darum must er ihn so verbinden,
Das ander befeln seinem weib,
Die bestellt war auf seinen leib. –
Er schickt ihm auch hernachmals bald
Bitterwurzeln, weißlich gestalt,
Denen der kern war ausgezogen,
Darum warn sie hol und gebogen,
Von hindleuften odr wegeweiß,
Die er aufgrub mit allen fleiß
Morgens ehe man die sonne sahe
An seines vettern Heinzen tage,
Der vor S. Margreten hergehet,
Wenn die sonn erst im leuen stehet.
Derselben solt er alle morgen
Drei nüchtern essen und nicht sorgen,
Die wunden heilten aus dem grund,
Obgleich kein pflaster darauf stund
Und nur ein tüchlein sie bedeckt
Damit sie das wetter nicht schreckt;
Denn die wurz geb der lebern kraft
Und macht gblüt heilsamen saft,
Das manch megdlein auch hett erfaren,
Wenn sterk und farb verloren waren.
Dies waren auch besonder tauben,[173]
Gehörten zu dem katzenglauben.
Aber damals kroch Reinik fort,
Tötlich verwundt, an seinen ort. –
Murner abr sprach: Lieber gevatter,
Gedenkt an eur verwegn geschnatter,
Da ihr mich armen man veracht
Und euch selbst zu eim wunder macht;
Hetts mein eine kunst nicht getan,
Ihr hettet must das leben lan.
Darum, wie ich dies hab gesehen,
Es ist euch zur warnung geschehen,
Davon hab ich in jungen tagen
Die schön historia hören sagen:
Die meuslein liefen in die wette
Da ein leue hielt seine rustette,
Und als er eins im zorn ergriff,
Das unversehens auf ihn lief,
Bat es, er wolt ihms leben schenken,
Dankbarlich wolt es das gedenken,
Widrum herzlich um ihn verschulden.
Der leue lacht und sprach: Ich muß gdulden,
Weil du wilt mein wolteter sein,
Wenn du groß wirst, nun bist zu klein.
Hernach hört es den leuen brüllen,
Gedacht, es gieng nicht zu mit willen,
Sucht, und findt ihn an beumen hangen,
Mit henden, füßn und hals gefangen
Im netz, gemacht von starken stricken,
Daraus er sich nicht kont entrücken,
Wie ser er sich auch wandt, rang, drang,
Biß, riß, stieß, zog, reckt, streckt und sprang,
Die strick dadurch sich mer verworren;
All kunst und sterk ihr kraft verloren,
Das ihm der rück anfieng zu kalten,
Kont weder vorn noch hinten halten,
Must sein hofnung und leibesleben
Aus zweifel in die schanze geben.[174]
Da sprach das meuslein: Edler leue,
Nun spürt eurs kleinsten freundes treue,
Der kan euch retten aus den nöten!
Darauf zerbiß es den heuptknoten,
Damit die schleuf gefasset war,
Der leue entgieng aus der gefar.
So ward der geringest der beste,
Die leimern wand ein steinern feste.
Laßt unverachtet jederman,
Ihr wist nicht was ein ander kan.
Es scheint der man oft ser gering,
Durch den got doch schaft große ding. –
Ihr seid auch auf morden und nemen
So verstürzt, das ihr euch mügt schemen;
Hett wandern sollen euer straßen
Und dem dauern sein hüner lassen!
Wer gern beschedigt ander leute,
Bekomt zuletzt auch gleiche beute.
So ward Murner Reinken zu klug,
Spottet seiner mit gutem fug
Und gieng also wider zu haus,
Kam auch zu gast nicht mer hinaus."
[175]
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