Das eines königes regiment das allerbeste sei.
"Darum sag ich ganz wol bedacht,
Wann mans aufs allerbeste macht,
Es ist nicht gut, das viel regieren,
Die kron soll einer allein füren,
Dem got selber und weise leut
Gönnen die hohe obrigkeit,
Der immer bleib, deß regiment
Nicht nem mit jedem jar sein end,
Das er wider muß treten abe,
Ehe denn er recht gelernet habe,
Wie er soll vorstehen den sachen
Und denn die folgenden anders machen,
Was er zuvor wol angefangen
Oder lassens schimpflich hinhangen;
Der nicht auf viehe, ecker und handel
Richte sein vornem, tun und wandel,
Beim regiment unfleißig wach
Als eine fremde nebensach,
Der nicht sehe auf sein mitgesellen,
Das sie alles on ihn bestellen.
Wollen sies abr nicht machen recht,
Sei er auch niemands notknecht;
Sondern ders selbst nem in die hand,
Tracht tag und nacht, bis er rat fand,
Dieweil des reichs schaden und frommen
Ihm vornemlich auch würde heimkommen;[41]
Der nicht einer eins andern er,
Weil er doch bleibt der oberst herr,
Sondern vielmer mit fleiß betracht,
Das er die er und edel macht,
So mit tugend, manheit, rat, leren
Ihm und dem land dienen zun eren.
Deß sich denn freuet jederman,
Versucht, was er vermag und kan,
Damit er auch etwas anfang,
Dadurch erforderung erlang,
Geeret werd nach stand und gaben,
Nicht bleib im misthaufen begraben,
Oder von andern werd veracht,
Das manchen fleißigen faul macht.
Fromm sein und kunstreich one dank,
Macht verdrossen, zornig und krank.
Und wenn das gleich alles nicht wer,
Ist doch sonst bequemer ein herr.
Viel besser ists, eines allein
Denn vieler herren diener sein:
Einem kan man leichter gefallen
Denn im haufen sonst ihnen allen;
Einen kan man ehe machen reich
Denn sonst viel regenten zugleich;
Einer kan leichter finden rat;
Es geht auch viel besser von stat,
Wenn man eim feind sol widerstehen,
Denn wenn man soll auf andre sehen,
Die noch gar weit sein abgesessen,
Die sachen nach der leng abmessen,
Da einer hie, der andre dort
Hinaus will, und kömt keiner fort,
Bis der vorteil all wird verloren
Und man ihn sucht hinter den oren;
Der feind aber sein bestes tut[42]
Und bringet uns um leib und gut. –
Solcher herr soll dem Beißkopf sagen,
Das er keins königs kron soll tragen,
Sondern seiner ler wol abwarten,
Wie gebürt geistlichen gelarten;
Er sol bestelln im land und stat
Heupt und amtleut, richter und rat
Und strafen, die ihr amt verwalten
Nicht wie sichs gebürt, getreulich halten;
Und versehe er denn gleich ein ding,
Das nicht alles, wie es solt, gieng,
So muß man auch haben geduld,
Weil keiner lebet one schuld,
Weil niemand je so gar recht tut,
Das jederman hielt wert und gut.
Allgnug ists, wenn man das mag spüren,
Das er alzeit will recht regieren
Und auch gemeinlich also tut,
Ob er gleich nicht macht alles gut
Und wies dem klügling will gefallen,
Der selbst der schlimst ist unter allen.
Denn mancher schauet das spiel mit an
Und verlachet nur jederman,
Das sie so wenig kegel schießen;
Wenn sie ihm einen wurf zuließen,
All neun wolt er auf einmal fellen.
Soll ers aber selbst ins werk stellen,
So wirft er fern vom ganzen platz
Und macht keinen neuen aufsatz.
Man gedenk, got hab auch sein ursach,
Warum er nicht bald enderung mach,
Ost raum laß der herren mutwillen,
Bis er will stürzen oder stillen;
Denn got setzt könig ein und abe,
Es ist gottes straf oder gabe. –
Jedoch tet man nicht unbedacht,[43]
Wenn man ein solche ordnung macht,
Das der könig auf seinem eid,
Wenn er annem die obrigkeit,
Zusagen müst, das ganze reich,
Hohen und nidrigen stand zugleich,
Frei zu lassen und zu beschützen
Wider aller parteien trützen
Bei der heiligen religion,
Bei recht und gerechtigkeit fron,
Und das er selber auch gedecht,
Zu leben nach beschrieben recht
Und keinen heuptkrieg anzufangen,
Nach keiner neurung zu verlangen
On vorwissen und mit belieben
Der vornemsten reichsfürsten sieben,
Die ihm macht einzureden hetten,
Auf den notfal bei ihm zu treten,
Wider die tyrannen zu befelen,
Sie zu entsetzn, andre zu welen. –
So würden wir nach allen willen
Unsr dreifacht bedenken erfüllen.
Denn erstlich blieb zu jeder zeit
Unser allerliebste freiheit,
Die durchaus kein ordnung annem,
On die vom ganzen reich herkem.
Es würde auch das regiment
Gestellt in wenig fürsten hend,
Die on zweifel für ihre land
Das best rieten, das ihn bekant.
Letzlich regieret auf einmal
Der könig allein überall,
Das, wann grafen, fürsten und herrn
Den untertan widerlich wern,
Der könig sie scheidet mit recht,
Schützet den herren und den knecht.
Wenn der könig auch tyrannei
Ueben wolt seins gefallens frei,[44]
Das die fürsten denn auf ihn dringen,
Mit seinem eid zum rechten zwingen.
Und wie sonst an der festen ketten
Die ring fein in einander treten,
Das einr den andern zeucht und helt
Und keiner vom andern entfellt,
So ist ein stand des andern schutz
Und bleibt allen feinden zu trutz."
[45]
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