[99] Was von dem Beißkopf beratschlaget worden.
"Als nun des königreiches grund
Geleget war, so gut man kunt,
Ward ferner manchfeltig bedacht,
Was man von unserm Beißkopf macht.
Etlich wolten, er solte genesen
Und bleiben wie er vor gewesen;
Die andern wolten seine land
All geben in der fürsten hand,
Von denen er alles genommen,
Durch lügen er und gut bekommen,
Weil das kein praescription hat,
Das man erwarb durch falschen rat;
Der drit hauf aber haben wolt,
Das man misbrauch abschaffen solt,
Gut ordnung aber nicht zerrütten,
Das kind nicht mit dem bad ausschütten.
Doch kont man nichts gewiß draus machen,
Weil mit einfieln so viel ursachen. –[99]
Die erst ursach war aberglaub,
Der ihrer viel macht blind und taub,
Meinten, Beißkopf wer gottesman,
Niemand sol sich vergreifen dran,
Und wenn er gleich ein irrtum hette,
Wer nicht rat, das man ihm einredte;
Ein alte gewonheit und recht
Solt man nicht abschaffen so schlecht,
Ob sie gleich nicht wer wie sie solt
Und man sie gern verbessern wolt.
Darum auch sagt ein heiliger man,
So groß sünde wer nicht daran,
Das man den götzen opfer bracht,
Als wenn man uneinigkeit macht;
Endrung brecht alzeit mer gefar
Denn sonst in der gewonheit war,
Endrung macht uneinigkeit und streit
Und greift gemeinlich gar zu weit.
Des Beißkopfs ler wer von viel jaren;
Die alten auch nicht narren waren;
Der alte glaub wer je der best,
Den solt man alzeit halten fest.
Und was wolt das geben für lermen,
Wenn jeder wolt was eigens schwermen
Und geistlich sein on alle orden,
Die aus der not gestiftet worden,
Damit man kont den falschen leren
Jederzeit fein ordentlich weren.
Dazu man auch must güter haben,
Die fromme leut got willig gaben;
Wer sie ihm nem, dem würd es gehen,
Wie man am adler hett gesehen,
Da er vom altar nam das best
Und fürts sein jungen in sein nest,[100]
Wust nicht, das ein kol daran hieng,
Davon gar bald das nest angieng,
Und nert die flammen von den winden,
Verbrant den vater mit den kinden.
Der geistlich güter macht gemein,
Wird, ehe er meint, ein betler sein. –
Die ander ursach war herkommen
Von dem ernst und eifer der frommen,
Die sich hielten von sünden rein,
Schlossen aus des himmels gemein
Alle, so unter Beißkopf lebten,
Bei irrenden schafen umschwebten.
Man solt sie alle verdamt nennen,
Wie auch Beißkopf alls wolt verbrennen,
Als Elias ehemals auch meint,
Got würd nicht finden seinen freund
Im land da man kelber anbet,
Dem Baal götlich er antet;
Da sonst andre gaben bericht,
Es wer gottes geheim gericht,
Ob nicht sein geist ein herz anrürt,
Da teglich würd sein wort gefürt,
Wenn gleich der rechte verstand noch schlief,
Doch kein mutwill mit unterlief.
Wie ehemals unter Phariseern,
Esseern und auch Saduceern,
Unter eim haufen böser leut
Etlich durch Christum sind erfreut.
Des worts schülr müst man unterscheiden
Von allen unberichten heiden
Und nicht so geschwind urteil sprechen,
Den bogen im spannen zubrechen. –
Die drit ursach war eigennutz:
Einer hoft von dem Beißkopf schutz,
Wolt seiner gnad und woltat leben,
Hoft, er würd ihm was großes geben;[101]
Der ander wolt es alsobald
Zu sich auch reißen mit gewalt,
Zur kirchen nutz gar nichts gestehen,
Solt auch die ler zu bodem gehen,
Odr wolt den nußkern selber essen,
Den glerten die schlauben zumessen.
Insonderheit dasselbig teten
Die fürsten, so die schwindsucht hetten
Aus unmeßigem zer erlangt,
Die ihren kindern noch anhangt. –
Daraus entstand mit großem streit
Die viert ursach: uneinigkeit,
Solchen misverstand, das eim möcht grauen;
Keiner durft dem ander vertrauen,
Keiner durft sich etwas anmaßen,
Weil er von andern war verlassen. –
Die fünfte ursach, die uns behaft,
War des storchs böse nachbarschaft,
Der uns zusatzt an allem ort,
Das wir nirgend vermochten fort,
Das wir auch musten sorge tragen,
Der Beißkopf würd sich zu ihm schlagen,
Verraten alle heimlichkeit,
Einfüren in den see gar weit.
So wer denn vollend alls verloren,
Der könig selbst, den wir erkoren. –
Die letzte und vornemst, die ich weiß:
Die geschwinde renk und großer fleiß,
So der Beißkopf und sein anhang
Angewandt hat nun ein zeitlang:
Er stellt sich unschuldig und from
Und behelt doch eins königs kron;
Er verheißt allen große gaben
Und stielt ihn alles was sie haben;
Er will schützen die religion
Und nimmet uns die region;[102]
Er will gottes kinder vertreten
Und mordet alle, die recht beten:
Wie davon zuvor ist gesagt.
Das ist der Unfall, der uns plagt,
Das wir den Beißkopf mit sein tücken
Damals nicht konten unterdrücken,
Und müssen es dahin verstehen:
Was got nicht will, das muß nicht gehen.
Der teufel bleibt mit seim geschlecht
Bis auf das letzt gericht und recht."
[103]
Ausgewählte Ausgaben von
Froschmeuseler
|
Buchempfehlung
Der junge Königssohn Philotas gerät während seines ersten militärischen Einsatzes in Gefangenschaft und befürchtet, dass er als Geisel seinen Vater erpressbar machen wird und der Krieg damit verloren wäre. Als er erfährt, dass umgekehrt auch Polytimet, der Sohn des feindlichen Königs Aridäus, gefangen genommen wurde, nimmt Philotas sich das Leben, um einen Austausch zu verhindern und seinem Vater den Kriegsgewinn zu ermöglichen. Lessing veröffentlichte das Trauerspiel um den unreifen Helden 1759 anonym.
32 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro