Das I. capitel.

[232] Ratschlag der berg- und wassergeister über diesen krieg.


Indem sich nun bewegt das land,

Zittert als ein baufellig wand,

Wenn große donnerwetter aufstehen

Odr lastwagen fürübergehen,

Darum das lermet überal

Das frosch- und meusvolk one zal:

Funden sich auf dem berg beisamen

Viel kleiner menlein one namen

Im weißen hemdlein, spitzign kappen,

Als man gewont an den bergknappen.

Zu den kam aus der see geflogen

Und in eim nebel aufgezogen

Die wassernixin wolgestalt,

Wie man die schöne Venus malt

Im gelben har und nackend ganz,

Trug einen weiß seeblumen kranz;

Also waren auch anzuschauen

Ihre mitfolgende jungfrauen.

Und sprach zu Heinzen dem bergman:

"Wofür siehst du dies wesen an?[232]

Wilt du deinen meusen beistehen,

So muß ich zu den fröschen gehen."

Heinz antwortet: "Ungern ich sehe,

Daß solch groß blutstürzen geschehe,

Drum hab ich nun etliche nacht

Ein groß kriegsgepolter gemacht,

Hab auch gezeigt viel abenteur

Mit hinfallendem licht und feur,

Mit blut, so in des königs sal

Aus einem todten hirschhorn quall,

Ob sie wolten sich schrecken lassen,

Keinen krieg ansahen dermaßen;

Aber ich hab vorlangst gesehen

Dies unglück in den sternen stehen,

Bin auch von den engeln bericht,

Das es durch verhengniß geschicht,

Und was got schloß in seinem rat,

Dawider hat kein weisheit stat;

Es folgt auch niemand guter ler,

Ob man ihn warnet noch so ser,

Man muß gehn lassen, wie es gehet,

Bis das dies unterst oben stehet

Und die sünd ihr straf hat empfangen,

Dafür sie langst ist sicher gangen.

Mich deucht aber das nicht gar fein,

Das aus deiner nixengemein

Ihr viel sich brauchen zu den sachen

Und diesen auflauf helfen machen.

Denn das der frosch die maus erseuft

Und jederman dem krieg zuleuft,

Als wenn sie weren rasend toll,

Das könt ihr nixen schaffen wol;

Und wenn ihr davon nicht wolt lassen,

Sondern euch der schlacht auch anmaßen,

So wollen wir uns auch nicht sparen,

Ihr solt ein widerstand erfaren.

Ich bin on das den fröschen gram

Und seß ihn lengst gern auf dem kam,[233]

Das sie mich oft machen bekant,

Wenn ich heimlich umschleich im land,

Und der mensch nicht in ruhe kan bleiben,

Weil sie des quakens so viel treiben."

Die nixin gab darauf bescheid:

"Das mir dies auch sei herzlich leid,

Hab ich damit erkleren wollen,

Das, da die meus ersaufen sollen,

Nun etlich nacht das wasser brant;

Das zeichen ist nicht unbekant.

Mein jungfrauen seufzten auch tief,

Als wenn eins aus dem wasser rief,

Damit zu deuten, das gefar

Und groß elend vorhanden war.

Ich hab auch nach Matthiastag,

Als berg, tat, feld voll schnee noch lag

Und das eis all wasser belegt,

Ein solch tauwettr und regn erregt,

Als selten ist zuvor geschehen,

In dreißig jaren nicht gesehen.

Die schneeberg liefen mit eim wunder

Bei tag und nacht schrecklich bergunter,

Rissen felsen, klausen mit abe,

Die beum kamen auch in eim trabe,

Stießen heuser, scheunen und stall

Ueber ein haufen in dem fall;

Weil auch gefroren war das land,

Das wasser nirgend ein durchbruch fand,

Lief aus dem wald, acker und auen

Von großem wind, regen und tauen

Zun quellen, seen, teichen, flüssen

Zusamen mit so großen güssen,

Das die eisschollen in eim krachen

Allenthalben sich erhoben und brachen,

Steg und brücken auf stücken rissen,

Zaun, wall, wand und heuser zerschmissen,[234]

Das sich fisch in den kirchen funden,

Das all keller voll wasser stunden,

Das die leut auf dem boden saßen,

Mit zittern das jammerbrot aßen,

Das der fuchs und wolf auf den weiden

Mit kren und weihen hatten zu streiten,

Das vieh mit seim hirten hinschwam

Und tot zu fremden völkern kam,

Als solt ein neue sintflut werden

Und alles erseufen auf erden.

Damit warnte ich jederman,

Sein sachen wol in acht zu han;

Denn fremd wasser fremd völker bringen,

Mit den geferlich ist zu ringen.

Das aber meine untertan

Das unglück helfen stiften an,

Mag wol sein, weil die jung fröschknaben

Selbst lust zu ihrem schaden haben.

Wer gerne tanzt, dem pfeift man bald;

Dem willgen geschicht kein gewalt.

Ich weiß auch wol, das keine maus

Zu dem krieg zög ins feld hinaus,

Wenn nicht ein geist sie fürt hinan,

Das dein volk auch meisterlich kan,

Und wenn ich wolt meine lust büßen,

Solt mich der erbeit nicht verdrießen,

Das ich die meus ins wasser schmiß

Und keine unerseufet ließ,

Darum das sie meinen froschleuten

Ihrs königs tod so übel deuten.

Dieweil ich aber gern vernommen,

Das ihr ihn nicht wolt zu hülf kommen,

So laß ich meine frösche auch bleiben,

Sie mögens ihrs gefallens treiben,

Bis got ihn setzet ziel und maß

Und steuret ihrem neid und haß.

Wir möchten über ihren sachen

Uns selbst ungelegenheit machen,[235]

Oder sterker geister erwecken,

Die uns unfreundlich würden schrecken,

Aus dieser wonung gar verjagen,

Oder durch gottes eifer plagen.

Wir wollen lieber beiderseit

Von hinnen zuschauen dem streit."

Das sagte sie; die andern all

Folgten ihr gern in diesem fall

Und satzten sich auch also fort

Unsichtiglich an ihren ort.
[236]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 232-237.
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