Das I. capitel.

[121] Wie Bröseldiebes tod offenbaret und der krieg beratschlaget wird.


Die poeten schreiben uns dies

Für warhaftig und ganz gewiß,

Das für etlichen tausend jaren

Große riesen auf erden waren,

Titanes genant und Giganten,

Die got für keinen herrn erkanten,

Wolten seinen donner nicht hören,

Vielmer den himmel gar zerstören,

Got mit gewalt daraus vertreiben,

Er solt für ihrer macht nicht bleiben;

Trugen also ins teufels namen

Große felsen und berg zusamen,

Hoch in die wolken aufgesetzt,

Das sie mit heeres kraft zuletzt

Wolten zu dem himmel eindringen

Und ihre vornemen volbringen;

Bis got sie nicht mehr toben ließ,

Mit blitz und donnr alles zerschmiß,[121]

Das berg und man auf stücken gehen,

Als noch am Brocken ist zu sehen

Und aller hohen klippen spitzen,

Die voll alter steinwacken sitzen. –

Mit solchem hochmut, trotz und pracht

Hat auch der meus und frösche macht

Wider einander krieg gefürt,

Mer gewütet denn wol gebürt,

Das auch got selbst den ungeheuern

Wollen mit seiner almacht steuern.

Das werd ich nun ferner beschreiben;

Wer verzagt ist, darf hie nicht bleiben.

Denn unterdes die frösch gemein

Alsemtlich itzund woltn aufsein,

Hat seines herrn zustand vernommen

Und war spet aus dem wald ankommen

Der jegermeister Tellerlecker

Und sein gesell der Butterwecker,

Brachten auch mit sich ihre man,

Die schauten das elend mit an,

Wie ihr herr nam seinen abscheid,

Und war ihnen von herzen leid,

Das sie ihn nicht konten erretten

Mit schwimmen oder wassertreten.

Sie liefen zwar um an den rand,

Besahens wasser und das land,

Als wenn ein gluckhenn sich erschreckt,

Die junge entlein hat geheckt

Und will zu ihn ins wasser laufen,

Aus furcht, das sie würden ersaufen;

Versuchtens mit schwimmen und waten,

Es wolt ihn kein anschlag geraten;

Das wasser drang ihn durch den mund,

Das sie als stein sanken zu grund.

Darum fiengen sie an zu zagen,

Zu heulen und die hend zu schlagen,[122]

Riefen ihm, das er seine seel

Gottes gnediger hand befel.

Noch mer fluchten sie allen fröschen,

Wolten sie beißen, kratzen, dreschen,

Das sie ihren könig ermordt,

Das war ihr klag, fluch und drauwort.

So kam heim das jammergeschrei,

Das Bröseldieb ersoffen sei.

Sie fürten auch ein frosch gefangen,

Der bericht, wie es wer zugangen.

Denn wie derselb aus großem schrecken

Sich für der schlang auch wolt verstecken

Und aus dem wasser kroch ins gras,

Verlegten sie ihm bald den paß

Und ergriffen ihn bei der hand,

Er must mit ihn wandern zu land.

Der könig abr und sein gemal,

Die hofdiener und bürger all

Erschraken erst von herzen grund,

Das sie niemand bedeuten kunt;

Als ob der feind ihr schloß und stete

Erstiegen und gewonnen hette.

Die königin insonderheit

Kont nicht gnug beklagen ihr leid,

Das Er, einiger erb im reich,

Das Er, schön, ihm niemand gleich,

Das Er, klug, manhaft, wolerfaren,

Das Er in den blühenden jaren

Elend im wasser wer gestorben,

Da die seel mit dem leib verdorben

Odr beim geist blieb, der immer frech

Den ersofnen die hels abbrech.

Und wer noch das hoch zu beklagen,

Das man ihn nicht zu grab solt tragen,

Sondern mitten im see vergessen

Und frösch und schlangen lassen fressen.[123]

Das klaft sie senlich reich und armen,

Jeder wolt sich des leids erbarmen.

Sie riß ihr kleider, ihr har und hend,

Lief mit der stirn wider die wend,

Fiel auf die erd, fiel auf ihr bette,

Sucht einsamkeit und finster stette,

Kam doch unsinnig wider her,

Rief: "Was mach ich nun immermer!

Wie habn wir das verschuldt bei got,

Das wir kommen in solche not?

Sein wir die sünder gar allein,

Hats nicht mügen ein ander sein

Von unsern baurn und armen leuten?

Nun seh ich, was mein treum bedeuten!

Ach das mein son nie wer geboren,

So hett ich ihn nicht so verloren;

Nun ist er hin, nun ist er tot!

Das zal dem frosch, du grechter got,

Mit ewigen hellischen flammen!"

So kam herzleid und zorn zusamen. –

Der vater abr macht nicht viel wort,

Sondern sandt boten alsofort

Hin durch sein ganzes königreich:

Das all werhaftig meus zugleich

Ankommen solten und sich besprechen,

Wie man die übeltat solt rechen;

Er wolt den fröschen das nicht schenken,

Sondern bezaln, sie soltens gedenken.

Die post reiset auch eilend fort,

Bis das sie kam an alle ort,

So dem meuskönigreich verwandt

Und in der nachbarschaft bekant,

Durch Europen insonderheit,

Denn andre wonten gar zu weit. –

Drauf fiengen die meus an zu wandern:

Aus Welschland, Spanien, Frankreich, Flandern,[124]

Aus Schweiz und ganzem deutschen land

Jeder sich zum könig fand,

Das bei tag und bei nacht zusamen

Unzelig viel meusmenner kamen

Und die mantier groß wunder nam,

Woher der große meuszug kam,

Vermeinten, es würd ihren leuten

Feur, wassr odr erdbidem bedeuten,

Dafür die meus wolten entlaufen,

Nicht mit brennen, sinken oder saufen.

Und vergiengen wenig monat,

Bis alle meus kamen zur stat.

Der könig aber und fürsten wolten,

Das sie zween tag ausruhen solten,

Essen, trinken und frölich sein,

Darnach würd man halten gmein,

Ihnen am dritten tag erkleren,

Wozu sie herberufen weren. –

Es fand sich auch ein poltergeist,

Welchr das gemein gerüchte heißt,

Ein seltsam vogel, hat im leder

So oft ein aug und or als feder,

So viel tausend zungen und sprachen,

Die hört man allenthalben krachen;

Das schleft nimmer, helt alzeit wacht,

Fleugt um und um bei tag und nacht

Und lauschet alle winkel aus,

Horcht ins land, in die stat und haus,

Nimt an was es ausrichten kan,

Sei warheit oder lügen dran,

Und rufts aus in der ganzen welt;

Jedoch es sich erst furchtsam stellt,

Druckt und duckt sich heimlich zusamen

Und will gar nicht haben den namen;

Je mer man aber von ihm sagt,

Wo es herkom, was es sei, fragt,[125]

Wie denn viel leut darauf geflissen,

Das sie des gerüchts hendel wissen,

Je er und mer es sich ausreckt,

Urplötzlich von einander streckt,

Das heupt bis an die wolken richt

Und tritt on scheu herfür ans licht,

Wandert schnell durch alle land daher

Mit seiner wunderneuen mer

Und lesset sich von niemand jagen,

Bis all welt weiß von ihm zu sagen,

Für ihm land, stat, dorf sich erschrecken,

Ihr herz zur furcht oder freud erwecken.

Darum all erlich biederleut

Sich hüten ihres lebens zeit,

Nichts böses tun, nichts böses sagen,

Darübr das grücht könt billig klagen;

Denn wen das grücht zum buben macht,

Der bleibt sein leben lang veracht;

Wer aber ein gut gewißen hat,

Unschuldig ist der übeltat,

Dennoch bös von sich reden hort,

Lacht im herzen der lesterwort,

Gedenkt: man hüt sich für der tat,

Der lesterlügen wird wol rat;

Es muß doch hie gelestert sein

Der sonst von allen lastern rein!

Was het der teufel mit sein leuten

In dieser welt sonst zu erbeiten?

Ein guts gewissen und erlich leben

Wird noch zuletzt in eren schweben;

Doch ists ein schatz, wenn grechte tat

Auch beim gerücht gut zeugnis hat.

Ein gut gewißen ist bei got,

Gutr nam bei menschen nutz und not. –

Das gerücht war zum fröschen komn,

Sobald es die zeitung vernomn,[126]

Berichtet, was die meus vornemen,

Wie heufig sie zusamen kemen.

Darum denn auch Bausback mit rat

Die frösch zu sich berufen hat

Aus allen seen, teichen, pfützen,

Zu erwarten der meuse trutzen,

Ob vielleicht auch behielt die zeit

Ein schwert das ander in die scheid.[127]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 121-128.
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