[34] Christus mit denen Jüngeren.
CHRISTUS.
Nun Jünger ist es gleich an dem,
Das ich geh nach Jerusalem.
Das Osterfest dorth zu begehen,
Was wohl am lezten wird geschen,
Peter! Johan! Zu disen mahl
Bereitet mir dorth einen Saal.
PETER.
Thue, meister! uns den mann andeuten,
Wo wür es sollen zu bereiten.[34]
CHRISTUS.
Ein mensch, der in gemelter statt
Ein topfen voll mit wasser hat,
Der wird euch dises mein begehren,
Ohn alle widerred gewehren.
Sagt nur, so bald ihr ihn erblikt,
das ich euch hab zu ihm geschikt.
Und er wird euch ohn zeit verlihren,
Mit sich in sein behausung führen,
Allwo wür in verlangten saal,
genißen dises abentmahl.
PETTER.
Wür haben deinen will vernommen,
Und eylen disem nachzukommen.
CHRISTUS.
Geht nur, wür folgen alsogleich,
Gott, und der friden sey mit euch.
Gehen ab.
Nun wird gar bald die stund anlangen,
In der mein leyden an wird fangen,
Wo alles nach der richtschnur geht,
Die in der schrifft verzeichnet steht.
Wan man mich wird am Creuz erheben,
Da werd ihr selbsten zeugnus geben,
Das, was mich jezo fliecht auf erd,
Ich alles zu mir ziehen werd.
JACOBUS ¸.
Ach herr! so hilfft dan gar kein bitten?
So mus es nunmehr sein gelitten?
Findt auch dein mutter kein gehör?
Ach meister! das ist gar zu schwär.
JACOBUS M.
Wan du doch unsre sindt wilst büeßen,
So lasse uns den trost genießen,
Entziech dich jezt noch der gefahr,
Verschon die Jung, und beste jahr.
CHRISTUS.
Ihr redet nur aus sinnlichkeiten,
Und wißt den willen nicht zu leithen,
Ich aber handle nach dem geist,
Der mich auf dise straßen weist.[35]
Meint ihr, ich könnt des Vatters willen
Nur zu gelegner zeith erfüllen?
Nein, dan gedenckt ich bin sein Sohn,
Der selben nur gehorchen kan.
Das zill, das er mir ausgesezet,
Wurd durch verweilen nur verlezet,
Rufft mich die zeit, so stimm ich ein,
Und denke stätts, jezt mus es sein.
Mein alter kan mich nicht bewegen,
Das jene werckh bey seits zu legen,
Zu deme ich von anbegin,
Gebohren, und gewachsen bin.
Mein ganzes leben war ein leyden,
So geh ich in den todt mit freyden,
Damit mein Vatter baldt geehrt,
Und durch mein bluth besänftigt werd.
Ja, liebste Jünger! in dem garten
Wird mich der meineyd baldt erwarthen,
So laßt uns also eylendts gehn,
Dan ich will noch mein mutter sehn.
Ab.
Buchempfehlung
Nach einem schmalen Band, den die Droste 1838 mit mäßigem Erfolg herausgab, erscheint 1844 bei Cotta ihre zweite und weit bedeutendere Lyrikausgabe. Die Ausgabe enthält ihre Heidebilder mit dem berühmten »Knaben im Moor«, die Balladen, darunter »Die Vergeltung« und neben vielen anderen die Gedichte »Am Turme« und »Das Spiegelbild«. Von dem Honorar für diese Ausgabe erwarb die Autorin ein idyllisches Weinbergshaus in Meersburg am Bodensee, wo sie vier Jahre später verstarb.
220 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro