Anderte Vorstellung

[143] Der reiche Prasser sizt bey einen mit speis und trankh wohlbesezten tisch: Lazarus sizt neben bey auf der er erdten, hebt eine handt auf die brust, und mit der anderen deutet er selben auf die geschwähr an denen füßen, als wan er ihn nemblich zum mitleyden bewegen wollte. Der Prasser aber wendet das gesicht von ihm ab, und strecket die handt aus werths gegen ihn aus, wie man es nemblich pflegt, wan man einem deutet er solle hinwegg gehen. NB. Lazarus ist auch in einen elenden[143] aufzug vorzustellen, wie nemlich der Job: Es kunten auch etwelche hund gemahlen, und vorgestellt werden, wie nemblich einer mit 2 füßen auf den tisch springt, als wan er eine fraß verlangte: ein anderer wie er dem Lazaros die geschwär an denen füßen ableket.


Secht hier den Praser sizen,

Bey wein, und speisen schwizen,

Da doch der arme Lazarus

Vor hunger fast verschmachten mus,

Und kein erbarmnuß findt.

Er zeigt ihm seine wunden,

Die ihn bewegen kunten,

Doch nein: er ist bey fremden leyd

Und schmerzen – voller traurigkeit

Im aug, und herzen blindt.


Es wird, sein ellendt zwahr dem Volckh auch Jesus zeigen,

Doch wird er es dardurch nicht zur erbarmnus neigen.

Pilatus wird zwahr sagn: seht disen menschen an,

Wan man als menschen doch ihn noch erkennen kan.

Doch alles ist umsonst, dan alles ist verbittert,

Man sicht ihn in das bluth ohn das man webt, und züttert.

Du sinder thuest es auch, wan du in sinden lebst,

Und dannoch ohne sorg nur stätts in freyden schwebst.

Dein Jesus redet dir durch sein erlittnen schmerzen

Mit nachtrukh, forcht, und lieb so offt, und tieff zu herzen,

Doch alles ist umsonst: du lebest ohne leyd,

So sech was ferners kommt, und zeig ein traurigkeit.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 143-144.
Lizenz:
Kategorien: