[145] Pilatus. Caiphas. Annas. Rebi. Populus.
PILATUS.
Wie könnt ihr wohl durch diß Begehren
Mir gar so sehr mein ambt beschwären,
Ein Richter soll, wie ich vermein
Gerecht, jedoch nicht grausam sein.
Kan mich wohl ein gesaz verbinden,
Den todt dem jenen anzukünden,
An dem, nach aller müh und fleis
Ich doch kein solch Verbrechen weis?
Nein meine herrn, meine waffen
Seindt nicht unschuldige zu straffen,
Doch baldt sich zeiget eine schuldt
Findt selbe auch bey mir kein huldt.
CAIPHAS.
Wo Rath und Volckh zusammen klagen,
Und dir die glatte Wahrheit sagen,
Wo selbst verdammet das gesaz
Hat ja die unschuld keinen blaz?
Pilatus glaube unsren ehren,
Wür reden keine weiber mähren,
Glaub das allhier des lasters feindt
Gewissenhafte männer seindt.
ANNAS.
Du wirst ja nicht verwerffen können,
Was so vill zeugen dir benennen,[145]
Verzeihe wan ich aufrecht bin,
Und sag es wär ein eigen sinn.
Es soll dich ja sein stättes schweigen
Der wahren anklag überzeigen,
Dan wan ihm wider Recht geschicht,
Warumen widerspricht er nicht?
PILATUS.
Was hat Herodes dan gerochen,
Bey dem er auch nichts widersprochen?
Wan er durch dises lasterhafft,
Warum wurd er nicht dorth gestrafft?
Herodes kunt halt auch nichts finden,
Bey allen den beweisthumb gründen,
Als das er ihn mit spoth, und hohn
Auffs höchste nur verachten kan.
REBI.
Die Wahrheit allhier zu gestehen,
Herodes wollt nur wunder sehen,
Und weill er keines kunt erfahrn
Bestrafft er ihn als einen Narrn.
Was unser klagen angetroffen
Befahl er uns auf dich zu hoffen,
Und nahm sich deines Rechts nicht an,
Obwohlen er sein unterthan.
PILATUS.
Doch thatt er auch zugleich erkennen,
Das man ihn nicht könn schuldig nennen,
Der todtesstraff: so saget dan
Wie ich ihn wohl verdammen kan?
Was ihr vor klagen angegeben
Das zeigt an ihm kein sträfflichs leben.
Ich lehrt euch ja aus eignen Mund
Wie man sie widerlegen kunt.
Ja ich nemm euch bey euren worthen,
Und zeige euch aus mehrer orthen,
Das er bey euch verdiensten voll,
Die man mit ehr belohnen soll.
Was hört ihr aus dem Mund der kranken,
Als das sie ihm ihr heyl zu dancken,
Bekennte nicht fast jedermann,
Er habe alles gut gethan?
CAIPHAS.
Seind wohl an ihm die werckh zu loben,
Die nichts als falsche teuffels proben?[146]
Wie das ein solche Hexerey
Von dir nicht zu bestraffen sey?
PILATUS.
Ist baldt geredt, doch nicht erwisen,
Mithin hat er bey allen disen
Das Recht der unschuld stätts vor sich,
Und diß allein beweget mich.
Weill nun das osterfest vorhanden,
Und die gebühr euch zu gestanden,
Das einer, den ihr selbst begehrt
Von denen ketten ledig werd.
Will ich euch disen mann entlassen
Doch wollt ihr disen schlus nicht fassen,
So geb ich den Barrabas frey,
Sagt welcher euch anständig sey?
ALLE.
Barrabas werde frey von ketten,
Und Christus bleibe, ihn zu tödten.
REBI.
Es sterbe Christus, und nur baldt,
Damit der Rhat sein ehr erhalt.
PILATUS.
Den Mörder also wollt ihr schonen,
Und dem gerechten nicht vergonen
Das er noch längers leben soll?
Ach meine herrn bedenckt euch wohl.
ALLE.
Barrabas werde frey von ketten,
Und Christus bleibe, ihn zu tödten.
ANNAS.
Es sterbe Christus! wohl bedacht
Ist von uns diser schlus gemacht.
ALLE.
Christus sterbe, Barrabas lebe.
PILATUS.
Damit ich euch ein zeugnuß gebe
Das ich als Richter euren sinn
Nicht gar zu widerspänstig bin.
Will ich nur kürzlich euretwegen
Die straff noch etwas überlegen.[147]
Verlasset mich ein kurze Zeit
Bis das ich gebe den Bescheidt.
ALLE.
Christus sterbe! Barrabas lebe!
Gehen ab.
PILATUS.
Was ich mich immer hier bestrebe,
Zu brechen disen eigensinn,
Sech ich doch, das ich nichts gewinn.
Diß hätt ich niemahls eingesehen,
Das ihm Barrabas vor soll gehen,
Da diser Mörder land, und statt
Doch stätts in forcht gesezet hat.
Doch wo der Neyd das herz verblendet,
Und von der tugendt abgewendet,
Da ist der willen freyer herr,
Und sicht auf keine Wahrheit mehr.
Ich weis kein andren schlus zu fassen,
Als das ich ihn will geislen lassen,
Villeicht fleßet ihnen dise pein
Noch endlich ein erbarmnuß ein.
Ich thue auch dises wider willen,
Und nur ihr blinde wuth zu stillen.
Der bleibt doch ein gerechter mann,
Der handlet, wie er handlen kan.
Gehet ab.
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