Zwölfter, und lezter Auftritt

[262] Wirdt aufgezohen: die Jünger stehen beysammen, und Thomas unter ihnen.


WÜRTH.

Nun ist es widrumb heither worden,

Man pflichtet auch an villen orthen

Wie ich vernommen auf das neu

Der Urständt Christi würckhlich bey.

Genüßet also diser zeiten,

In euren schon geschöpften freyden,

Ich geh zu sehen immerhin,

Wie ich noch manchen freindt gewinn.


Ab.
[262]

PETRUS.

Mein Thomas! sey nicht so verlegen,

Der herr war würckhlich hier zugegen.

Er aße mit uns an dem tisch,

Er aß, und gab uns von dem fisch.

THOMAS.

Ihr werdet mich so leicht nicht schrauben,

Sagt was ihr wollt, ich kans nicht glauben.

Und wan er auch vor mir sollt stehn,

Will ich doch seine wundmahl sehn.

Ja nach den narben seiner händen,

Will ich auch meine finger wenden,

Noch mehr, ich will auch derentwegn

Mein handt in seine seithen legn.

Der glauben soll mich nicht verführen,

Ich will ihn allenthalb berühren,

Und so lang dises nicht geschicht,

Sag ich euch rund, ich glaub es nicht.

ANDREAS.

Was vor ein wahn hat dich ergriffen,

Wie? du willst so die Wahrheit prüffen?

So wahr ich dir zu gutten bin,

Ist dises nur ein eigen sinn.

PHILIPPUS.

Sollst du mit unsren schimpf wohl derffen

So ville Zeignussen verwerffen?

Findt unser mundt bey dir kein orth,

So glaube doch des meisters worth.

THOMAS.

Ich schäz ihn mehrer als mein leben,

Doch mus mein handt mir Zeignuß geben,

Von diser will ich den Bericht,

Und widerholl: sonst glaub ich nicht.

JACOBUS ¸.

Ich will dir Thomas Prophetzeyen,

Das dich dein unglaub werde reuen, – –

Und sech! wer hier zugegen sey,


Christus kommet ganz ohnvermerckt herein, spricht dan zum Thomas.


Der frid sey mit euch: komm herbey,

Sech hier die wund mahl meiner händen

Und thue hiemit den unglaub enden,[263]

Leg dein handt in mein seith hinein,

Und thue hinfihro glaubig sein.

THOMAS kniet vor Christo nider, und legt sein handt in die rechte seithen.

Mein herr! Mein Gott! sech mich zu füßen,

Sech mein reu volle zäher fließen,

Ja ja mein unglaub hat die schuldt,

Das ich nicht würdig deiner huldt.

Doch laßt du dich von mir berühren

Mich nur zum glauben anzuführen,

Das macht, weill du mehr güttig bist,

Als meine schwachheit fähig ist.

Wer sollt, o herr! mehr von dir fliehen,

Wen soll dein lieb nicht an sich ziehen,

Ich, ich bekenn o hochstes gutt,

Dich wahrlich noch mit meinen bluth.

Ich glaub, und hoff an dich mein leben,

Den uns dein Vatter hat gegeben,

Damit durch dich die ganze erdt

Von ihren joch entladen werdt.

Diß will ich aller orth verkünden,

Und mich in deiner Zeignuß gründen,

Sollt ich auch gleich mein zeitlichs lebn,

An disen werckh verlohren gebn.

Nur disen fehler mir verzeihe,

Und führohin dein gnadt verleihe,

So werd ich dich bis in den todt,

Stätts lieben, o mein herr! und gott!

CHRISTUS.

Mein Thomas! weill du mich gesehen

Persönlich hier vor augen stehen,

So gehest du nunmehr in dich

Bereust dein thatt, und glaubst an mich.

Doch seelig seind die nicht gesehen,

Und doch in ihrer treu bestehen,

Stätts glauben was von kindtheit an

Ich bis auf jezt vor sie gethan.


Thomas stehet auf, und gehet unter die andere Jünger.


Nun hört wie ihr euch anzuwenden,

Wie mich mein Vatter thätte senden,

Zu eben disen endt, und zihl,

Ich euch zum Völckhren senden will.[264]

Der wahrheit geist wirdt in euch flüßen,

Sich durch euch in die weldt ausgüßen,

Mein nahm wird auf der ganzen erdt

Geprisen werden und verehrt.

Dem ihr die sinden werdt vergeben,

Der wird bey gott auch ewig leben,

Dem sie von euch behalten seind,

Der ist und bleibt auch gottes feindt.

Laßt also euren eyfer sehen,

In jene lander hinzugehen,

Wo euch hin sendet euer gott

ALLE.

Herr! Dir zu lieb auch in den todt.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 262-265.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

106 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon