Vierzehnte Szene

[149] Vorige ohne den ersten Gefangenen.


DIE FRAU. Zu Ende diese Welt. Ermordet mein Blut. Tot mein Weg! – Und ich half nicht. Ich stand dabei! – Ich lebe noch! – Die Glieder dorren schlaff an meinem Leib. – Versunken sind die Häuser. Hier ist Wald; dunkler Wald rings. Meine Haare wehen um die Stämme, daß ich weiß: hier endet mein Leben. – Ich gehe von euch.

DER OFFIZIER. Ich bin mit dir.

DIE FRAU. O täusche dich nicht. Was du an mir sahst, ist zu Ende. Ich bin über alle Stufen des dunkelsten Lebens geschritten, nun werde ich vergessen, was ich wußte, und in das zweite Leben sinken. Ihr seid höher als ich. Vergeßt mich. Ich bin euch verschwunden.

DER OFFIZIER. Ich bin nicht höher. Ich warf meine Gewalt hin. Ich bin nur ein einfacher Mensch noch. Ich lebe mit dir.

DIE FRAU. Wölfin bin ich geworden. Laßt mich allein. Die Wölfin beißt.

DER OFFIZIER. Mit dir bleibe ich allein. Mit dir grabe ich die Erde. Mit dir in der Arbeit der Hände weiß ich[149] nichts mehr von den Strömen der Vergangenheit. Auf der harten Erde schaffen wir von Jahreszeit zu Jahreszeit. Auf engem Raum, fern von großen Stunden. Klein und unscheinbar sind wir geworden. Vergessen vom Morgenreich, an dem wir schufen.

DIE FRAU. Ein einfacher Mensch. Die große Hölle ist vorüber. Alle Menschen sehen den Stern. Komm zu mir, du Vergessensein!

DER JUNGE MENSCH zum Offizier. Bauer wirst du sein. Still sitzen. Vergangenheit brüten; die Welt zurückhalten! Hindern! – Und also – sind wir Gegner?

DER OFFIZIER. Nicht Gegner! – Morgen leben andere an meiner Statt. Ich bin nur ein Geringer. Ich will vergessen sein in meiner Arbeit für euch.


Die Frau und der Offizier ab.


Quelle:
Ludwig Rubiner: Der Dichter greift in die Politik. Leipzig 1976, S. 149-150.
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