Vierte Szene

[136] Vorige ohne den Bürger und die drei Bürger.


DER MANN. Die Gewalt gegen uns – die letzte Gewalt!

NAUKE hinter den Bürgern her. Ich verstehe nicht. Auf dem Schiff ist es immer gegangen. So bleibe doch, so höre doch. Ich versuch es noch einmal – früher ist es doch immer geglückt! – Er ist fort! Was ist denn das? Was mach ich denn? Ich verstehe nicht! Erblickt die Brüder. Ah, ihr! Sagt mir, wie kommt es, daß ich's nicht traf? Ich fühlte, wie mein Wille an die Luft prallte und zerbrach. Was geschah? Ich versteh nicht. Ich tat, was wir auf dem Schiffe taten, und diesmal ging es nicht! Sagt mir! –

DIE FRAU. Uns fragst du? Du? Ein Verräter!

NAUKE. Ah – ja! Ich vergaß! Ihr nennt mich Verräter. Aber wenn ich tue wie ihr – ist es dann nicht gleich, wozu?

KLOTZ. Nein, es ist nicht gleich. Du nahmst unsere Worte – aber ohne unser Ziel sind sie tote Leichenhüllen – und dientest mit ihnen den Feinden! Verräter!

NAUKE. Verräter! – Verräter! So leicht wird das gesagt. Verräter? Aber ich verstehe nicht!

DER GOUVERNEUR. Was wir in Gemeinschaft tun müssen für alle, in höchster Liebe und in der Hingabe des Herzens und des Lebens, das tatest du allein, als Einzelner, aus Machtlust und Betrug. Um Lohn. Für die Gewalt! Darum Verräter!

NAUKE. Ich verstehe nicht. Ich tat wie ihr. Wo ist der Betrug? Sieht auf die beiden alten Gefangenen. Sind die beiden Alten mehr als ich? Sieht auf den Offizier. Ist der Junge stärker als ich? Auf Anna. Bei der lag ich – ist die größer als ich? Ihr sagt, ich ein Verräter? Ah, es wird klar, ihr habt mich heimlich umstellt, ihr habt mich in eine Falle gelockt, um mich schwach zu machen, um mir mein Echo zu zerschneiden, um mich bloßzustellen! Ich Betrug!? Ihr seid die Betrüger! Ihr habt vor mir gegaukelt und habt mich glauben lassen, auch ich könnte wie ihr. Betrüger! Verräter, Verräter – ihr! Feinde sagt ihr? Den Feinden dien ich? Den Bürgern? Und ihr? – ihr Lügner! Bürger seid ihr, ihr selbst! Bürger! Ausbeuter. [136] Zum Mann. Du bist ein Bürgersöhnchen! Zu Klotz. Du bist ein Geheimredner und treibst Volksschacher! Zum Gouverneur. Du bist ein ehemaliger Gouverneur – das kannst du nie vergessen! Ihr habt mich verlockt, ihr habt mich betrogen, ihr habt mich um mein frohes Leben gebracht. Ich verfluche euch. Ich hasse euch! Ihr sollt es zahlen! Volk, Volk, hier sind deine Feinde, hier sind deine Ausbeuter, hier sind die Bürger. Die Betrüger. Die Verräter. Er stürzt hinaus. Von draußen. Volk, Volk! Greif die Betrüger!


Quelle:
Ludwig Rubiner: Der Dichter greift in die Politik. Leipzig 1976, S. 136-137.
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