[Ja, ich schwör's bei deiner Seele]

Ja, ich schwör's bei deiner Seele

– Und es ist ein grosser Schwur –

Ohne dich liegt meine Seele

Stets in grossen Banden nur.


Wenn auch Chiser, hochbeglücket,

Einst den Quell des Lebens fand,

Zieht doch immer grosse Sehnsucht

Ihn an deiner Lippen Rand.


Vieles hab' ich noch zu sprechen

Ueber dich und nur mit dir;

Doch ich schweige: es ist Schweigen

Eine grosse Lehre mir.


Wen die Furcht dir zu missfallen

Tiefes Schweigen hat gelehrt,

Wird von mir als grosser Weiser

Hochgeachtet und verehrt.


Wer um dich der Tugend Pfade

Frevelnd zu verlassen scheint,

Bleibt in meinen Augen immer

Nur ein grosser Tugendfreund.


Vor dein Antlitz fall' ich nieder,

Einem leeren Schatten gleich;

Doch kein Fall, ein grosser Flug ist's

In der Seligkeit Bereich.


Als ein mächtiges Geschenke

Ward dir Bagdad zuerkannt,

Und als grosser Zuckerballen

Prangt für dich ganz Samarkand.[47]


Diess Geschenk und dieser Zucker

Reizen meine Lüsternheit,

Und doch kennt man allenthalben

Meine grosse Mässigkeit.


Von Verwandten und von Freunden

Trennt mich grausam deine Hand:

Denn das Band, das dir mich einet,

Ist fürwahr ein grosses Band!


Schweige, wie die Liebe schweiget,

Du der Liebe holdes Kind!

Wenn gleich alle deine Worte

Söhne grossen Stammes sind.


Hin zum Bügel von Tebrisens

Sonne flücht' ich immerdar:

Denn der gold'nen Sonne Sattel

Ist ein grosser Gau fürwahr!

Quelle:
Rumi, Ǧalal o’d-din: Auswahl aus den Diwanen. Wien 1838, S. 45-49.
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