[Zart ist jene Glaubenssonne]

Zart ist jene Glaubenssonne,

Wie kein Joseph je noch war,

Zart, wie keiner der Monarchen,

Die der Zeiten Schoos gebar.

Ueber Könige und Fürsten

Ragt sie hundertfach empor:

Zart ist sie im Kreise Jener,

Die Gott schauen hell und klar.

Durch die göttlichsten der Gaben

Schmückt sie der Vollendung Zier;

Zart ist sie auf jedem Sitze

Und auf jenem Throne gar.

Sie verschönt das Glück des Friedens,

Sie verherrlicht jeden Kampf:

Zart ist sie beim Friedensfeste

Und beim Kampfe immerdar.

Seiner Schätze gold'nen Schlüssel

Legt der Schöpfer vor sie hin;

Zart ist sie, weil sie, beseligt,

Seine Liebe ward gewahr.

Unter hunderttausend Monden

Glänzt sie wie der Sonne Licht;

Zart stellt unter'm Fürstenlobe

Sich ihr eig'nes Lob uns dar.

Wer zum Fussstaub ihr geworden,

Hebt das Haupt mit Stolz empor:

Zart ist, wen ihr Wein berauschte,

In der trunk'nen Männer Schaar.

Blick' auf jene Meereswoge,

Die die Frömmsten selber scheu'n:

Zart schläft sie auf jener Woge,

In der Mitte der Gefahr.

Quelle:
Rumi, Ǧalal o’d-din: Auswahl aus den Diwanen. Wien 1838, S. 151-153.
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