Actus IV.

[56] DER MARGGRAFF geet ein mit Antoni, gibt im sein betschir-ring unnd spricht.

Reyt eylend gehn Bononia

Zumb graven von Banocho da!

Bring im den brieff! darbey im sag,

Das er mir, so bald als er mag,

Bring unser tochter und den sun

Und soll darzu nicht anders thun,

Als seis sein tochter und mein braut,

Die mir sey ehlichen vertrawt.


Antoni geet ab; der fürst verbirgt sich; die zwen rät kummen.


MARCO spricht.[56]

Ach Got, wie nimbt mich so groß wunder,

Was unsere herren gnad besunder

Für ein unsinnigkeyt thut nöten,

Das er sein eygne kind lest tödten,

Tochter und sun nun alle zwey!

Im land geht gar ein böß geschrey

Über solch tyrannische that.

Auff dem lande und in der stat

Vermeyn, er sey kummen von sinnen.

THERELLO, DER ANDER RAT spricht.

O schweigt! und solt ers werden innen,

Er sölt uns in als unglück stosen.

Doch (hie geredt undter der rosen!)

Er hats gethan an unsern rat.

Unser keyner schuld daran hat.

Wir hettens sunst gestattet nit.

Ich glaub, er dretz die fürsten mit.

Uns zimbt ihn nicht drumb an zu reden.

MARCO, DER ERST RAT spricht.

Es gezimbt und stet zu uns beden

Zu handhaben gemeinen nutz,

Weil der fürst nit verschont seins bluts.

Wurs mit der zeit uber uns gan,

Wir wöllen in drumb reden an.

DER MARGGRAFF schleicht herfür unnd spricht.

Was ist die sach zwischen euch beden,

Das ir uns darumb wölt anreden?

MARCO, DER RAT spricht.

Da red wir von dem jungen herrn

Und jungen frewlein gar von ferrn,

Die durch geheyß ewer genaden

Erbermlich haben gnummen schaden.

Diese handlung dunckt uns zu streng,

Dergleich des gantzen volckes meng.

Wolt Got, und es wer nie geschehen![57]

DER MARGGRAFF spricht trutzig.

Was wölt ir denn all beyd hie jehen,

Wenn ich das weyb auch von mir stoß

Wider zu ihrem vatter bloß?

Wann ich hab deß bäbstlichen gwalt.

Drumb ichs nit lenger bey mir bhalt.

Der babst hat mit mir dispensirt.

Derhalb hab ich schon procurirt

Umbs graven tochter hochgeborn

Von Banacho die ausserkorn.

Was soll ich mit der bewrin thon,

Da eytel bauren kummen von?

MARCO, DER ERST RAT spricht.

Gnediger herr, ich thet sein nit.

Ewer gnad ich für die frawen bitt.

Ewer gnad hats ins vierzehend jar

Inn aller ghorsamkeit fürwar.

Ewer gnad wirts nit verbessern wol.

THERELLO, DER ANDER RAT.

Irs lobs das gantze land ist vol.

Sie bat gnedig helfen regiern.

Das volck wirts nit geren verliern.

Begnad sie! bitt wir alle bed.


Sie neygen beyd tieff; der fürst spricht.


Schweigt! es hilfft kein bitt noch einred.

Geh, ehrenholt! die fürstin bring!

Sprich, ich dürff ir eylender ding!


Die fürstin kumpt, neigt sich und spricht.


Gnediger herr, was ist ewer beger,

Das ir mich holen last hieher?

DER MARGGRAFF zeigt ir die bäbstlich bullen und spricht.

Griselda, merck! den bscheyd du habst!

Unser heyliger vatter babst

Hat uns erlaubt und des gwalt geben,[58]

Das ich forthin mag ehlich leben

Mit eynem andren weib an dadel,

Die mir gemeß sey an dem adel,

Die uns wirt kummen in kurtzen tagen.

Darumb thu ich dir ernstlich sagen,

Das du mein weib nicht mehr wirst sein.

Derhalb nem die haußstewer dein!

Geh wider in deins vaters hauß!

Die landschafft thut dich treyben auß,

Die ist sampt uns dein urderütz,

Weyl du bist pewrisch und kein nütz.

Doch laß dir leicht sein das gelück,

Weyl es gar wanckel ist und flück!

DIE FÜRSTIN spricht.

O edler herr, ich hab vor lang

Betrachtet wol in dem anfang,

Das ich mit meiner schlechtn geburt

Ewer gnaden nie wirdig wurd,

Das ich möcht ewer dieren sein,

Ich schweyg ewer gmahel allein,

Hab mich auch auff dem fürstling sal

Ewer dienerin geschetzt allmal.

Was ehr und guts mir widerfarn

Bey ewern gnad in vierzehen jarn,

Das danck ich Gott und euch der gaben.

Will ewer gnad mich nit mehr haben,

So will ich willig gehn hinnauß

Wider in meines vaters hauß,

Mein zeit wie vor in armut vertreyben

Und ein selige witfraw pleiben,

Weyl ich ewer gmahel gwesen bin.

Eurn gmahel-ring nembt wider hin!

Auch zeuch ich all mein kleyder ab,

Der ich keynes zu euch bracht hab.

Mein andre kleyder, schmuck und zier

Werd in der kemnat finden ir,

Von der wegen sich iederman

In neyd gen mir hat zündet an.[59]

Noch hab ich zu ewer gnad ein bitt,

Ir wölt mich so bloß nacket nit

Lassen zu meinem vatter gan,

Weyl ich bey euch gelassen han

Mein jungkfrewliche reynigkeyt.

Darfür last meinen leib bekleyt

Mit eym hembd, das man nit bloß sech

Mein leyb! doch, was ir wölt, das gschech!

DER FÜRST spricht.

Das hembd magst du behalten an,

In deines vaters hauß zu gan.


Der fürst geet ab; das ander hoff-gesind geet mit der fürstin umb.


TERELLO spricht.

Ach Gott, wer soll trawen dem glück?

Wie steckt es so vol falscher dück!

Die auß den pawren wirt erwelt

Zu einer marggrävin gezelt,

Wirt wider gstossen zu den bawren.

Ir trübsal thut uns alle dauren.

JANICALUS geet ihr entgegen, tregt ire kleyder am arm und spricht.

O tochter, wie elend kumbst her!

Mein hertz das war mir allmal schwer,

Die heyrat nemb kein gutes end,

Weyl groß herren so wanckel send.

Was sie lust, das mügen sie thon,

Wens an einer verfürwitzt hon,

Wie an dir ist geschehen leyder.

Darumb hab ich dir deine kleyder

Also fleissig noch auff behalten.

Dacht wol: wenn sein lieb wird erkalten,

So wird er dich auß-stossen wider.

GRISELDA spricht.

Vatter, mein herr ist frumb und bider.

On groß ursach hat ers nit than.[60]

Drumb ich ims nit verargen kan.

Mein vatter, laß mich bey dir bleyben,

Meins lebens zeit bey dir vertreyben,

Wie wir inn armut uns vertrugend

In meiner erst blüenden jugent!

Mein schatz und adel bleibt die tugent.


Sie gehen alle auß.


Quelle:
Hans Sachs. Band 2, Tübingen 1870–1908, S. 56-61.
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