§. 3. Verbannen der Geister.

[113] Menschen, welche in ihrem Leben sich grosser Verbrechen schuldig gemacht haben und, ohne sie zu sühnen, aus der Welt getreten sind, belästigen nach ihrem Tode als Geister das Haus, in welchem sie gewohnt, durch Lärmen, Poltern, Werfen, Erschrecken – oder sind an dem Orte festgehalten, wo sie das Verbrechen begangen und necken und quälen von da aus in einem bestimmten Umkreise den Wanderer, den sie meistens in die Irre führen, oder, so er selbst nicht rein, an Leib und Leben beschädigen.

Um diese Spuckgeister zu vertreiben, wird der Priester gerufen, der von seiner Kirche die Vollmacht hat, böse Geister an ferngelegene Orte zu bannen, wo sie nicht mehr Unruhe machen können, oder selbst sie hinzutragen oder hintragen zu lassen. Doch muß der Priester ein Mann Gottes seyn, welcher durch frommes Leben dem Herrn treu dient und keine Schuld auf sich hat. Auch soll es einer seyn, der die[113] hohe Weihe besitzt, wie ein Jesuwiter oder sonst ein Klostergeistlicher. Nach Aufhebung der ersteren waren es besonders die Franziskaner, welche die Macht des Bannens besassen und seit Aufhebung der Klöster wendet sich das Volk den Frühmessern zu, jenen Weltgeistlichen, welche am frühen Morgen für jene die hl. Messe lesen, so dem feyerlichen Gottesdienste an Sonn- und Feyertagen nicht beywohnen können.

Im Gegensatze zu ihnen stehen die Feilenhauer, in Mittelfranken die Kaminkehrer, welche die Geister vertragen, aber mit Hilfe des Bösen, und daher bey den Teufelsmenschen des Näheren besprochen werden.

Der Priester übt gewöhnlich nur den Geisterbann aus; dabey wird der böse Geist vorerst in Gestalt eines Thieres, meist eines Raben oder einer Krähe vorgerufen und in ein Behältniß hineingesprochen, um auf eine öde Stelle, gewöhnlich in einen sumpfigen Wald, vertragen zu werden. Es hilft ihm dabey nicht, daß er bittet, ihm einen anderen Ort, den er meist in Räthseln andeutet, zu bestimmen: man kennt seine List und mißtraut ihm.

Die sogenannten Ranzenmänner vertragen dann im Auftrage des bannenden Priesters den Geist. Ranzenmann kann nur seyn, wer an einem der vier Jahressonntage geboren ist und kein Verbrechen auf sich hat. Der Priester liest gewöhnlich zuvor den unruhigen Geist in eine Schachtel oder Büchse hinein und gibt diese dem Ranzenmann, der sie seinen Ranzen versteckt. Zugleich erhält er vom Priester eine geweihte Haselruthe,[114] womit er den Geist, wenn er auf dem Wege zu schwer oder zu unruhig wird, zur Ruhe bringe.

Ehe die Sonne aufgeht, oder ehe es zwölf Uhr Mittags oder Mitternachts schlägt, oder ehe die Abendglocke läutet, muß der Mann auf dem Platze seyn: da nimmt er die Schachtel heraus und wirft sie hin, oder wenn der Geist gleich in den Ranzen gelesen ist, schlägt er mit der geweihten Ruthe unter gewissen Worten so lange auf den Ranzen, bis der Geist heraus und in das Loch im Weiher oder Sumpfe hineingeht, wobey es an starker Erschütterung der Erde und Gestank nicht fehlt. Oft bittet dieser zuvor um Urlaub, alle hundert oder fünfzig oder zehn Jahre auf eine Viertelstunde an einen beliebigen Ort herauszudürfen; beyde handeln dann einige Zeit darüber herum, bis der Geist die Erlaubniß erhält, zu gewissen Zeiten auf eine Viertelstunde als Krähe oder Rabe auf einen Baum oder einen Stock sich setzen zu dürfen. Beym Fortgehen darf der Ranzenmann nicht umschauen, mag ihn Spuck auch noch so sehr ängstigen, sonst wechseln beyde die Rolle. Kürn. Neuenhammer.

Ein eigener Bann, der nicht von Menschen ausgeht, ruht auf jenen Verdammten, welche in die Schmelcher oder Schmelber, eine hohe schlanke Grasart, hineingebannt sind. Darum soll man dieses Gras nicht abreissen, noch weniger mit sich nehmen, nicht in den Zähnen damit stüren, oder gar aus ihnen Wasser in den Mund ziehen, damit die bösen Geister nicht in den Menschen kommen. Velburg. Neuenhammer.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 3, Augsburg 1857/58/59, S. 113-115.
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