§. 4. Das Weisad.

[174] Das Weisad ist die Gabe, welche die Gevatterin der Kindsmutter an Lebensmitteln für die Zeit der Kindbett bringen muß. Die Zeit, wann sie gereicht wird, ist sehr verschieden.

In Fronau und Neukirchen bringt es die Gevatterin drey Tag nach der Geburt, bestehend in einer alten Henne, der Gevatter- oder Kindbetthenne, zur[174] Kraftsuppe, einer Schüssel feinen Mehles mit Eyern besteckt, und Reis, dann Schnullerbrod und Kandiszucker fürs Kind. Kaffee und Zucker war vor dreyßig Jahren noch unbekannt, jetzt ist beydes unentbehrlich.

Zu Bärnau läßt die Gevatterin die Henne mit gebundenen Füßen zur Stubenthüre hineinflattern. Diese Kindbetthenne spielt schon in den ältesten Zeiten ihre Rolle; nach Grimm D.R. 446 durften Wöchnerinen die schuldigen Zins- und Rauchhühner essen, wenn sie nur dem einsagenden Amtmann die Köpfe davon ablieferten.

Anderswo, wie um Waldmünchen, wird das Weisad gleich nach der Taufe, in Treffelstein noch vor derselben gegeben; der Gevatter trägt an seinem Stocke die Semmeln in einem weißen Tuche, die Dod eine Schüssel mit Mehl und Eyer.

Um Rötz wird es am vierzehnten Tage nach dem Kirchgang gebracht, und zwar Nachmittags, und sogleich ein kleines Mahl für die Frauenleute bereitet, an welchem auch die nun erstarkte Kindbetterin theilnehmen darf.

Dieses ist das eigentliche Kindbettmahl, verschieden von dem Taufmahle, von welchem sich die Kindbetterin ihrer Schwäche halber ferne halten muß, und wird an manchen Orten auch ganz unabhängig am achten oder zehnten Tage nach der Entbindung unter dem Namen »Gar Alles« gehalten, in ganz feyerlicher Weise zu Ehren der Mutter und so reich, daß die Gäste ihren »Bescheid« mit nach Hause nehmen.

Um Roding bringen auch die Anverwandten der[175] Kindbetterin Lebensmittel; eine besonders schöne Sitte besteht aber in Geigant: so wie nämlich das Kind von der Taufe der Mutter zurückgegeben ist, kommen die Nachbarsweiber aus dem ganzen Dorfe bey ihr zusammen und bringen dem Kinde Semmeln und Zucker, wäre es auch nur um eines Kreuzers werth, damit es nicht neidisch werde. Die Weiber halten so viel auf diesen Brauch, daß keine ihn versäumt, und selbst solche kommen, die das ganze Jahr hindurch mit der Mutter in Feindschaft gelebt haben. Der Tauftag wird so zum Versöhnungstage.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 174-176.
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