10.

[402] Am Tage zuvor, ehe ausgedroschen wird, d.h. zum letztenmale, macht sich der Oberknecht eine hölzerne Gais, die er sich an die Schulter hängt und zwischen die Beine nimmt; er selbst verkleidet sich und bedeckt sich und die Gais mit einem großen Mantel, damit man seine Füsse nicht sehe und es den Anschein habe, als reite er wirklich auf der Gais.

So reitet er zuerst zur Bäuerin und meldet ihr, daß morgen ausgedroschen wird, sie sich also zum Ausdrisch richten möge. Dann zieht er von Haus zu Haus und ruft zum Fenster hinein: »d'Hobagoas,« und benennt dabey den Bauern, bey dem ausgedroschen wird.

Am anderen Tage Abends zwischen fünf und sechs Uhr, wird dann das Freudenmahl gehalten, wovon die nächsten Verwandten, auch auswärts wohnende, und die jungen Leute des Ortes Theil nehmen aus den Häusern, an welche die Habergais kam.

Zu dem Mahle kommt nicht Fleisch, sondern nur Mehlspeise, und zwar von dem Mehle der vier Getraidearten. Der Trunk ist Bier, auch Schnaps. Wenn möglich, wird getanzt. Es ist der Ausdrisch. So geht es bey jedem Bauer. Tiefenbach.

Abschnitt und Ausdrisch sind Reste heidnischer Opfermahle, den Hausgöttern dargebracht. Der Heide dankt seinen Göttern für jede Gabe, die ihm wird.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 402.
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