9.

[114] Es war ein Mädchen, welches Abscheu hatte vor der Ehe, der Kinder wegen, die sie nicht liebte, und schritt erst dann zur Ehe, als ihre Zeit um war; denn sie wurde wegen ihres Geldes gesucht.

Der Priester aber, dem sie vor der Trauung beichtete, behielt ihr die Sünde, weil durch ihr Verschulden sieben Wesen nicht zur Welt gekommen wären, und gebot ihr eine Fahrt nach Rom zum Pabste.

So ging sie in Begleitung ihres Bräutigams zum Pabste nach Rom, aber dieser strafte sie und sendete sie heim mit dem Befehle, stets allein auf dem Wege[114] zu schlafen, und den Ungeheuern, welche ihr begegnen würden, nicht auszuweichen, noch über sie zu steigen.

Es legten sich aber drey fürchterliche Ungeheuer an drey Stationen in den Weg, das erste ein Bär, das letzte eine Schlange, und sie kniete sich vor sie hin, und umfing und küßte sie, und die Ungeheuer hoben sich aus dem Wege.

In der letzten Nachtherberge kam sie am Morgen nicht herunter; man sandte ein Kind hinauf, nach ihr zu schauen. Als dieses die Thüre öffnete, sah es eine weiße Taube aus dem Bette auf zum Fenster hinaus fliegen. Man suchte in dem Bette nach, es waren nur mehr Gebeine drin. Das letzte Ungeheuer war in der Nacht gekommen, und hatte zur Strafe den Leib verzehrt; die Seele aber war gerettet. Rötz.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 1, Augsburg 1857/58/59, S. 114-115.
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