§. 2. Das Ochsenkopf.

[238] Viel besprochen im Munde des Volkes sind die Schätze, welche das Fichtelgebirg in sich verschließt, und was die Sage in geheimnißvollen Worten andeutet, bestätigen Ortsbenennungen, wie Goldkronach, Goldbrunnen, Silberbrunnen u.s.w. Jedem Bewohner ist der altüberkommene Satz gegenwärtig: »Wirft Mancher da einen Stein nach der Kuh, und ist der Stein mehr werth als die Kuh.« Einige fuhren schon ein mit Wagen und Pferd; ein Geselle schlich ihnen nach; lange ging es da fort, bis ein Bach kam; leicht gingen die Fuhrleute hindurch, er aber konnte nicht hinüber, und kehrte daher zurück, um draussen zu warten; da sah er die Fuhrleute mit vollen Wagen hinausfahren. Es waren wohl Venetianer; denn ein Deutscher kann keine Schätze mehr finden, seit sie für ihn verbannt sind. Bärnau.

Nördlich und südlich vom Gebirge laufen die Goldadern aus. Eine solche trat bey Münchberg in der Dicke eines Blochs zu Tage, in der Goldgrube, welche noch heut zu Tage zu sehen ist. Ein altes Weib verwünschte sie in ihrer Bosheit auf so viele Jahre, als Körner in einen Metzen gehen; seitdem ist kein Gold[238] mehr zu finden. Denn was sonst die Alten wünschten, wurde wahr. – Wenn die Plössener in die Kirche nach Münchberg wollten, mußte ein Theil auf Umwegen über Poppenreut, ein anderer über Straß gehen. Da opferten sie zwey goldene Kelche in die Kirche, und seitdem dürfen sie gerade über den Berg hin gehen.

Hier sind es nun zwey Oertlichkeiten, welche in der Sage vorzügliche Berühmtheit erlangt haben, das Haupt des Gebirges, der Ochsenkopf, dann jene Gruben, welche südlich hin unter dem Namen der Hankerlgruben bekannt sind. Auf dem Ochsenkopf befindet sich nach der Sage eine Kapelle, die Geisterkapelle, gerade unter dem Felsen, welcher der Kirche von Bischofsgrün gegenüber liegt, gefüllt mit unendlichen Schätzen an Gold und Edelsteinen. Am Johannestage, wenn der Pfarrer von Bischofsgrün das Evangelium von der Kanzel herabverkündet, öffnet sich die Kapelle, um mit Ende des Evangeliums sich wieder zu schliessen. Wehe dem, der dann die Frist übersieht: er wird zurückbehalten. Dagegen glücklich, der die kurze Zeit zu benützen wußte: er kehrt reichbeladen heim. – An diesem Tage wächst dort eine einzige Blume ihrer Art: sie ist der Schlüssel zum Oeffnen der Kapelle. Vor vielen hundert Jahren glückte es mehreren Landleuten der Gegend, sie zu finden und die Kapelle zu öffnen: sie konnten sich nicht sattsehen an den Herrlichkeiten drinnen; Altäre und Kanzel waren von Gold, die Säulen von Silber, mit Edelsteinen besetzt. – Einst regnete es an diesem Tage, und der Köhler wollte seine Kohlen retten und war in[239] den Wald geeilt, als die Glocken eben zusammenläuteten. Da sah er die Kapelle offen, trat ein, und der Glanz eines goldenen Altares trat ihm entgegen. Er lief nach Hause, um Leute zu holen, allein das Läuten nahm ein Ende und der Köhler vernahm nur mehr das Zusammenstürzen der Kapelle. Waltershof.

Auf diesem Berge ist auch ein verwunschenes Schloß mit vielen Schätzen versunken. Wenn am Johannestag der Pfarrer das Evangelium liest und auslegt, steht es dem offen, der den Weg weiß: das Gold hängt wie Eiszapfen herab. – Einer fand eine schöne Blume und trug sie heim; zu Hause ward sie zum Schlüssel; er dachte, es wäre der Schlüssel zum Schlosse, ging an den Berg, kam in die Burg und packte alle Taschen voll Gold und Silber, bis Einer rief: »Mache, daß du fortkommst, vergiß aber das Beste nicht!« In Angst und Eile ließ er den Schlüssel stecken. Nächstes Jahr zur selben Zeit fand er wieder den Weg: er ging in die Burg und verspätete sich so, daß er ein Jahr lang eingeschlossen blieb. Doch dünkte es ihm gleich drey Tagen. Gefrees.

Im Ochsenkopfe befinden sich unterirdische Gemächer: in diesen hängt Gold und Silber herunter, wie Eiszapfen. Man hört auch zeitweise arbeiten drinnen, wie von Bergleuten. Am Johannestag um die zwölfte Stunde ist der Berg offen. Warmensteinach.

Quelle:
Franz Schönwerth: Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 1–3, Band 2, Augsburg 1857/58/59, S. 238-240.
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