414. Jakobe Lauber.

[438] Von A. Schöppner. – Mündlich.


Wie flammt der Kerzen goldner Strahl

Zu Augsburg in dem hohen Saal!

Herr Gustav Adolf lud zum Tanz

Der edlen Frauen schönen Kranz.


Und Alles harrt und Alles spannt,

Wen heut' erkürt des Königs Hand;

Wer wird die Hochbeglückte sein,

Die sich des Ruhmes soll erfreun?


Sieh dort im Erker zart und fein

Ein allerliebstes Jungfräulein;

Wie strahlt ihr Auge sonnenklar,

Wie wallt ihr goldnes Lockenhaar!


Des Königs Blick erspähet bald

Der schönen Jungfrau Wohlgestalt;

Er grüßet sie gar lieb und fein

Und lädt zum Tanze gnädig ein.


Und wonnetrunken schwebt' er hin

Mit seiner holden Tänzerin.

Wie schlug sein Herz so liebewarm,

Da er sie hielt in seinem Arm.


Gar süßer Worte fand er viel

Verlockend zu der Minne Spiel,

Denn immer höher stieg die Glut

Und immer heißer ward sein Blut.


Gemach Herr König! nicht so leicht

Wird eurer Wünsche Ziel erreicht;

Noch blüht in Augsburg wundersam

Das seltne Blümlein: Deutsche Scham.


Herr Gustav glüht von heißer Lust,

Zu drücken sie an seine Brust,

Doch heldenmütig wehret sein

Das tugendsame Mägdelein.


Und wie der König sie bedrängt,

Der Jungfrau zarter Finger fängt

In Gustavs Spitzenkragen sich,

Der so zerriß gar jämmerlich.


Darob erstaunt der König sehr

Und heget fürder kein Begehr,

Zu kühlen seiner Minne Glut

An solcher Tugend Heldenmut.


Des Tags darauf ward übersandt

Der Kragen von des Königs Hand,

Dazu gar kostbares Gestein,

Der keuschen Sitte Lohn zu sein.


Und fragt ihr nach der Schönen Nam',

Die also keusch und tugendsam:

Hieß Jakobine Lauberin,

Des Schwedenkönigs Siegerin.


Wie viel der Spitzenkrägelein

Von unsern heut'gen Jungfräulein

Zerrissen werden grausamlich? –

Die Antwort find't von selber sich.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 438-439.
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